Rotmilan (Milvus milvus (L.))
EU-Code: A074
Artspezifisch geeignete Kartiermethoden (Methodensteckbriefe)
1. Bestandserfassung (Ersterhebung)
1.1. Bestandserfassung Brutvögel
Neben der Horstsuche in geeignet erscheinenden Gehölzen/Waldbereichen im Winterhalbjahr steht die optische und akustische Erfassung der Balzflüge (Balzrufe), von territorialem Verhalten in Nestnähe (exponiertes Sitzen im Nestbereich, Schweben von Paaren oder Einzelvögeln über dem Nestbereich), Anflügen potenzieller Neststandorte (Flüge aus dem Jagd- in den Nestbereich), Eintrag von Nistmaterial bzw. Nahrung im Vordergrund.
- 1. Mitte bis Ende März (Balzflüge, Nestbau, Territorialverhalten; Suche vorjähriger Horste).
- 2. Anfang bis Mitte April (Balzflüge, Territorialverhalten).
- Alternativ Anfang bis Mitte Mai Kontrolle Nestbesetzung (Registrierung von Brutverhalten).
- 3. Anfang Juni bis Anfang Juli (Beute eintragende Altvögel, flügge Jungvögel in Nestnähe bzw. im Brutrevier).
- 2-3 Stunden nach Sonnenaufgang bis 1,5 Stunden vor Sonnenuntergang.
- Beobachter sollte vor 8:30 Uhr (MEZ) mit der Erfassung beginnen (Kayser 2011: 144).
Wertungsgrenzen: Mitte März bis Mitte Juli.
- Brutverdacht:
- Einmalige Beobachtung eines balzenden Paares oder eines Individuums mit Territorialverhalten im potenziellen Brutgebiet sowie eine weitere Beobachtung im Abstand von mindestens 7 Tagen, davon eine Anfang April bis Mitte Juli.
- Nestbau.
- Warnrufe.
- Anfliegen eines potentiellen Brutgehölzes.
- Brutnachweis: insbesondere
- Beute eintragender Altvogel.
- Bettelfliegende Jungvögel, wenn zuvor bereits Altvögel beobachtet wurden.
- In Gebieten mit hohem Waldanteil (>20 %) ist eine Erfassung von Beobachtungspunkten mit günstiger Geländeübersicht sinnvoll (Verweildauer 20-30 min), wobei die Entfernung der Beobachtungspunkte zueinander je nach Geländeverhältnissen bei etwa 2 km liegen sollte (bei geringem Waldanteil sollte die Übersichtlichkeit gegeben sein, ansonsten ist hier ähnlich zu verfahren). So bekommt man bei guter Witterung einen ersten Überblick über die Anwesenheit von Rotmilanen.
- Konzentration auf den März ist wichtig, da bereits im März einzelne Partner oder Paare vom Revier verschwinden können. Da sich Rotmilane bei Brutverlust kaum noch territorial verhalten, kann ein Revier später nicht mehr nachgewiesen werden (Kayser 2011: 143).
- Nach Untersuchungen an telemetrierten Rotmilanen ist bei geeigneter Witterung etwa eine längere Flugbewegung pro Stunde (Abflug vom Horst, Nahrungssuche, Rückflug) zu erwarten (AG fachliche Standards der VSW Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland 2013). Dies ist zu berücksichtigen, wenn außer dem Revier noch die genaueren Brutstandorte (Horstbäume) erfasst werden sollen.
- An manchen Tagen gelingen nur Einzelbeobachtungen, die eine Zuordnung zu einem Revier nicht möglich machen (AG Greifvögel NRW unveröff.).
- Rotmilane zeigen ein ausgeprägtes Territorialverhalten im Nestbereich (ca. 50-100 m Umkreis), wobei neben Artgenossen auch andere Arten (z.B. Mäusebussard, Kolkrabe) attackiert werden.
- Nester sind manchmal klein und häufig mit Plastik- und Stoffresten versehen (im Gegensatz zu Mäusebussard und Habicht nicht begrünt). Es gibt 3-5 Ausweichnester, die als Brutplatz genutzt werden können (Umsiedlung). Der Schwanz des brütenden Vogels ragt über den Rand kleiner Nester (nicht immer sichtbar).
- In zunehmendem Maße werden Horste auch auf Nadelbäumen errichtet.
- Je nach Fragestellung kann eine Horstbaumkartierung erforderlich sein (siehe Anhang 6). In großen Gebieten ist eine zeitaufwändige Horstbaumsuche mitunter schwierig, weshalb man sich alternativ im März auf die Feststellung von Revieren konzentrieren kann. Dabei sind Eintragungen des (vermuteten) Bruthabitats allein aufgrund des beobachteten Territorialverhaltens meist auf ~ 50 m und weniger genau, wie spätere Feststellungen des Horststandortes ergaben (Kayser 2011: S. 144).
- Bei Nahrungsmangel setzen Vögel mit der Brut aus, so dass nur Reviere erfasst werden können.
- Schlafplatzgemeinschaften deuten auf die Anwesenheit von Nichtbrütern bzw. erfolglosen Vögeln (evtl. auch aus anderen Gebieten) hin.
1.2. Bestandserfassung Rastvögel (Rastplätze)
Der Rotmilan weist in NRW regelmäßig genutzte Ruhestätten auf:
- Nachbrutzeitliche nächtliche Sammelplätze und während des Abzuges genutzte Schlafplätze.
Die Schlafplätze befinden sich meist in der Nähe der Jagdgebiete. Wenn die Schlafplätze nicht genau bekannt sind, beobachtet man die Vögel am Nachmittag bis sie zielgerichtet zu ihren Schlafplätzen abfliegen. Dabei verfolgt man sie mit Spektiv und dirigiert ggf. einen Fahrer über Funk zum Schlafplatz, wo man die Anzahl der Vögel erfasst. Der Rotmilan nächtigt in Bäumen. Da beim Abzug der Milane die Bäume noch voll belaubt sind, ist es sehr schwierig die Vögel im Baum ausfindig zu machen. Hilfsweise notiert man sich die aus einzelnen Baumgruppen insbesondere bei Störungen auffliegenden Individuen, um so einen Mindestbestand zu ermitteln. Bessere Ergebnisse erzielt man morgens, wenn die Vögel vom Schlafplatz abfliegen.
Die Rastbestände unterliegen einer starken Dynamik durch Vogelzug, Witterung und ggf. Störungen, wodurch sie sich sehr schnell ändern können. Deshalb ist eine mehrmalige Erfassung der Rastbestände notwendig. Der Heimzug in die Brutgebiete verläuft in der Regel so schnell, dass keine regelmäßig genutzten Ruhestätten bekannt sind.
- Von Anfang August bis Ende Oktober 6 Halbmonatszählungen.
- Ab 3 Stunden vor Sonnenuntergang bis zur Dunkelheit (Identifizierung des Schlafplatzes).
- Ab 1 Stunde vor Sonnenaufgang bis 1 Stunde danach (Zählung abfliegender Individuen).
- Angabe der Tageszählungen (Bestandsgrafik).
- Maximalwertbetrachtung.
- Kartografische Darstellung der Ruhestätte (von den Milanen werden regelmäßig unterschiedliche Baumgruppen und Gehölze genutzt, die mehrere 100 m bis wenige km auseinanderliegen).
- Es gibt in NRW nur wenige Ruhestätten für den Rotmilan. Deshalb sind vorab Recherchen bei Biologischen Stationen und der AG Greifvögel der NWO sinnvoll.
1.3. Bestandserfassung Zugvögel
Nicht relevant.
Literatur
- AG fachliche Standards der VSW Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland (2013): „Aktionsraumanalyse Rotmilan“ ‑ Untersuchungsrahmen für Windenergie-Planungen in Rheinland-Pfalz, Teil 1: Erfassungsmethode. http://www.vhoe.de/fileadmin/PDF/Stellungnahmen/Aktionsraumanalyse_Rotmilan_Teil_1_AG_fS_VSW_2013.pdf (Abruf 20.1.2014).
- Brune, J., E. Guthmann, M. Jöbges u. A. Müller (2002): Zur Verbreitung und Bestandssituation des Rotmilans (Milvus milvus) in Nordrhein-Westfalen. Charadrius 38: 122-138. (Kritik an der „Norgall-Methode“).
- DDA (2011): Bundesweite Rotmilan-Erfassung 2011 / 2012. Leitfaden für die Geländerarbeit. www.dda.de (Abruf 2.1.2012).
- Gelpke, C.; Hormann, M. (2012): Artenhilfskonzept Rotmilan (Milvus milvus) in Hessen. Gutachten im Auftrag der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Echzell. (118 ff. umfangreiche Kartieranleitung).
- Kayser, R. (2011): Erfahrungen und Empfehlungen für die Kartierung von Lebensräumen des Rotmilans Milvus milvus. Ornithol. Anzeiger 50: 142-147.
- Joest, R., J. Brune, D. Glimm, H. Illner, A. Kämpfer-Lauenstein u. M. Lindner (2012): Herbstliche Schlafplatzansammlung von Rot- und Schwarzmilanen am Haarstrang und auf der Paderborner Hochfläche in den Jahren 2009 bis 2012. ABU-Info 33-35: 40-46.