Zwergschwan  (Cygnus bewickii Ord.,1815)

(Syn.: C. columbianus)

Artenschutzmaßnahmen

  1. Optimierung von Gewässern (Ruhestätten) (G3.1, G3.3)
  2. Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im Grünland (O1.1, G1.2, G2.1, G4.3)
  3. Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im Acker (O2.1, O2.2)
  4. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Optimierung von Gewässern (Ruhestätten) (G3.1, G3.3)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Zwergschwäne nächtigen und ruhen gerne in ruhigen Flachwasserzonen in Ufernähe. An größeren Stillgewässern (z. B. Abgrabungen) werden bei Betroffenheit von Ruhestätten Modellierungsmaßnahmen zur Schaffung von störungsarmen Flachwasserzonen durchgeführt. Die Maßnahme betrifft nur Schlafgewässer, für Nahrungsflächen ist Maßnahme 2 oder Maßnahme 3 umzusetzen.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden). Weiterhin ist auf eine ausreichende Störungsarmut bezüglich Erholungsnutzung (Wasser- und Angelsportler, Spaziergänger, frei laufende Hunde, etc.) zu achten. Die Fluchtdistanz liegt nach GASSNER et al. (2010) bei 300 m.
  • Vorhandene, windgeschützte Stillgewässer mit Aufwertungspotenzial bezüglich der Gewässertiefe / der Uferstrukturen oder ggf. Anlage neuer Flutmulden.
  • Geeignete Nahrungshabitate im Umfeld von max. 5 km vorhanden (je näher desto besser).
  • Mindestabstand der Schlafplätze zu Windenergieanlagen und -parks von 1000 m (MULNV & LANUV 2017).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Rastbestand: Es gibt keine begründeten Mengen- bzw. Größenangaben in der Literatur. Der räumliche Umfang ist im Einzelfall festzulegen insbesondere anhand der Parameter Flächengröße und Zustand der betroffenen Gebiete und betroffene Individuenzahl. Grundsätzlich Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Da Zwergschwäne bevorzugt an größeren Flachgewässern rasten, wird bei vollständigem Funktionsverlust des Rastplatzes ein Mindestwert von 5 ha für die Gewässergröße empfohlen, wobei die meisten Schlafgewässer in NRW mehr als 10 ha Wasserfläche haben. Im Norden des Kreises Steinfurt befinden sich Schlafplätze auch an Blänken und Teichen innerhalb von überstauten Grünlandkomplexen (TÜLLINGHOFF schriftl. Mitt.), weshalb in einem solchen Fall die Beeinträchtigungen im Verhältnis 1:1 auszugleichen sind.
  • Schaffung / Modellierung von störungsfreien Gewässern mit Flachwasserzonen.
  • Ggf. Entfernung von Gehölzen o. a. Vertikalstrukturen zur Schaffung freier Sichtmöglichkeiten / von Einflugschneisen.
  • Die Maßnahme wird idealerweise in Kombination mit Aufwertungen in schlafplatznahen Nahrungshabitaten durchgeführt (Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im Grünland und Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im Acker).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Nein

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Zwergschwäne sind an ihren Schlafplätzen sehr störungsempfindlich, so dass hier keine menschlichen Aktivitäten auf dem Wasser und im Uferbereich stattfinden dürfen (Wassersport, Angeln, frei laufende Hunde, usw.).

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die benötigten Strukturen (Herstellung von Flachwasserbereichen) sind grundsätzlich unmittelbar nach Maßnahmenumsetzung wirksam. Um den Zwergschwänen eine Eingewöhnung und räumliche Erkundung zu ermöglichen, soll die Maßnahme mit einer Vorlaufzeit von 2-3 Jahren hergestellt werden (RUNGE et al. 2010: A 116 gehen von 1-3 Jahren Vorlaufzeit für die Blässgans aus; es wird davon ausgegangen, dass dies auch auf den Zwergschwan zutrifft).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche des Zwergschwans sind gut bekannt. Die Maßnahme erscheint daher und auch wegen der häufigen Nutzung von größeren Abgrabungsgewässern als grundsätzlich plausibel.
  • Aufgrund der besonderen Bedeutung von traditionellen Ruhestätten und dem Fehlen konkreter Wirksamkeitsnachweise von speziell geplant angelegten Maßnahmengewässern ist bei diesem Maßnahmentyp eine Einzelfallprüfung unter Beteiligung von lokalen Experten durchzuführen und die Maßnahme mit einem Monitoring zu begleiten. Für NRW wurde der Eignungsgrad analog zum Votum des Expertenworkshop am 8.11.2011 (LANUV Recklinghausen) zu den Gänsen mit „mittel“ bewertet.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Ja
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: mittel

Fazit

Eignung: mittel

2. Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im Grünland (O1.1, G1.2, G2.1, G4.3)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Zwergschwäne nutzen häufig überschwemmte Grünlandflächen zur Nahrungsaufnahme. In störungsarmen Bereichen wird kurzrasiges, nährstoffreiches Grünland mit einem hohen Grundwasserstand als günstiges Nahrungshabitat für Zwergschwäne zur Verfügung gestellt. Die Maßnahme betrifft nur Nahrungsflächen, für Schlafgewässer ist Maßnahme 1 umzusetzen.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden). Weiterhin ist auf eine ausreichende Störungsarmut bezüglich Erholungsnutzung (Sportler, Spaziergänger, frei laufende Hunde, Knallapparate zur Vogelabwehr auf Agrarkulturen, etc.) zu achten. Die Fluchtdistanz liegt nach GASSNER et al. (2010) bei 300 m. Jagdruhe auf Höckerschwan, mit dem sie regelmäßig vergesellschaftet sind.
  • Geeignete Schlafplätze im Umfeld von max. 5 km vorhanden (je näher desto besser), weithin offene Landschaft aufgrund der Meidung gegenüber geschlossenen Vertikalstrukturen (siehe oben).
  • Ausgangsbestand: Acker oder versiegelte Standorte; Grünland nur, wenn es deutlich vernässt werden kann (während der Rastzeit längere Zeit überflutet).
  • Mittlere bis eutrophe Böden mit durchschnittlicher bis hoher Bodenfeuchte. Ungeeignet sind trockene und magere Standorte (zu geringer Nährstoffgehalt der Gräser).
  • Mindestabstand der Nahrungsflächen zu Windenergieanlagen und -parks von 400 m (MULNV & LANUV 2017).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Rastbestand: Es gibt keine begründeten Mengen- bzw. Größenangaben in der Literatur. Der räumliche Umfang ist im Einzelfall festzulegen, insbesondere anhand der Parameter Flächengröße und Zustand der betroffenen Gebiete und betroffenen Individuenzahl. Grundsätzlich Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Bei der Flächengröße ist zu berücksichtigen, dass eine Überflutung ohne Schädigung von Nachbarflächen möglich ist.
  • Sofern noch nicht vorhanden, kann sich die Schaffung eines Mikroreliefs, bei dem auch nasse Stellen und winterlich überstaute Flachwasserbereiche vorkommen, günstig auf die Annahme der Flächen durch Zwergschwäne auswirken (MEIER-PEITHMANN 2008). Es können idealerweise auch größere Flachwasserbereiche (> 1 ha) angelegt werden, die zugleich eine Funktion als Schlafplatz entfalten können.
  • Ggf. Entfernung von Gehölzen o. a. Vertikalstrukturen zur Schaffung freier Sichtmöglichkeiten / von Einflugschneisen / Verringerung von Zerschneidung.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Regelmäßige Pflege des Grünlandes, Offenhaltung.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Keine Düngung zur Aufwertung des Nährstoffgehaltes der Gräser auf naturschutzfachlich anderweitig bedeutungsvollen Magerstandorten oder in deren direkter Nachbarschaft.
  • Konflikte zwischen für Schwäne optimiertem Grünland und Grünland für andere Wiesenvögel.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Maßnahmen zur Herstellung des Mikroreliefs sind unmittelbar nach Abschluss der Maßnahme bzw. in der nächsten Rastsaison wirksam. Für die Herstellung eines attraktiven Grünlandes wird eine Zeitdauer von bis zu 3 Jahren veranschlagt. RUNGE et al. (2010: 116) gehen für die Blässgans von einer Wirksamkeit von 1 bis 3 Jahren aus.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die benötigten Strukturen stehen kurzfristig bereit. Die für den Maßnahmentyp relevanten Habitatansprüche der Art sind gut bekannt, so dass eine Annahme der Flächen durch die Schwäne zu erwarten ist (DEGEN et al. 2009, HAASE et al. 1999).

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Ja
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit

Eignung: hoch

3. Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im Acker (O2.1, O2.2)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Zwergschwäne nutzen neben Grünlandflächen auch Raps- und Getreidekulturen (BAUER at al. 2005: 45, DEGEN et al. 2009, NLWKN 2011, RUTSCHKE 1992: 121f, ZIEGLER 1993). In der niedersächsischen Elbtalaue stellte die gezielte Vertreibung der Schwäne von Raps- und Getreidekulturen durch die Betreiber die stärkste Beeinträchtigung des Rastgebietes dar (DEGEN et al. 2009); auch aus NRW sind solche Vergrämungen bekannt. In der Maßnahme werden den Schwänen entsprechende Flächen zur Verfügung gestellt, indem sie und die Umgebung frei von Störungen gehalten werden. Die Maßnahme betrifft nur Nahrungsflächen, für Schlafgewässer ist Maßnahme 1 umzusetzen.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden). Weiterhin ist auf eine ausreichende Störungsarmut bezüglich Erholungsnutzung (Touristen, Spaziergänger etc.) zu achten. Die Fluchtdistanz liegt nach GASSNER et al. (2010) bei 300 m. Jagdruhe auf Höckerschwan, mit dem sie regelmäßig vergesellschaftet sind.
  • Geeignete Schlafplätze im Umfeld von max. 5 km vorhanden (je näher desto besser), weithin offene Landschaft aufgrund der Meidung gegenüber geschlossenen Vertikalstrukturen (siehe oben).
  • Vorhandene Ackerfläche oder versiegelte Standorte (kein Umbruch von Grünland in Acker für die Maßnahme).
  • Mindestabstand der Nahrungsflächen zu Windenergieanlagen und -parks von 400 m (MULNV & LANUV 2017).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Rastbestand: Es gibt keine begründeten Mengen- bzw. Größenangaben in der Literatur. Der räumliche Umfang ist im Einzelfall festzulegen insbesondere anhand der Parameter Flächengröße und Zustand der betroffenen Gebiete und betroffene Individuenzahl. Grundsätzlich Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Als Mindestwert werden für eine signifikante Verbesserung des Nahrungsangebotes insgesamt mind. 2 ha Maßnahmenfläche empfohlen.
  • Im Rastgebiet der Zwergschwäne werden Winterrapskulturen angelegt, in denen sich die Vögel ungestört zur Nahrungsaufnahme einfinden können. Dazu müssen die Flächen weit genug von Störquellen (s. o.) entfernt sein. Im Umkreis von 500 m ist eine Jagdruhe auf Höckerschwäne und Gänse einzuhalten. Sonstige jagdliche Aktivitäten
  • sind auf maximal eine Treibjagd pro Winter zu beschränken.
  • Ggf. Entfernung von Gehölzen o. a. Vertikalstrukturen zur Schaffung freier Sichtmöglichkeiten / von Einflugschneisen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Die Kultureinsaat soll jährlich wiederholt werden, wobei die Maßnahmenfläche rotieren kann.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Durch die Minimierung der Störungen wird der Energieverbrauch gesenkt, was sich günstig auf den Nahrungs- und Energieverbrauch und letztlich die Kondition der Schwäne auswirkt (SPILLING & KÖNIGSTEDT 1995).

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Schwäne sind Nahrungsopportunisten und nehmen die Maßnahmenflächen in der Regel schnell an (vgl. BLÜML 2013 zum Singschwan).
  • Die Strukturen sind kurzfristig herstellbar (nach dem Auskeimen).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die benötigten Strukturen stehen kurzfristig bereit und werden von Schwänen hochgradig frequentiert. Die für den Maßnahmentyp relevanten Habitatansprüche des Zwergschwans sind gut bekannt.
  • DEGEN et al. (2009) bezeichnen die Duldung der Zwergschwäne auf Winterrapskulturen als sehr effizient. Gleichzeitig besitzt diese Methode eine hohe Akzeptanz bei den Bewirtschaftern und ist daher für ein Gastvogelmanagement besonders geeignet.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Ja
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit

Eignung: hoch

4. Fazit

Für den Zwergschwan besteht die Möglichkeit zur Durchführung vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen in den Nahrungshabitaten. Maßnahmen für die Ruhestätten sind Einzelfallentscheidungen und von einem Monitoring zu begleiten.

Angaben zu Priorisierung:

Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im überschwemmten Grünland haben eine höhere Priorität als die Anlage von störungsfreien Winterrapskulturen und die Optimierung von Gewässern (Ruhestätten).