Gelbbauchunke  (Bombina variegata (Linnaeus,1758))

(Syn.: Bergunke, Gebirgsunke)

(Syn.: Rana variegata, Bombinator pachypus)

EU-Code: 1193

Artenschutzmaßnahmen

  1. Anlage (Still)Gewässer (G1)
  2. Anlage von Gesteinsaufschüttungen bzw. Totholzhaufen (O4.4.3)
  3. Förderung naturnaher Waldentwicklung (liegendes Totholz) (W1.6) / Waldumbau (W6)
  4. Wiederherstellung / Entwicklung der Überschwemmungsdynamik in Auenbereichen (G5)
  5. Gewässerpflege (G6)
  6. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Anlage (Still)Gewässer (G1)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Anlegen eines Gewässerkomplexes mit unterschiedlich großen Klein– und Kleinstgewässern mit einem hohen Anteil an periodisch austrocknenden Gewässern und einer Wassertiefe von maximal 40 cm (DIETERICH 2009). Die Gewässer müssen von einer hohen Dynamik geprägt sein (Austrocknung, Wegfall und Neuschaffung von Gewässern in einem Rhythmus von 1–3 Jahren) und in einem frühen Sukzessionsstadium gehalten werden (d.h. es sind flankierende Maßnahmen wie Entschlammung und Entbuschung bei bestehenden Gewässern (vgl. Maßnahme Gewässerpflege) ratsam (SCHLÜPMANN 1996, 2004, DIETERICH 2009, GOLLMANN & GOLLMANN 2000, GENTHNER & HÖLZINGER 2007, SCHLÜPMANN et al. 2011a)).

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung zu potenziellen Stör– und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (vgl. Einführung zum Leitfaden). Kleinere Abstände sind bei Vorkommen im Siedlungsbereich möglich.
  • Entfernung der Maßnahmenfläche zum betroffenen Bestand max. 250 m.
  • Der Standort und dessen Bodenbeschaffenheit (Wasserführung etc.) muss eine ausreichende Dynamik der Gewässer zulassen. Vorzugsweise sollen die Standorte schwere, leicht zu verdichtende Böden (Ton– und Lehmböden) aufweisen (SCHLÜPMANN 1996, BUSCHMANN & SCHEEL 2009, SCHLÜPMANN et al. 2011a). Indikatoren für geeignete Standorte sind Bodennässe, Pflanzen wie Juncus sp. und Wasserretention in neuen, vegetationsfreien Vertiefungen oder Fahrspuren (DIETERICH 2009).
  • In der direkten Umgebung (<50–100 m) müssen Ruderalflächen, teilweise bewachsene Rohbodenflächen, Gebüschgruppen und Steinhaufen als Verstecke vorhanden sein (KARCH 2011, PAN & ILÖK 2010).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung mindestens im Verhältnis 1:1 ausgleichen (Größe und Qualität).
  • Neuanlagen sollten mindestens 20 Klein– oder Kleinstgewässer umfassen. KARCH (2011) empfehlen die Anlage von 10–20 Kleingewässern unterschiedlicher Größe, welche auf 2–4 Standorte verteilt werden.
  • Neuangelegte Gewässer sollen mindestens 5–10 m voneinander entfernt sein (vgl. SIEBERT 2006).
  • Die empfohlene Gewässergröße liegt bei 2–30 m² (Orientierungswert) und einer Gewässertiefe von maximal 20–40 cm (s.u.).
  • Gewässer mit mehr als 20 m² Flächengröße werden nur in Teilbereichen genutzt (BARANDUN et al. 2009).
  • Die Laichgewässer müssen stets besonnt sein, sodass sie sich schnell auf >20°C erwärmen.
  • An mindestens einer Stelle sollte ein Flachufer vorhanden sein. Der Anteil der Flachwasserstellen (<40 cm Tiefe) sollte mindestens 70 % betragen (PAN & ILÖK 2010); BARANDUN et al. (2009) beschreiben eine ideale Wassertiefe von 15 – 50 cm.
  • Der Deckungsgrad der submersen und emersen Vegetation sollte <5 % betragen (PAN & ILÖK 2010).
  • Die Laichgewässer sollten einen temporären Charakter aufweisen und sollten jährlich, mindestens aber im Turnus von 4–6 Jahren trocken fallen.
  • Eine durchgehende Wasserführung von mindestens 8 Wochen zwischen April und August sollte gegeben sein (vgl. KARCH 2011; Schweizer Vogel Schutz Svs / Birdlife Schweiz 2004).
  • Falls Gewässer nie trocken fallen, ist auf eine regelmäßige Neuschaffung von Kleinstgewässern zu achten, um einen dynamischen Lebensraumcharakter zu imitieren (KARCH 2011).
  • Lt. THEIßEN (2005c, zitiert in SCHLÜPMANN et al. 2011a) werden neben dem Ausbaggern und Auskleiden mit Folie seit einiger Zeit auch Polyethylenwannen genutzt, wobei der Reproduktionserfolg mit den anderen Gewässern vergleichbar ist. Polyethylenwannen wurden laut THEIßEN (2005c) und M. SCHLÜPMANN (schriftl. Mitt. vom 09.04.12) in der ersten Fortpflanzungsperiode angenommen. Solche Wannen sind aber nur als Notbehelf zu verstehen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • An sekundären Standorten müssen wiederkehrende Eingriffe die natürliche Dynamik von primären Habitaten (Auenlandschaften von Flüssen) und den dortigen Turnover von Klein– und Kleinstgewässern nachahmen (Lehmgruben, Fahrspuren u. ä.).
  • Entbuschung von Gewässerrändern in einem Turnus von 1–3 Jahren.
  • Im Rotationsverfahren alle 3–5 Jahre Ausräumung der Gewässervegetation und Befreiung von Verlandungsschlamm.
  • Aufgrund des dynamischen Charakters der typischen Laichgewässer ist eine Neuschaffung von temporären Gewässern ggf. zu wiederholen (vgl. KRUMMENACHER 2008).
  • Sukzessionskontrolle: Der zentrale Lebensraum mit den Laichplätzen muss offengehalten werden (SCHLÜPMANN 1996, SCHLÜPMANN et al. 2011a).

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Auch künstliche Gewässer (Folienteiche, Polyethylenwannen etc.) können innerhalb kurzer Zeit gute Laichgewässer darstellen. Zudem lässt sich bei künstlichen Gewässern leicht eine Vorrichtung zum Ablassen des Wassers einbauen, was die Entwicklung von temporären, fischfreien Gewässern erleichtert.
  • Bei Verwendung natürlicher Materialien ist auf die korrekte Abdichtung zu achten, sodass ein frühzeitiges Austrocknen vermieden wird.
  • Eine praktikable und bebilderte Anleitung zur Errichtung von Gelbbauchunkenlaichgewässern von BEHREND et al. (2011) ist unter http://www.biostation–bonn.de/_con02/upload/downloads/elaphe–2011–02_Gelbbauchunke.pdf veröffentlicht.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Anlage der Gewässer ist kurzfristig durchzuführen. Aufgrund der schnellen Annahme von neu gestalteten Gewässern als Laichgewässer durch die Gelbbauchunke (Besiedlung von Pionierstandorten), ist von einer Wirksamkeit nach 1 – 3 Jahren auszugehen.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Es liegen umfangreiche Erkenntnisse zu den artspezifischen Habitatansprüchen in Bezug auf die Laich– und Aufenthaltsgewässer vor.
  • Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar und werden im Regelfall innerhalb von 1–3 Jahren besiedelt.
  • Zahlreiche Untersuchungen belegen die Wirksamkeit dieser Maßnahme (SCHLÜPMANN 2002b, 2004, DIETERICH 2002, SIEBERT 2006, BARANDUN et al. 2009, SCHLÜPMANN et al. 2011a, BEHREND et al. 2011), sofern die notwendige Dynamik des Lebensraums bzw. der Gewässer gewährleistet ist.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Ja
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: sehr hoch

2. Anlage von Gesteinsaufschüttungen bzw. Totholzhaufen (O4.4.3)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Schaffung von Gesteinsaufschüttungen oder Totholzhaufen (je nach Landschaftstyp) als Winterverstecke. Ein aktives Eingraben ist bei der Gelbbauchunke aufgrund fehlender Metatarsalhöcker nicht möglich. Somit ist das Vorhandensein von Flächen mit entsprechenden frostfreien Verstecken / Hohlräumen sehr wichtig.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung zu potenziellen Stör– und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (vgl. Einführung zum Leitfaden). Kleinere Abstände sind bei Vorkommen im Siedlungsbereich möglich.
  • Entfernung der Maßnahmenfläche zum betroffenen Bestand max. 250 m.
  • Bewaldete Flächen sind aufgrund der höheren Temperaturen im Winter, der ausgeglichenen Bodenfeuchte und des großen Hohlraumangebots (Wurzelwerk der Bäume) zur Schaffung von Winterquartieren besser geeignet als offene Landschaften (GENTHNER & HÖLZINGER 2007); NIEKISCH (1990, zitiert in SCHLÜPMANN et al. 2011a) vermutet die Überwinterungsquartiere im Wald bzw. in Waldnähe.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung mindestens im Verhältnis 1:1 ausgleichen (Größe und Qualität).
  • Es sollten mindestens 2–3 Gesteinsaufschüttungen pro ha angelegt werden.
  • Die Steinschüttungen bzw. Totholzhaufen sollen ca. 0,7–1 m tief ins Erdreich reichen, mit einer Breite von ca. 2 m und einer Länge von ungefähr 5 m, um eine frostfreie Überwinterung zu gewährleisten (SCHWEIZER VOGEL SCHUTZ SVS 2004).
  • Untergrund sollte aus 50 cm gut drainiertem Material bestehen (Gestein, Sand). Auf komprimierbare Substanzen sollte im Untergrund verzichtet werden (BAKER et al. 2011).
  • Zur Herstellung der Gesteinschüttungen ist autochthones Gesteinsmaterial zu verwenden.
  • Die Ausbringung von nährstoffarmen Substraten (Sand) auf und in der unmittelbaren Umgebung der Steinschüttungen verhindert den sofortigen Bewuchs dieser Flächen und verringert die Pflegeintensität in den Folgejahren.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Ob ein Ausbringen von Gesteinschüttungen oder Totholzhaufen sinnvoll ist, ist in Abhängigkeit von den standörtlichen Gegebenheiten / Landschaftstypen im Einzelfall zu entscheiden.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Maßnahme ist sehr kurzfristig innerhalb von 1–(3) Jahren wirksam.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Lebensräume und –weise der Art außerhalb der Laich– und Aufenthaltsgewässer, sowie Lage und Struktur von Winterverstecken sind lt. SCHLÜPMANN et al. (2011a, S. 528) nahezu unbekannt.
  • Die benötigten Qualitäten sind kurzfristig entwickelbar (lt;1Jahr).
  • Wirksamkeitsbelege von neu angelegten Winterverstecken sind nicht bekannt. HOß (zitiert in SCHLÜPMANN et al. 2011a S.528) fand jedoch zwei Gelbbauchunken in 10 cm Tiefe in den Hohlräumen eines Schotterhanges unmittelbar neben den Laichgewässern. Nach persönlichen Erfahrungen von M. SCHLÜPMANN (schriftl. Mitt. vom 09.04.12) nutzen sie alle Arten von Hohlräumen zur Überwinterung. Gelbbauchunken werden als Bewohner in den Schotterhängen des Siebengebirges benannt (KREMER 2009). Die Wirksamkeit der Maßnahme(n) wird im Analogieschluss daher als hoch eingeschätzt.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: mittel
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

3. Förderung naturnaher Waldentwicklung (liegendes Totholz) (W1.6) / Waldumbau (W6)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Lt. NIEKISCH (1990, zitiert in SCHLÜPMANN et al. 2011a) sind Wälder zur Überwinterung in oberflächennahen Winterquartieren für die Gelbbauchunke prioritär, da dort eine höhere Sicherheit gegenüber Frost gegeben ist. Durch Nutzungsextensivierung der Wälder soll eine naturnahe Waldentwicklung mit ausreichend liegendem Totholz und damit das natürliche Vorkommen von potenziellen Winterquartieren gewährleistet werden. Durch Umbau reiner Nadelwaldbestände in Laubwälder bzw. Mischwälder kann der Anteil potenzieller Lebensräume erhöht werden. Das aktive Ausbringen von Stubben und Totholz verbessert das Angebot von geeigneten Winterverstecken kurzfristig.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung zu potenziellen Stör– und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (vgl. Einführung zum Leitfaden). Kleinere Abstände sind bei Vorkommen im Siedlungsbereich möglich.
  • Entfernung der Maßnahmenfläche zum betroffenen Bestand max. 250 m.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung mindestens im Verhältnis 1:1 ausgleichen (Größe und Qualität).
  • Vor allem der Waldrand ist als Sommer– und Winterhabitat dieser Art strukturreicher zu gestalten.
  • Auf eine hohe Dichte an liegendem Totholz (Baumwurzel, Stubben usw.) ist zu achten. Wenn notwendig, kann eine aktive Ausbringung von Totholz und Stubben den Maßnahmenerfolg kurzfristig unterstützen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Nein

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Diese Maßnahme ist auch für andere Tiergruppen hilfreich.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Maßnahmen zum Waldumbau bzw. zur Nutzungsextensivierung erreichen ihre volle Wirksamkeit erst mittel– bis langfristig, Teilfunktionen werden jedoch bereits innerhalb von 5–10 Jahren optimiert. Eine kurzfristige Wirksamkeit dieser Maßnahme ist z.B. mit der aktiven Ausbringung von Totholz und Stubben zu erreichen.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Lage und Struktur von Winterverstecken in der Natur sind lt. SCHLÜPMANN et al. (2011a, S. 528) nahezu unbekannt. Allerdings liegen ausreichende Erfahrungen zur Überwinterung aus der Freilandhaltung vor, die zeigen, dass Gelbbauchunken Hohlräume, Spalten und Erdhöhlen zur Überwinterung nutzen (SCHLÜPMANN schriftl. Mitt. vom 09.04.12).
  • Durch aktives Ausbringen von Totholz und Stubben sowie Waldumbau– bzw. –extensivierungsmaßnahmen können Teilfunktionen kurzfristig optimiert werden. Eine vollumfängliche Wirksamkeit tritt mittel– bis langfristig ein.
  • Veröffentlichte Ergebnisse von Erfolgskontrollen dieser Maßnahme sind nicht bekannt. In NRW besteht bezüglich dieser Maßnahme aber eine hohe Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: mittel
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

4. Wiederherstellung / Entwicklung der Überschwemmungsdynamik in Auenbereichen (G5)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Wiederherstellung / Entwicklung von Primärstandorten in Gewässerauen / Renaturierung von kleineren Fließgewässern. Mögliche Maßnahmen zur kurzfristigen Renaturierung des Auenbereichs sind Uferrückbau (zur eigendynamischen Gewässerentwicklung) und die Wiederanbindung von Alt– bzw. Nebenarmen.In NRW gibt es derzeit keine Vorkommen in Flussauen. Bekannte Vorkommen in Bachauen stehen nicht in Zusammenhang mit dem Fließgewässer (SCHLÜPMANN 1996, SCHLÜPMANN et al. 2011a).

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung zu potenziellen Stör– und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (vgl. Einführung zum Leitfaden). Kleinere Abstände sind bei Vorkommen im Siedlungsbereich möglich.
  • Geeignet sind Gewässerauen in der kollinen Stufe.
  • Entfernung der Maßnahmenfläche zum betroffenen Bestand max. 250 m.
  • Landlebensräume im direkten Umfeld (100–250 m) müssen großflächig vegetationsfrei sein und einen Pioniercharakter aufweisen.
  • Die Rahmenbedingungen zur Herstellung der Überschwemmungsdynamik am Maßnahmenstandort (Fließgewässerabschnitt) sollten gegeben sein: die Entstehung flacher und vegetationsfreier Laichgewässer im Bereich der Gewässerränder bei Überschwemmungsereignissen ist möglich.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung mindestens im Verhältnis 1:1 ausgleichen (Größe und Qualität).
  • Eine lokale Profilausweitung des Flusses fördert die Entwicklung von temporär überfluteten Sand– und Kiesbänken.
  • Ein gezieltes Einbringen von Totholz und großen Steinen kann als Strömungshindernis die Strömungsvielfalt erhöhen und Kleinlebensräume schaffen.
  • Schaffung eines nährstoffarmen Gewässerumfeldes durch Abtragung nährstoffreichen Mutterbodens und Aufschüttung von Sand– und Kiesflächen.
  • Anlage von breiten Überschwemmungsflächen mit verdichteten Senken, in denen sich temporäre und vegetationslose Kleingewässer ausbilden können.
  • Neben flachen, dynamischen Gewässern mit temporärem Charakter ist die Schaffung von perennierenden Gewässern ohne Anbindung an das Fließgewässer wichtig.
  • Teilweise kann ein Anheben der eingetieften Gewässersohle nötig sein (Einbringen von Steinen und Schotter).
  • Um die Sukzession bzw. Abschwemmung von nährstoff– und pestizidbelastetem Boden in das Fließgewässer zu verhindern, sollte im direkten Umfeld eine Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung bzw. eine Umwandlung in Auwald erfolgen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Förderung der Gewässer– und Geschiebedynamik ggf. Entbuschungsmaßnahmen im Gewässerumfeld in größeren Zeitabständen (5–10 Jahre).
  • Offenhaltung des Landlebensraumes über ein extensives Beweidungskonzept .

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Bei der Durchführung der Fließgewässerrenaturierung, ist die „Blaue Richtlinie“ (MULNV 2010) zu beachten.
  • Die Wiederherstellung von Primärlebensräumen mit einer natürlichen Dynamik kann von der Dauerverpflichtung zum künstlichen Erhalt früher Sukzessionsstadien (z.B. in aufgelassenen Kiesgruben) entlasten und der Art ein dauerhaftes und eigenständiges Überleben in ihrem Primärhabitat sichern.
  • Der Spielraum für Fließgewässerredynamisierungen ist im dicht besiedelten NRW zwar sehr begrenzt, da das Ergebnis dieser Maßnahme jedoch dem Primärhabitat dieser Art in Auen entspricht ist eine Maßnahmendurchführung, wo eine Durchführung prinzipiell möglich ist, wünschenswert.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Aufgrund des Pioniercharakters der dynamischen Lebensräume und Gewässer, ist die Funktionsfähigkeit für die Art – abhängig von den standörtlichen Gegebenheiten – innerhalb von 1–5 Jahren nach Maßnahmendurchführung zu erreichen.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Es liegen umfangreiche Erkenntnisse zu den artspezifischen Habitatansprüchen vor.
  • Die benötigten Strukturen sind kurz– bis mittelfristig wirksam.
  • Renaturierungen von Fließgewässern der kollinen Stufe werden häufig als Maßnahmen vorgeschlagen. Die Eignung der Maßnahme wird bei entsprechenden Rahmenbedingungen als hoch bewertet, da die Habitate in Auen die Primärhabitate der Gelbbauchunke darstellen.
  • In NRW sind derzeit keine nennenswerten Vorkommen in Fließgewässerauen und keine entsprechenden Primärvorkommen bekannt (SCHLÜPMANN 1996, SCHLÜPMANN et al. 2011a, b). Im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Bibers in NRW und den damit verbundenen drastischen Landschaftsveränderungen in Auen erwarten SCHLÜPMANN et al. 2011a, S.537 positive Effekte für Unken. Allerdings liegen aus Mitteleuropa kaum relevante Erfahrungen vor und SCHLÜPMANN (schriftl. Mitt. v. 09.04.2012) beurteilt den Erfolg solcher Maßnahmen als fraglich. Im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen, 20.10.2011) wird die Eignung als hoch bewertet.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: mittel

Fazit Eignung: hoch

5. Gewässerpflege (G6)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Die Lebensräume können nur durch ständige Pflegeeingriffe aufrecht erhalten werden (SCHLÜPMANN 1996, 2004, SCHLÜPMANN et al. 2011a, b). Bestehende Laichgewässer der Gelbbauchunke werden im Turnus von 1–3 Jahren „ausgeräumt“, um einen Pioniercharakter zu erhalten. Zudem wird die Ufervegetation gekürzt oder teilweise entfernt, um die Beschattung der Gewässeroberfläche zu minimieren. Auch eine extensive Beweidung mit Ziegen und Rindern kann den Pioniercharakter der Standorte erhalten (SY 1999, ZAHN 2006).

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung zu potenziellen Stör– und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (vgl. Einführung zum Leitfaden). Kleinere Abstände sind bei Vorkommen im Siedlungsbereich möglich.
  • Entfernung der Maßnahmenfläche zum betroffenen Bestand max. 250 m.
  • Die in Maßnahme „Anlage von (Still)Gewässern“ angesprochene Dynamik des Lebensraumes muss gewährleistet sein.
  • Eine bestehende Dynamik (Fahrzeuge auf Standortübungsplätzen, Abgrabungstätigkeit u. a. vgl. SCHLÜPMANN et al. 2011a) ist wünschenswert und bietet die Möglichkeit dauerhaften Erfolges, kann aber gegebenenfalls gelenkt werden (z. B. bei zu großer Belastung).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung mindestens im Verhältnis 1:1 ausgleichen (Größe und Qualität).
  • Bei lehmig–tonigem Grund sollten Wagenspuren mittels schwerer Fahrzeuge (Panzer, LKW, Traktoren, Radlader) in Abständen von 2–5 Jahren neu geschaffen oder wiederholt durchfahren werden. Wassergefüllte Wagenspuren sind auch in NRW der wichtigste Lebensraumtyp (SCHLÜPMANN 1996, SCHLÜPMANN et al. 2011a).
  • Pflegeeingriffe sollten je nach Sukzessionsstadium alle 1–5 Jahre vollzogen werden. Im Einzelnen:
  • Umgebung der Kleingewässer entbuschen, um die Beschattung zu minimieren (KARCH 2011).
  • Entfernung von Gehölzen durch die Mahd per Sense oder Freischneider.
  • Entfernung des Pflanzenwuchses im und am Ufer der Gewässer.
  • Entfernung von Laub und Feinmaterial aus den Gewässern (KARCH 2011).
  • Erneutes Befahren von temporären Kleinstgewässern (Fahrzeugspuren) zur Verdichtung des Untergrundes und Verbesserung der Wasserhaltekapazität.
  • Das Ausmaß und die Intensität der Pflegemaßnahmen sind den Gegebenheiten (Stärke des Pflanzenbewuchses, Gewässersukzession) anzupassen (KARCH 2011).
  • Wiederholte Neuschaffung von Kleinstgewässern mit folgenden Bedingungen:
  • Neuanlagen sollten mindestens 20 Klein– oder Kleinstgewässer umfassen. KARCH (2011) empfehlen die Anlage von 10–20 Kleingewässern unterschiedlicher Größe, welche auf 2–4 Standorte verteilt werden.
  • Neuangelegte Gewässer sollen mindestens 5–10 m voneinander entfernt sein (vgl. SIEBERT 2006).
  • Die empfohlene Gewässergröße liegt bei 2–30 m² (Orientierungswert) und einer Gewässertiefe von maximal 20–40 cm (s.u.).
  • Die Laichgewässer müssen stets besonnt sein, sodass sie sich schnell auf >20°C erwärmen.
  • An mindestens einer Stelle sollte ein Flachufer vorhanden sein. Der Anteil der Flachwasserstellen (<40 cm Tiefe) sollte mindestens 70 % betragen (PAN & ILÖK 2010); BARANDUN et al. (2009) beschreiben eine ideale Wassertiefe von 15–50 cm.
  • Der Deckungsgrad der submersen und emersen Vegetation sollte <5 % betragen (PAN & ILÖK 2010).
  • Die Laichgewässer sollten einen temporären Charakter aufweisen und sollten jährlich, mindestens aber im Turnus von 4–6 Jahren trocken fallen. Falls Gewässer nie trocken fallen, ist auf eine regelmäßige Neuschaffung von Kleinstgewässern zu achten, um einen dynamischen Lebensraumcharakter zu imitieren (KARCH 2011).
  • Eine durchgehende Wasserführung von mindestens 8 Wochen zwischen April und August sollte gegeben sein (KARCH 2011).
  • Schutz vor dem Eintrag von Düngemittel und Insektiziden mittels eines 10–50 m (je nach Stoffeintragsgefährdung) breiten, extensiv genutzten Uferrandstreifens bzw. absoluten Düngungsverzichts in unmittelbarer Umgebung (BERGER et al. 2011).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Wiederkehrende Pflegemaßnahmen im Turnus von 1–5 Jahren (je nach Ausgangssituation der Gewässer).

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Bei Eingriffen, wie der Entfernung von Bodenschlamm und Wasservegetation, ist stets auf einen eventuellen Zielkonflikt mit anderen gefährdeten Arten zu achten. Allerdings genießt die Gelbbauchunke wegen ihrer sehr starken Gefährdung (SCHLÜPMANN et al. 2011b) Priorität.
  • Bei der Entschlammung ist die Abfolge und Lage der wasserspeisenden und wasserstauenden Schichten zu ermitteln, damit die für Kleingewässer wichtige Stauschicht nicht durch die Entschlammung durchstoßen wird (BERGER et al. 2011).
  • Art und Menge der Gewässer auf beweideten Flächen bzw. die Viehdichte müssen so ausgesteuert werden, dass das Vieh nicht alle Gewässer als Tränke nutzt (Risiko des vorzeitigen Austrocknens) (SCHLÜPMANN et al. 2011a). Daher ist eventuell eine Einzäunung von kleinen Gewässern im Sommer bei zu hohen Viehdichten (>2 GVE/ha) geboten.
  • Maßnahmen am Gewässer sind unter weitgehender Schonung anderer Arten vorzunehmen (i.d.R. im September / Oktober).

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Maßnahmen sind kurzfristig durchführbar. Somit kann mit einer Wirksamkeit innerhalb von 1–3 Fortpflanzungsperioden gerechnet werden.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Es liegen umfangreiche Erkenntnisse zu den artspezifischen Ansprüchen bezüglich der Laich– und Aufenthaltsgewässer vor.
  • Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar (1–3 Jahre).
  • Positive Nachkontrollen (vgl. DIETERICH 2002, SIEBERT 2006) sind vorhanden und dokumentieren die grundsätzliche Wirksamkeit dieser Maßnahme.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Ja
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: sehr hoch

6. Fazit

Für die Gelbbauchunke stehen kurzfristig wirksame Maßnahmentypen zur Sicherstellung der Laichgewässer sowie Sommer– und Winterlebensräume zur Verfügung.

Angaben zu Priorisierung:

Die Maßnahme „Anlage neuer (Still)Gewässer“ besitzt wie bei allen Amphibien die höchste Priorität. Zur Schaffung von Winterquartieren und Verstecken besitzt die Maßnahme „Förderung naturnaher Waldentwicklung“ eine höhere Priorität als die Maßnahme „ Anlage von Gesteinsaufschüttungen bzw. Totholzhaufen“. Die Maßnahme „Wiederherstellung / Entwicklung der Überschwemmungsdynamik in Auenbereichen“ ist eine wünschenswerte Maßnahme für diese Art (hohe Priorität), wenn die Rahmenbedingungen grundsätzlich gegeben sind.