Großer Brachvogel  (Numenius arquata (L.))

EU-Code: A160

Artspezifisch geeignete Kartiermethoden (Methodensteckbriefe)

1. Bestandserfassung (Ersterhebung)

1.1. Bestandserfassung Brutvögel

1.1.1. Kartiermethode: Revierkartierung

Erfassung aller Altvögel mit folgenden Verhaltensweisen: Ruhen, Nahrungssuche, Reviermarkierungsflüge, Drohverhalten bzw. Revierstreitigkeiten, erhöht (z.B. auf Zaunpfosten) sitzend, sichern, warnen, brüten, Kopulation, Paarzusammenhalt, Familienverband, Verfolgung von potenziellen Beutegreifern (Greife, Krähenvögel). Warnende Altvögel umfliegen die Störquelle. Bei Vorkommen in der konventionell genutzten Agrarlandschaft (außerhalb von dicht besiedelten Grünlandgebieten) ist der Einsatz von Klangattrappen oder ein die Rufe imitierendes Pfeifen sinnvoll (Busche 2011: 2) erforderlich. Ohne den Einsatz einer Klangattrappe wird der Bestand an solchen Stellen häufig unterschätzt (Stichwort: sehr großer Reviere).

1.1.2. Termine:
  • 1. Ende März bis Anfang April (Zählung territorialer Paare, Reviermarkierungsflüge).
  • 2. Mitte April (Zählung territorialer Paare, Reviermarkierungsflüge, brütender Altvogel).
  • 3. Ende April bis Anfang Mai (Zählung territorialer Paare, Reviermarkierungsflüge, brütende, warnende und sichernde Altvögel, Familienverbände).
1.1.3. Günstige Tageszeit:
  • Zum Zeitpunkt der Brutablösung (in den frühen Morgenstunden und am frühen Abend) lassen sich die vom Nest abfliegenden und rufenden Vögel gut nachweisen.
  • Reviermarkierungsflüge: von der Morgendämmerung bis 1 Stunde nach Sonnenaufgang.
  • Warnende Individuen, Familienverbände: vormittags bis später Nachmittag.
1.1.4. Auswertung der Bestandserfassung:

Wertungsgrenzen: Mitte März bis Mitte Juni.

  • Brutverdacht:
    • Einmalige Feststellung intensiv warnender Altvögel.
    • Einmalige Feststellung eines kopulierenden Paares.
    • Zweimalige Beobachtung eines Paares im Abstand von mindestens 7 Tagen, davon eine Ende März bis Anfang Mai.
    • Einmalige Beobachtung eines Paares und weitere Feststellung eines Altvogels im Abstand von mindestens 7 Tagen, davon eine Ende März bis Anfang Mai.
    • Zweimalige Beobachtung von Reviermarkierungsflügen im Abstand von mindestens 7 Tagen, davon eine Ende März bis Anfang Mai.
    • Zweimalige Beobachtung von Altvögeln, die potenzielle Beutegreifer verfolgen.
  • Brutnachweis: insbesondere
    • Brütende Altvögel.
    • Junge führende Altvögel.
    • Verleitende Altvögel.
1.1.5. Hinweise:
  • Der wichtigste Termin zur Erfassung liegt zu Beginn der Brutzeit (letzte März- und erste Aprildekade). Spätere Kontrollen sind weniger effektiv, weil der brütende Vogel gar nicht entdeckt und selbst der wachende Partner oft übersehen wird. Während dieser Kontrolle können bis zu 90 % des Bestands erfasst werden.
  • Ab Mitte Mai verlassen erfolglos brütende Weibchen häufig ihre Reviere und erscheinen in Gebieten in denen sie nicht brüten.
  • Reviermarkierungsflüge sind häufig sehr weiträumig und deshalb nur eingeschränkt zur Lokalisierung des Reviers verwendbar.
  • Brütende Altvögel sind nur schwer zu entdecken.
  • Bei Junge führenden Paaren ist zu berücksichtigen, dass die Familienverbände sehr mobil sind und andere Gebiete aufsuchen können. Ältere Jungvögel werden oft nur vom Männchen bis zum Flügge werden geführt, das Weibchen verlässt dann schon das Brutgebiet.

1.2. Bestandserfassung Rastvögel (Rastplätze)

Der Große Brachvogel nächtigt zumeist in Gruppen in flachen Uferbereichen, auf überstautem oder trockenem Grünland oder auf überstauten brachliegenden Ackerflächen und Mooren, während sie tagsüber auf Nahrungssuche gehen.

1.2.1. Kartiermethode:

Schlafplatzzählung:

  • Zur Identifikation von Schlafplätzen werden in der Abenddämmerung und nachts entsprechende Habitate abgefahren und auf Ansammlungen/einfliegende Tiere bzw. artspezifische Rufe kontrolliert. Die Bestände werden dann am nächsten Tag erfasst.
  • Eine andere Methode besteht darin Nahrung suchende Trupps vor Sonnenuntergang aufzusuchen und diesen bis zum Schlafplatz zu folgen (setzt eine gute Infrastruktur voraus).
  • Die Zählung findet um Sonnenuntergang statt, wobei alle einfliegenden und bereits rastenden Individuen gezählt werden. Gezählt wird in 10er-, 50er- oder 100er-Einheiten.

Zählungen in den Äsungsgebieten:

  • Hierzu werden die Nahrungsgebiete vorzugsweise mit dem Auto abgefahren (geringere Störwirkung) und die Limikolentrupps mittels Fernglas oder Spektiv ausgezählt (Hornman et al. 2012). Trupps bis 100 Individuen können einzeln ausgezählt werden, Trupps bis 1.000 in Zehnerblöcken und größere Trupps in Hunderterblöcken.
  • Mitunter kommt es oft zu einer Vermischung mit anderen Arten. Wenn eine Art im Trupp stark dominiert, zählt man zunächst diese (dabei bekommt man schon einen Überblick über weitere vorhandene Arten) und anschließend gezielt die selteneren Arten. Wenn zwei oder mehr Arten häufig sind (z.B. 1.200 Individuen von Art A, 600 Individuen von Art B) dann kann man beide Arten mit einer Mehrfachzähluhr in einem Durchgang auszählen oder nacheinander. Trupps über 1.000 Individuen sind zwei Mal zu zählen. Weichen die Werte um mehr als 10 % voneinander ab, ist eine dritte Zählung durchzuführen. Der Mittelwert der beiden ähnlichsten Zählwerte liefert das Ergebnis.
1.2.3. Termine:

Die Rastbestände unterliegen einer starken Dynamik durch Vogelzug, Witterung und ggf. Störungen, wodurch sie sich sehr schnell ändern können. Deshalb ist eine mehrmalige Erfassung der Rastbestände notwendig, wobei der Aufwand dem jeweiligen Vorhaben angepasst wird.

  • Anfang September bis Ende März (gemeinsame Schlafplätze erfolglos brütender Vögel bestehen im Mai und Juni.).
  • Kartierintensität: je eine Zählung pro Dekade (entspricht 3 Monatszählungen).
1.2.4. Günstige Tageszeit:
  • Zählung auf Äsungsflächen: von 1 Stunde nach Sonnenaufgang bis 2 Stunden vor Sonnenuntergang.
  • Schlafplatzzählung bei Sonnenuntergang: 2 Stunden vor bis 1,5 Stunden nach Sonnenuntergang.
1.2.5. Auswertung der Bestandserfassung:
  • Angabe der Tageszählungen (Bestandsgrafik).
  • Maximalwertbetrachtung.
  • Berechnung von Vogeltagen (vereinfacht: Mittelwert der pro Zählung erfassten Individuenanzahl multipliziert mit der Anzahl der Rasttage).
  • Zeitraum der Anwesenheit im Rastgebiet.
1.2.6. Hinweise:
  • Die Verwendung von Zähluhren ist sinnvoll.
  • Die artspezifischen Rufe müssen bekannt sein.

1.3. Bestandserfassung Zugvögel (Zugbewegungen, Pendelflüge)

Großräumige Zugbewegungen finden beim Großen Brachvogel vorwiegend nachts und in für die meisten Planvorhaben zumindest im Tiefland unkritischen Höhen statt. So erfolgten auf Fehmarn 84 % des allgemeinen Vogelzuges im Frühjahr und 89 % im Herbst oberhalb von 200 m (BioConsult SH u. ARSU 2010), wobei sich solche Zugbewegungen nur mittels Radarmessungen verfolgen lassen (z.B. Hill u. Hüppop 2006). In welchen Höhen die nordrhein-westfälischen Mittelgebirge überflogen werden ist unbekannt. Planungsrelevant können dagegen tagsüber durchgeführte Pendelflüge zwischen Rast- und Nahrungsgewässern/-flächen sein, wenn diese Flugkorridore durch Bauvorhaben beeinträchtigt werden. Darüber hinaus ist der An-/Abflugbereich von Rastgewässern/-flächen auch in Bezug auf ankommende/abziehende Zugvögel relevant.

1.3.1. Kartiermethode:

Direktbeobachtung und Protokollierung von Flugbewegungen (An-, Ab-, Überflug). Eine Korrelation von Bestandsdaten aus Schlafplatzzählungen und Erfassungen auf den Äsungsflächen gibt Hinweise auf mögliche Pendelflugrouten.

1.3.2. Termine:
  • Anfang September bis Ende März.
  • Kartierintensität: je eine Zählung pro Dekade (entspricht 3 Monatszählungen).
1.3.3. Günstige Tageszeit:
  • Pendelflüge zwischen Gewässern und Äsungsgebieten erfolgen insbesondere um Sonnenauf- und -untergang. Diese Zeiten sind auch günstig für die Erfassung ankommender/abziehender Zugvögel.
1.3.4. Auswertung der Bestandserfassung:
  • Darstellung der Flugrouten in Karten.
1.3.5. Hinweise:
  • Die artspezifischen Rufe müssen bekannt sein.

Literatur

  • Busche, G. (2011): Brutbestandstrends vom Großen Brachvogel (Numenius arquata) und anderen Wiesenlimikolen: starke Rückgänge auf Grünland im Westen Schleswig-Holsteins von 1968 bis 2005. Vogelwarte 49: 1-8.
  • Hornman M., Hustings F., Koffijberg K. u. Klaassen O. (2012). Handleiding Sovon Watervogel- en slaapplaatstellingen. Sovon Vogelonderzoek Nederland, Nijmegen.
  • www.sovon.nl: Vogelinfo – Soorten – [Artname] – Telrichtlijnen (Abruf am 25.04.2013).
  • BioConsult SH GmbH u. Co.KG u. ARSU GmbH (2010): Zum Einfluss von Windenergieanlagen auf den Vogelzug auf der Insel Fehmarn. Gutachterliche Stellungnahme auf Basis der Literatur und eigener Untersuchungen im Frühjahr und Herbst 2009. Im Auftrag der Fehmarn Netz GmbH u. Co. OHG. http://www.bioconsult-sh.de/pdf/Gutachten_Fehmarn_20100310.pdf.
  • Hill, R. u. Hüppop, O (2006):Techniken zur Erfassung des „unsichtbaren Vogelzuges“ über See. Jber. Insitut für Vogelforschung 7: 21-22.