Großer Brachvogel  (Numenius arquata (L.))

EU-Code: A160

Artenschutzmaßnahmen

  1. Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland (G2.1, O1.1.2)
  2. Schutz von Gelegen vor Verlusten durch landwirtschaftliche Bearbeitungsgänge oder Viehtritt (Av 2.3)
  3. Prädatorenmanagement (Av 6.1; Av 6.2)
  4. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland (G2.1, O1.1.2)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

In der Maßnahme werden geeignete Grünlandbestände mit offenen, zur Brutzeit wasserführenden, an den Ufern spärlich oder kurz bewachsenen Blänken und / oder Tümpeln hergestellt oder optimiert.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden). Weiterhin ist auf eine ausreichende Störungsarmut bezüglich Erholungsnutzung (Spaziergänger, frei laufende Hunde, Modellflugzeugflieger etc.) zu achten.
  • Maßnahmenstandorte mit (weitgehend) freiem Horizont; keine hohen, geschlossenen Vertikalkulissen (große und dichte Baumreihen, Wälder, Siedlungen, große Hofanlagen) und Stromleitungen in der Nähe bis mind. 100 m (s.o.).
  • Grünland- oder Ackerstandorte mit mittleren bis nassen Bodenverhältnissen. Bestehende Grünlandstandorte mit Renaturierungsmöglichkeiten sind zu bevorzugen.
  • In der Regel werden großflächige Grünlandkomplexe benötigt, da Einzelmaßnahmen für isolierte Paare nur bedingt sinnvoll sind, in der Regel minimal 20 ha Gesamtflächengröße.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Brutpaar: Die konkrete Flächengröße der Maßnahme richtet sich nach der lokalen Betroffenheit (Ausgleich mind. 1:1), der Anzahl der betroffenen Paare und den lokalen Bedingungen. Die Familien haben Aktionsräume von 15 bis 20 ha (Tüllinghoff schriftl. Mitt.). Im Regelfall werden daher >20 ha als Minimalfläche benötigt.
  • Grundsätzlich gelten folgende allgemeine Grundsätze für die Neuanlage bzw. Optimierung von Grünland:
  • Beachtung der im Boden ggf. noch vorhandenen Diasporenbank (Früchte) der Zielarten
  • Etablierung mittels Mähgutübertragung von gut ausgebildeten Extensivwiesen der Region (vgl. LANUV 2011).
  • Etablierung mittels streifenförmiger Einsaat in bestehendes Grünland.
  • Etablierung mittels flächenhafter Einsaat einer Saatgutmischung (z.B. auf ehemaligen Ackerflächen).
  • Bei Einsaat ist autochtones, an die jeweiligen Standortverhältnisse angepasstes Saatgut zu verwenden.
  • Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist im Regelfall nicht zulässig.
  • Im Regelfall soll keine Düngung der Maßnahmenflächen erfolgen, insbesondere nicht bei anfänglich notwendiger Ausmagerungsphase.
  • Bei Beweidung erfolgt die Düngung in der Regel durch die Weidetiere (Ausnahme: Pferch).
  • Bei großen Flächen: Mahd von Innen nach außen, um Tieren in der Wiese Fluchtmöglichkeit zu lassen.
  • Sofern nicht anders angegeben, ist das Mahdgut abzutransportieren. Idealerweise wird das Mahdgut nicht sofort aufgelesen, sondern 1-2 Tage liegen gelassen.
  • Darüber hinaus sind für den Großen Brachvogel speziell folgende Aspekte zu beachten:
  • Wassermanagement: Zur Steigerung der Attraktivität von Grünländern für den Großen Brachvogel ist das Anheben von Grabenwasserständen bzw. die Wiedervernässung der Flächen ein wichtiges Instrument. Grundsätzlich sollte der Oberboden innerhalb der Brutzeit zumindest in Teilen der Maßnahmenfläche weich und stocherfähig sein. Im Vorfeld der Umsetzung ist eine genaue Prüfung der Standortverhältnisse notwendig, um die sachgerechten Maßnahmen zur Erhöhung der Bodenfeuchte festlegen zu können (z. B. Anstau von Gräben, Anpassung der Pumpleistung in Bergsenkungsgebieten, „Tieferlegung“ von Flächen im Deichvorland und von anderen trocken gefallenen Flächen, aktive Bewässerung z. B. über Windradpumpen, Anlage von Blänken, LANUV 2011b: 96). Die konkreten Grundwasserstände können nur im Einzelfall und artspezifisch festgelegt werden.
  • Bei Mineralböden (Hötker et al. 2007: 87) Beibehaltung / Wiederherstellung geeigneter Grundwasserstände mit partiellen und zeitlich begrenzten winterlichen Überstauungen (Junker et al. 2006, NLWKN 2009). Werden lang andauernde, flächendeckende Überstauungen vorgenommen, so können sich diese in zweierlei Hinsicht negativ auswirken: Erstens wird durch solche Überstauung das Bodenleben abgetötet, was möglicherweise zu einer deutlichen Nahrungsverknappung führt (Auden et al. 2001). Zweitens werden durch die Überstauung auch die Hauptbeutetiere (Feld- und Erdmaus) der meisten, im Grünland lebenden Prädatoren getötet, was möglicherweise zu einem stärkeren Prädationsdruck auf die Wiesenvögel führt (Junker et al. 2006, vgl. Maßnahme: Prädatorenmanagement).
  • Bei Feuchtwiesen (Binnenland) auf Standorten mit organischen Böden (Torf) ist die Wirksamkeit von Wasserstandsanhebungen sowohl für Wiesenvögel als auch für Feuchtwiesen-Pflanzengesellschaften aus verschiedenen Gründen eingeschränkt. Insbesondere der winterliche Überstau hat sich nicht immer als vorteilhaft erwiesen. Der Überstau kann zu Einschränkungen der Nahrungsverfügbarkeit der Wiesenvögel und auch der weiteren Pflegemöglichkeiten führen. Problematisch sind möglicherweise vor allem stark wechselnde Feuchtigkeitsbedingungen innerhalb eines Jahres, die die Bildung angepasster Zoozönosen verhindern. Wiesenvogeldichten sind auf Torfböden relativ gering (Hötker et al. 2007: 88). Empfehlenswert ist für diese Standorte anstelle von Überstauungen das Einstellen ganzjährig hoher Wasserstände, um die Rückquellung der meist stark degenerierten Torfe zu fördern und die Grundvoraussetzung für die Etablierung feuchtigkeitsliebender Lebensgemeinschaften zu schaffen (ebd.). Das NLWKN (2009, Niedersachsen) gibt bzgl. der Grundwasserstände folgende artspezifischen Empfehlungen für den Brachvogel: Beibehaltung/Wiederherstellung geeigneter Grundwasserstände im Grünland; möglichst mit kurzzeitigen winterlichen Überflutungen (zwischen Dezember bis März) und sukzessiven Rückgang zum Frühjahr bis auf 40 cm unter Geländeoberkante.
  • Erhalt/Schaffung von kleinen offenen Wasserflächen zur Brutzeit (Blänken, Mulden, temporäre Flachgewässer, Gräben etc.: Boschert 1999: 54, Eglington et al. 2008, 2010: NLWKN 2009). Zur Vermeidung von Verlusten durch Ertrinken sind flache Ufer erforderlich (Boschert 2008: 351, Junker et al. 2006, NLWKN 2009), d. h. vorhandene steilwandige Gräben sind im Profil abzuflachen. Müller et al. (2009: 346, Kiebitz) empfehlen bei Mulden und Teichen einen Böschungswinken von max. 1:10. An den Blänken sind bei starkem Aufkommen z. B. von Flatterbinse oder Röhrichten jährliche Pflegeschnitte ab dem 15.8. durchzuführen (Born et al. 1990: 39, Tischew et al. 2002). Kipp (1982b) empfiehlt die Anlage von 0,5 ha großen Blänken mit einer Tiefe von maximal 80 cm. Die Böschungsneigung der Blänken sollte 1:15 – 1:20 betragen. Bei maximaler Wasserführung sollte die offene Wasserfläche 0,1-0,5 ha betragen.
  • Pflege des Grünlandes (Mahd / Beweidung): Grundsätzlich ist in der Regel ein Mosaikmanagement (Schaffung von einem Mosaik aus Wiesen-, Weide- und Mähweidenutzung bei gestaffelten Mähterminen / Beweidungsdichten), bei dem großflächige kurzrasige Bereiche mit (kleineren) höherwüchsigen Flächen abwechseln, sinnvoll, damit Nahrungsflächen und Versteckmöglichkeiten nahe beieinander liegen (NLWKN 2009; Born et al. 1990: 40, Müller et al. 2009: 346, LANUV 2011: 94 f.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auf einer Fläche die Ansprüche mehrerer Arten erfüllt werden sollen. Die höherwüchsigen Flächen dürfen jedoch nicht das Prädationsrisiko erhöhen (Säume als Rückzugsräume für Bodenprädatoren, vgl. Prädatorenmanagement). Das LANUV (2011a) empfiehlt folgende artspezifische Pflegetermine für den Brachvogel: kein Walzen nach dem 15.3., Mahd erst ab 15.06.; möglichst keine bzw. geringe Beweidungsdichte bis 15.6. (bei Nachgelegen oder Spätbruten ist eine Verschiebung des Mahdtermins möglich). Wegen der späten Gelege sollte eine Mahd vor dem 1.7. nur bei einer ornithologischen Flächenbetreuung erlaubt werden (Tüllinghoff schriftl. Mitt.). Die konkrete Pflegeintensität ist an die lokalen Bedingungen – insbesondere die Wüchsigkeit des Standortes – und die artspezifischen Ansprüche an die Vegetation (s. o.) anzupassen. Einerseits soll die Nutzung nicht so intensiv sein, dass Verluste durch Mahd oder Beweidung (Tritt) auftreten. Andererseits kann eine zu extensive Nutzung zu einem erhöhten und ungünstigen Vegetationswachstum führen. Dies kann v. a. bei Flächen auftreten, die vorher als Intensivgrünland stark gedüngt wurden und somit eine hohe Wüchsigkeit aufweisen. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob vor der eigentlichen Nutzung als Extensiv-Grünland eine Phase mit erhöhten Schnitten erforderlich ist, um die Nährstoffe / die Wüchsigkeit der Fläche zu reduzieren. Wenn nachweislich in einer konkreten Fläche keine Bodenbrüter vorhanden sind, kann auch eine frühere Mahd erfolgen. Ein solches Konzept verlangt allerdings einen höheren Betreuungsaufwand (Junker et al. 2006). Die Beweidungsintensität ist grds. so zu regulieren, dass ein Teil der Weidefläche nie vollständig abgefressen wird, so dass neben kurzrasigen Nahrungsflächen auch höherwüchsige Versteckmöglichkeiten vorhanden sind (Müller et al. 2009: 345 für den Kiebitz). Eine hohe Beweidungsintensität kann zu starken Gelegeverlusten durch Tritt führen (Düttmann et al. 2006, Müller et al. 2009). Diese Verluste können durch eine Reduzierung der Weideviehdichte minimiert werden. Dabei verursachen z. B. Pferde höhere Verlustraten als Milchkühe (Junker et al. 2006), ebenso verursachen Jungrinder bei gleicher Dichte höhere Verlustraten als Milchkühe (Beintema & Müskens 1987 zit. ebd.). Die Verwendung von Großvieheinheiten (GVE) bei der Festsetzung von Weideviehdichten in Wiesenvogelgebieten wird deshalb den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gerecht (Junker et al. 2006). Die Weideviehdichte muss den Gegebenheiten vor Ort angepasst sein. Nach Shrubb (2007, zit. bei Müller et al. 2009: 343) verursacht eine Dichte von einem Weidetier / ha wenig Probleme. Er empfiehlt für den Kiebitz, weniger Jungtiere und dafür mehr Alttiere einzusetzen, jedoch keine Schafe, da Kiebitze diese im Unterschied zu Rindern nicht vom Nest fernhalten können (entsprechendes gilt vermutlich auch für den Brachvogel). Überstaute und sehr nasse Flächen sollten zur Brutzeit nicht beweidet werden, da sich am Rand dieser Bereiche sehr oft die Nester von Kiebitzen, Uferschnepfen und Brachvögeln befinden. Maschinelle Flächenbearbeitungen können (insbesondere auf konventionell bewirtschaftetem Grünland) z. T. starke Verlustraten hervorrufen. Eine große Gefahr geht vor allem vom Schleppen / Walzen aber auch von der Gülledüngung im zeitigen Frühjahr aus. Das Schleppen / Walzen kann im Extremfall zur Zerstörung aller Erstgelege führen. Deshalb sollte die landwirtschaftliche Frühjahrsbearbeitung der Flächen auf die Zeit vor der Legeperiode der Wiesenvögel bis zum 15.3. beschränkt sein. Flächenhafte Mahd soll erst nach Flüggewerden der Jungen stattfinden.
  • Müller et al. (2009: 345, Schweiz, Kiebitz) schlagen bei sehr wüchsigen Standorten als Alternative zu länger dauernden Ausmagerungsphasen das Abschieben von nährstoffreichem Oberboden vor, wodurch gleichzeitig auch ein Mikrorelief mit flachen überstauten Senken geschaffen werden kann. Die Maßnahme wurde in der Schweiz bereits mehrfach erfolgreich für den Kiebitz umgesetzt (ebd.: 336 f.). Teilweise wird auch oder zusätzlich ein Pflügen des Oberbodens zur Schaffung kurzrasiger Bereiche empfohlen.
  • Ggf. Rodung von Gehölzen, insbesondere wenn diese eine Sichtbarriere darstellen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Das Maßnahmenpaket erfordert eine umfassende (Standorts-) Planung, Betreuung und Pflege bezüglich der Wasserstände, der Offenhaltung durch Mahd / Beweidung und des (gelegentlichen) Entfernens von Gehölzaufwuchs.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • V. a. bei Betroffenheit mehrerer Wiesenlimikolen-Arten sind großflächige Maßnahmenflächen > 100 ha sinnvoll, um durch ein Mosaikmanagement bezüglich Bodenfeuchte, Wasserstand, Vegetationshöhen und –dichten den graduell unterschiedlichen Ansprüchen zwischen den Arten und auch innerhalb einer Art zu genügen. Die höherwüchsigen Flächen dürfen jedoch nicht das Prädationsrisiko erhöhen (Säume als Rückzugsräume für Bodenprädatoren, vgl. Prädatorenmanagement).
  • Jungvögel können in den ersten Lebenswochen nicht stochern und sind somit auf blütenreiche (insektenreiche) Bestände angewiesen (Behrens et al. 2007).
  • Mögliche Konflikte zum botanischen Feuchtwiesenschutz.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Maßnahmen (-pakete) können – bei bereits vorhandener Grundeignung der Fläche – bereits im ersten Jahr erfolgreich sein (z. B. Handke 2004 zit. bei Haberreiter & Denner 2006, hessischer Oberrhein: Kiebitz; Müller et al. 2009: 341 Fraubrunnenmoos, Schweiz: Kiebitz). Auch Hötker et al. (2007: 5) weisen darauf hin, dass sich positive Auswirkungen von Maßnahmen auf die Wiesenvogelbestände v. a. in den Jahren nach der Umsetzung zeigten (danach teilweise nicht mehr aufgrund suboptimaler Folgeentwicklung).
  • Aufgrund der meist hohen Reviertreue, um den Vögeln eine Raumerkundung / Eingewöhnung zu ermöglichen und um eine Etablierung der Vegetation zu erreichen, ist jedoch im Regelfall eine Vorlaufzeit von mind. 2 Jahren zu veranschlagen. Dies hängt auch davon ab, wie schnell sich ein erhöhter Grundwasserstand einstellen kann.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche des Großen Brachvogels sind gut bekannt. Die Maßnahme wird in der Literatur für die Art oft empfohlen (z. B. Bauer et al. 2005: 466, NLWKN 2009). Konkrete Wirksamkeitsnachweise liegen jedoch nicht vor, jedoch für mehrere andere Wiesenvogellimikolen mit ähnlichen Habitatansprüchen (z. B. Handke 1995; Hielscher 1999, Junker et al. 2006, Müller 1989; Müller et al. 2009,: 333; Pegel 2002; Tesch 2006), wobei sich aber teilweise eine Überlagerung durch andere ungünstige Faktoren wie Prädation zeigte (vgl. Maßnahme: Prädatorenmanagement). Die Erfolgswahrscheinlichkeit und die Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme ist im Analogieschluss als hoch zu bezeichnen.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

2. Schutz von Gelegen vor Verlusten durch landwirtschaftliche Bearbeitungsgänge oder Viehtritt (Av 2.3)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Als flankierende Maßnahme zur Habitatentwicklung im Grünland (Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland) und zum Schutz vor landwirtschaftlicher Bearbeitung oder Viehtritt werden Nester mit Gelegen zunächst lokalisiert, dann durch Markierungen geschützt.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Vorkommen der Zielart mit lokalisiertem Gelege auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Beispiel Programm „Förderung von Maßnahmen zur Entwicklung von Natur und Landschaft sowie zur Qualifizierung für Naturschutzmaßnahmen“ in Niedersachsen (Melter et al. 2009):
  • Nestersuche: Auf Grünland und Acker werden die Nester von Wiesenlimikolen durch Gebietsbetreuer markiert und im Abstand von ca. 3 m mit Stöcken markiert.
  • Gelegeschutz: Umfahren und Aussparen der Nester bei den Bewirtschaftungsschritten. Auf Acker kleinräumiges Umsetzen von Gelegen. Diese Option ist nur bei Kiebitzen möglich, andere Arten nehmen die versetzten Nestern meist nicht wieder an. Bei hoher Gelegedichte kommen auch flächenhafte Maßnahmen (Aussetzen einzelner Bearbeitungsgänge, verzögerte Einsaat, verzögerte Mahd) in Betracht.
  • Gelegeschutz: Verzicht auf Schleppen und Walzen nach dem 15. März („Frühjahrsruhe“).
  • Kükenschutz: Vorsichtiges, langsames Mähen von innen nach außen und Begrenzung der Mähgeschwindigkeit auf max. 8 km / h bei einer Mähwerksbreite von max. 3 m.
  • Bei Beweidung ist eine Viehdichte von maximal 0,6 Rindern/ha einzuhalten. Nestkörbe und sehr kleinräumige Abzäunungen von Nestern können zur Aufgabe der Gelege führen (Tüllinghoff schriftl. Mitt.).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Dauerhafte Kontrolle auf Funktionstüchtigkeit der Einrichtung täglich bis wöchentlich zwischen Eiablage und Schlupf der Jungen.
  • Wiederholung jährlich zur Brutzeit.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Hoher Bearbeitungs- und Betreuungsaufwand.
  • Bei kleinräumiger Aussparung der Nestumgebung darf die umgebende Fläche aufgrund von mangelnder Deckung für die Jungvögel nicht negativ beeinflusst werden.
  • Nach Roßkamp (2005 S. 82) haben „langjährige Erfahrungen“ gezeigt, dass die Nestermarkierung keine Signalfunktion für Prädatoren hat. Der Einsatz von Wildkameras an Bodenbrütergelegen im Kreis Steinfurt hat zudem gezeigt, dass Beutegreifer die Flächen systematisch abgesucht und ganze Kolonien geplündert haben, und nicht den Spuren der Nestschützer gefolgt sind (Tüllinghoff schriftl. Mitt.).

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Maßnahme ist unmittelbar umsetzbar und sofort wirksam.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche der Arten sind gut bekannt.
  • Der Erfolg vom individuellen Gelegeschutz vor landwirtschaftlichen Tätigkeiten zahlreich belegt (z. B. Kipp 1999, Kipp & Kipp 2003: Brachvogel, Hönisch & Melter 2009: Kiebitz, Uferschnepfe, Brachvogel; Hötker et al. 2007 S. 5: Wiesenbrüter;). Die „Erfolge“ können jedoch durch hohe Prädationsraten überlagert werden (Boschert 2008, Kragten et al. 2008, Thien & Thienel 2008).
  • Von einer Wirksamkeit der Maßnahme ist daher auszugehen. Die Maßnahme soll aber nur temporär (nicht dauerhaft) und nur flankierend zur Habitatgestaltung im Grünland (Maßnahme 1) erfolgen.
  • Gelegeschutzkörbe sind nicht geeignet.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch (Gelegschutzkörbe sind nicht geeignet)

3. Prädatorenmanagement (Av 6.1; Av 6.2)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Zur grds. Eignung (Offenheit u. a.) siehe Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland.
  • Es bestehen auf der Fläche nachgewiesenermaßen hohe Dichten der Prädatoren. Es ist bekannt, welcher Prädator einen starken Einfluss auf welche Zielart hat.
  • Es bestehen keine nahen „Quellhabitate“ von Prädatoren außerhalb der Maßnahmenflächen (z. B. keine stark kleinparzellierte Struktur mit hohen Randeffekten: Macdonald & Bolton 2008, Puchta et al. 2009), ideal sind Standorte, bei denen die Zuwanderung von Randflächen reduziert ist (z. B. Inseln, Halbinseln). Bspw. konnte im Seebachtal (Schweiz) trotz Elektrozaun nur ein geringer Bruterfolg bei Kiebitzen festgestellt werden. Als Ursache wird eine hohe Prädationsrate vermutet (die Fläche lag nahe einem Waldbereich, Müller et al. 2009: 341). Köster et al. (2001: 128) vermuten die hohe Prädationsrate beim Kiebitz im NSG „Alte-Sorge-Schleife“ (Schleswig-Holstein) in hohen Randeffekten begründet: Das Feuchtgrünland des NSG wird von Intensivgrünland und feuchten Moorflächen umgeben. Bei sehr feuchten Bedingungen wurde das NSG möglicherweise von Erdmäusen vom Moor her besiedelt, in trockeneren Jahren von Feldmäusen aus dem Intensivgrünland. So stehen im NSG ständig Kleinnager als Nahrungsquelle für Prädatoren zur Verfügung, aber nur in einem so geringen Ausmaß, dass diese sich nicht ausschließlich von ihnen ernähren können. Auch Exo (2008) fand beim Rotschenkel im Jadebusen eine lokale Variation der Prädationsrate, die er auf die unterschiedliche Erreichbarkeit für Prädatoren zurückführt (Nähe von Deichen mit angrenzenden Baum- und Buschreihen).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Aktives Prädatorenmanagement ist Bejagung / Tötung der Prädatoren durch erfahrene Berufsjäger, z. B. durch Verwendung von Kunstbauten oder Jungfuchsbejagung beim Rotfuchs. Die Verwendung von Giften ist zwar wirksam, aber nicht nur aus rechtlichen Gründen problematisch (Langgemach & Bellebaum 2005: 281). Insgesamt ist es ungewiss, ob bei Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen in Deutschland der Jagddruck so hoch sein kann, dass er sich langfristig positiv auf den Reproduktionserfolg auswirken kann (Expertenkonferenz 2020).
  • Passives Prädatorenmanagement hält Bodenprädatoren mittels Elektrozäunen vom Nest oder den Nahrungshabitaten ab und vermindert dadurch die Prädation auf Gelege und Küken (Rickenbach et al. 2011, Smith et al. 2011). Nach Boschert (2008) ist es für den Maßnahmenerfolg wichtig, dass die Zäune aus mehreren quer verlaufenden und Strom führenden sowie senkrechten und nicht Strom führenden Litzen bestehen und eine Maschenweite von max. 15 x 15 cm aufweisen. Aber auch Zäune mit wenigen, horizontal verlaufenden und Strom führenden Litzen wurden am Niederrhein erfolgreich eingesetzt (z. B. Kuhnigk schriftl. Mitt.). Idealerweise wird ein möglichst großer Raum um das Nest eingezäunt, um den nestflüchtenden Jungtieren möglichst lange einen Schutz vor Prädatoren zu geben (Boschert 2008: 351 empfiehlt für den Brachvogel mind. 2 ha). Nestkörbe und sehr kleinräumige Abzäunungen von Nestern können zur Aufgabe der Gelege führen (Tüllinghoff schriftl. Mitt.).
  • Passives Prädatorenmanagement durch habitatsteuernde Maßnahmen:
  • Reduzierung von Gehölzen und höherwüchsigen Krautbeständen, die von Greifvögeln, Rabenvögeln, Säugetieren o. a. als Sitzwarten / Rückzugsräume genutzt werden können (Junker et al. 2006).
  • Rückbau von Strukturen, die dem Rotfuchs als Behausung bzw. Tagesversteck dienen könnten (z. B. leerstehende Gebäude, Junker et al. 2006).
  • Großflächige Wiedervernässung mit dem Ziel, das Angebot an Kleinnagern als Nahrungsgrundlage für den Rotfuchs zu verringern. Die Wirksamkeit winterlicher Überstaumaßnahmen konnte in einigen Fällen gezeigt werden. Allerdings können die Überstauungen auch lediglich zu einer Verschiebung des Prädatorenspektrums (Fuchs zu Iltis und Mink) führen und sich negativ auf die Nahrungsverfügbarkeit v. a. der Bodentiere auswirken (Hötker et al. 2007: 75, vgl. Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland). Weiterhin gibt es auch Beispiele, bei denen selbst in von Gräben umschlossenen, großen Grünlandgebieten mit hohem Wasserspiegel Rotfüchse hohe Gelege- und Kükenverluste bei Wiesenvögeln verursachten. Dies kann damit zusammenhängen, dass die Wiedervernässung nicht notwendigerweise zu einem Nahrungsengpass für den Rotfuchs führt, da nun andere Beutetierarten wie Bisam oder Enten auftreten können. Weiterhin stehen Wühlmäuse – wenn diese durch die Überstauung dezimiert werden – nicht mehr als Nahrungsquelle für Raubsäuger zur Verfügung, wodurch sich der Prädationsdruck auf Bodenbrüter ggf. noch erhöht.
  • Kempf (2005 zit. bei Junker et al. 2006) fand bei winterlichen Überstauungen von Grünland im Bremer Raum, dass der Erdmausbestand bei starken jährlichen Schwankungen abnahm und die geringe Kleinsäugerdichte für die Prädatoren bis zum Hochsommer kein attraktives Nahrungsangebot darstellte. Im August / September kamen die Erdmäuse dann aber wieder in mittleren bis hohen Dichten vor, so dass durch die Überschwemmungen im Untersuchungsgebiet die Prädatoren wahrscheinlich nicht dauerhaft verdrängt werden können.
  • Passives Prädatorenmanagement durch Vergrämung / Repellentien, chemische Fortpflanzungshemmung: Diese Methoden befinden sich noch im Erprobungsstadium, es liegen (noch) keine gesicherten Erkenntnisse dazu vor. Die Maßnahmen sind noch nicht praxisreif (Grimm 2005: 339, Junker et al. 2006, Langgemach & Bellebaum 2005: 283).
  • Sofern noch nicht vorhanden, Schaffung von Störungsarmut (Reduzierung von Freizeitnutzung; auch: starker Besatz mit Weidetieren): Die Wirkung der Prädation steht in Wechselwirkung mit den Eigenschaften des Lebensraumes. So konnte häufig beobachtet werden, dass Prädationsraten auf stark beweideten Parzellen höher waren als auf unbeweideten – vermutlich wegen mangelnder Deckung und vermehrten Störungen (Hötker et al. 2007: 73; Schekkermann et al. 2009 für die Uferschnepfe). Auch können Störungen durch Menschen zu einer erhöhten Prädationsrate führen, wenn durch die Störung der Zugang für die Prädatoren erleichtert wird (Müller et al. 2009: 331) oder die Altvögel durch häufiges Verlassen des Neststandortes seltener Gelegeverteidigungen vornehmen können (Stübing & Bauschmann 2011).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Elektrozaun: Dauerhafte Kontrolle auf Funktionstüchtigkeit der Einrichtung täglich bis wöchentlich zwischen Eiablage und Schlupf der Jungen (z. B. Freimähen, Prüfung der Batterien).
  • Habitatsteuernde Maßnahmen: Aufrechterhaltung der Offenheit.
  • Der Abschuss muss jährlich wiederholt (und mit großer Intensität) durchgeführt werden.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Aktives Prädatorenmanagment kann zu Störungen von Ziel- und Nichtzielarten führen.
  • Aktives und passives Prädationsmanagement sind sehr personalaufwändig.
  • Bolton et al. (2007) entwickelten ein Schema (für Kiebitz in Bezug auf Rabenkrähe und Rotfuchs), das als grundsätzliche Orientierung für ein aktives Prädatorenmanagement herangezogen werden kann. Rabenkrähen spielen nach den Untersuchungen der Biologischen Station Steinfurt als Prädatoren von Gelegen oder Jungvögeln des Großen Brachvogels keine Rolle (Tüllinghoff schriftl. Mitt.). Zum anderen erscheint eine umfassende Planung und Begründung aber weiterhin geboten, um auch „weichen“ Faktoren wie (tier-) ethischen Gesichtspunkten bei der Regulierung hochentwickelter Wirbeltiere begegnen zu können (z. B. Langgemach & Bellebaum 2005: 280, Littin et al. 2004). V. a. im englischsprachigen Raum gibt es zur Behandlung dieser Thematik Ansätze (z. B. Broom & Bradshaw 2000, Cowan 2011, Fox et al. 2003, Fraser 2010, Littin 2010, Mathews 2010, Paquet & Darimont 2010), weiterhin auch bei Gorke (2010), Piechoki et al. (2004: 532) und Piechoki (2010: 183 ff.).

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Maßnahmen sind unmittelbar bzw. innerhalb der nächsten Brutsaison wirksam.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Positive Wirkungen vom Prädatorenmanagement auf Bodenbrüter sind mehrfach belegt (z. B. Fletcher 2010, Müller 1997), andererseits muss Prädation nicht immer ein entscheidender Faktor sein (Hönisch & Melter 2009), eine Prädatorenkontrolle muss auch nicht immer zu einem Bestandsanstieg der Zielarten führen (Bolton et al. 2007).
  • Passive Maßnahmen:
  • SMITH et al. (2011) kommen nach einer Literaturauswertung zu dem Ergebnis, dass Gelegeschutz durch Körbe oder Zäune in der Regel eine geeignete Maßnahme ist (Tüllinghoff schriftl. Mitt. weist darauf hin, dass Nestkörbe und sehr kleinräumige Abzäunungen von Nestern zur Aufgabe der Gelege führen können). Grundsätzlich wird der Einsatz von Elektrozäunen als positiv bewertet. Elektrozäune wirken jedoch nicht gegen flugfähige Prädatoren wie Rabenvögel, Greifvögel oder Möwen, die als Prädatoren jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Elektrozäune können im Einzelfall auch vom Fuchs o. a. überwunden werden (Boschert 2008: 349, Schifferli et al. 2009: 323) und bieten ferner wahrscheinlich auch keinen Schutz gegen Kleinsäuger (abhängig von der Maschenweite), die ggf. auch als Prädatoren auftreten können. Isakson et al. (2007) weisen darauf hin, dass durch Auszäunung geschützte Nester von Kiebitz und Rotschenkel zwar höheren Bruterfolg hatten, sie weisen jedoch auf erhöhte Prädationsraten brütender Altvögel beim Rotschenkel hin, die oft lange sitzen blieben, wenn ein Prädator sich näherte. Die Autoren empfehlen Auszäunungen für Arten, die das Nest bereits verlassen, wenn der sich nähernde Prädator noch weiter entfernt ist. Nach HGON (2009) erreichten durch die Elektrozäune und die Flutmulden 3 von 4 Brachvogelgelegen Bruterfolg, während in den Vorjahren kein Junges flügge geworden war. Nach Boschert (2008, 2010) konnten durch Elektrozäune beim Brachvogel hohe Schlupferfolge und – teilweise – auch hohe Bruterfolge erzielt werden, wobei jedoch auch andere Faktoren (v. a. Witterung) eine Rolle spielten. Im Kreis Steinfurt führten Jahre mit guten Bruterfolgen zu einem Populationsanstieg in den Folgejahren (Tüllinghoff schriftl. Mitt.). Positive Effekte von Auszäunungen gegenüber Bodenprädatoren belegen auch Rickenbach et al. (2011, Kiebitz), Kube et al. (2005: 304) und Langgemach & Bellebaum (2005: 279 Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel).
  • Die Entfernung von Gehölzen zur Reduktion des Prädatoreneinflusses durch Vögel (z. B. Rabenkrähe, Mäusebussard) / das Reduzieren von für den Rotfuchs potenziellen Versteck- oder Wurfbauflächen wird als geeignete (Teil-) Maßnahme eingestuft. Ob diese Maßnahme für sich allein ausreicht, ist im Einzelfall festzulegen und ggf. mit einem Monitoring zu begleiten.
  • Zur Wirkung von Wasserstandsanhebungen zum Ausschluss von Bodenprädatoren liegen noch widersprüchliche Aussagen vor. Vermutlich ist ein wesentlicher Faktor die Größe der überstauten Fläche, so dass für randlich vorkommende Prädatoren ein „Puffer“ entsprechend deren Aktionsraumgröße eingeplant werden muss. Die Maßnahme wird als grundsätzlich geeignet eingestuft, soll jedoch mit einem Monitoring verbunden werden.
  • Aktive Maßnahmen:
  • Tötungen von Prädatoren führten in vielen Fällen zu höheren Reproduktionsleistungen bei den Wiesenvögeln, aber nicht immer zu positiven Bestandsveränderungen. Einen Bestandsanstieg der Zielarten durch Prädatorenkontrolle führen z. B. Fletcher et al. (2010) und Müller (1997) an, während z. B. bei Puchta et al. (2009) keine Reduktion der Prädationsrate trotz intensiver Bejagung erreicht werden konnte und Bolton et al. (2007) keinen Einfluss auf die Bestandsentwicklung der Zielarten fand. Nach Hartmann (2002, zit. bei Langgemach & Bellbaum 2005) konnten Treibjagden, Falleneinsatz, Aufgraben von Wurfbauen, Einsatz von Kunstbauten, chemische Duftkonzentrate u. a. teilweise nicht einmal auf kleinen Inseln wie der Greifswalder Oie (54 ha, 12 km vor der Küste) eine Freiheit von Bodenprädatoren gewährleisten. Möglicherweise war die Bejagung immer noch nicht intensiv genug. Aufgrund der starken regionalen Unterschiede im Umfang der Prädation von Wiesenvogelküken und -gelegen sowie den beteiligten Prädatoren ist die Entscheidung, ob ein Prädatorenmanagment sinnvoll ist oder nicht und wie dieses durchzuführen ist, eine Einzelfallentscheidung, die eine umfassende Planung voraussetzt.
  • Nach LANUV (2011b,: 111) kann eine Prädatorenbejagung in Einzelfällen zur Sicherung des Bruterfolges erforderlich sein, zunächst sollte aber ein Nachweis von Schäden erfolgen. Nach LANUV (ebd.: 243) liegen die Hauptgefährdungsursachen von Bodenbrütern zumeist in Lebensraumverschlechterungen, daher sei ein eventuelles Prädatorenmanagement bestenfalls als lokale Zusatzmaßnahme und mit geringerer Priorität durchzuführen.
  • Die Wirksamkeit einer Prädatorenbekämpfung ist vor allem an solchen Orten zu erwarten, an denen die freigewordenen Reviere nicht unmittelbar durch benachbarte Individuen aufgefüllt werden können, also etwa auf Inseln oder Halbinseln (Hötker et al. 2007: 74). Aktives Prädatorenmanagement ist (auch wegen teilweise widersprüchlicher Befunde) keine eigenständige vorgezogene Ausgleichsmaßnahme, sie kann bei örtlicher Notwendigkeit jedoch andere vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen ergänzen. Bolton et al. (2007) entwickelten ein Schema (für Kiebitz in Bezug auf Rabenkrähe und Rotfuchs), das als grundsätzliche Orientierung für ein aktives Prädatorenmanagement herangezogen werden kann. Die Maßnahme ist mit einem Monitoring zu verbinden.
  • Nach Bewertung im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen 8.11.2011) besteht für Maßnahmen zum aktiven Prädatorenmanagement grundsätzlich eine geringe, für Maßnahmen zum passiven Prädatorenmanagement grundsätzlich eine mittlere Eignung als ergänzende, vorgezogene Ausgleichsmaßnahme. Diese Auffassung wurde bei der Expertenkonferenz 2020 wiederholt.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Ja
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: mittel (passive Maßnahmen, Av 6.2) bis gering (aktive Maßnahmen Av 6.1); beide nur als flankierende Maßnahmen.

4. Fazit

Für den Großen Brachvogel liegen zahlreiche Untersuchungen zur Durchführung von Maßnahmen vor. Danach lassen sich grundsätzlich vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen durchführen.Bei der Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland sind feuchte bzw. nasse Stellen einzuplanen bzw. zu fördern.Der Schutz von Gelegen vor Verlusten durch landwirtschaftliche Bearbeitungsgänge oder Viehtritt stellt ebenso wie ein passives Prädationsmanagement eine zusätzliche Maßnahme dar.

Angaben zu Priorisierung: