Mauereidechse  (Podarcis muralis (Laur.,1768))

(Syn.: Seps muralis)

EU-Code: 1256

Artenschutzmaßnahmen

  1. Anlage von vegetationsarmen Flächen (O4.4) / Anlage lückiger Gesteinsböschungen (O4.4.3) in Verbindung mit der Anlage bzw. Offenhaltung grabbarer, sandiger Rohbodenflächen (O4.4.1)
  2. Anlage von Steinriegeln / Trockenmauern (O4.4.4)
  3. Freistellung von Felshabitaten / Entbuschung (O5.4.1)
  4. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Anlage von vegetationsarmen Flächen (O4.4) / Anlage lückiger Gesteinsböschungen (O4.4.3) in Verbindung mit der Anlage bzw. Offenhaltung grabbarer, sandiger Rohbodenflächen (O4.4.1)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Schaffung bzw. Förderung von vegetationsfreien bzw. vegetationsarmen, offenen Standorten durch Anlage von Rohbodenflächen und Schotterfluren in Verbindung mit groben Steinschüttungen zur Verbesserung der Habitatstruktur (Schaffung von Nahrungsquellen, Tages-, Winterverstecken und Sonnenplätzen). Ein zusätzliches Ausbringen von Sandflächen in direkter Nähe zu den Gesteinsaufschüttungen stellt potenzielle Eiablageplätze bereit.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung zu potenziellen Stör– und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (vgl. Einführung zum Leitfaden). Kleinere Abstände sind bei Vorkommen im Siedlungsbereich möglich.
  • Entfernung zur nächsten Population lt; 500 m (maximale Mobilität der Art laut BENDER (1997, zitiert in AMLER et al. 1999))
  • Nach Möglichkeit nährstoffarme und trockene Bodenverhältnisse.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung mindestens im Verhältnis 1:1 ausgleichen (Größe und Qualität).
  • Die Grundfläche von Steinschüttungen sollte mindesten 15 – 30 m² betragen (DGHT 2011).
  • Das Material der Steinschüttungen sollte eine Körnung von 100 mm (60%) und 100 – 200 mm (40%) besitzen, um genügend erreichbare Zwischenräume auszubilden (SPANG et al. 2009).
  • Es ist autochthones Gesteinsmaterial zu verwenden.
  • Bei der Anlage von mehreren Steinschüttungen sollte der Abstand zwischen diesen nicht mehr als 30 m betragen (DGHT 2011).
  • Gesteinsschüttungen sollen Südost bis Südwest exponiert sein, da die Ausrichtung nach HABERBOSCH & MAY-STÜRMER (1987, zitiert in GÜNTHER et al. 1996) der wichtigste Faktor für die Besiedlungsdichte ist.
  • Die nordexponierte Seite kann stellenweise mit anstehendem Bodenmaterial bedeckt werden, so dass der sonnenabgewandte Bereich teilweise mit Vegetation oder Totholzhaufen (ROMMEL 2009) bedeckt ist. Hierdurch erfolgt eine Steigerung des Strukturreichtums und Verbesserung der Versteckmöglichkeiten sowie des Nahrungsangebotes. Zudem werden Schattenplätze angeboten (vgl.DGHT 2011).
  • Vor der Anlage sollte die Fläche auf 50 – 100 cm Tiefe ausgekoffert werden um eine ausreichende Frostsicherheit im Untergrund zu gewährleisten (Winterquartier). Zudem verhindert die Entfernung des nährstoffreichen Mutterbodens das schnelle Überwachsen der Steinschüttung.
  • Ausbringung eines nährstoffarmen Substrats (Flusssand) in unmittelbarer Umgebung von Steinschüttungen. DGHT (2011) empfiehlt eine bandförmige Ausbringung des Substrates (50 – 70 cm tief und 5 – 10 m breit) um die Gesteinsschüttung oder Sandlinsen (Mindestgröße von 1 – 2 m² und 70 cm Tiefe, sodass möglichst große Übergänge zwischen Sandinsel und Ruderalvegetation bestehen.
  • Zur Verhinderung der Ausbreitung von Neophyten (Kanadische Goldrute u.ä.) kann eine Einsaat von autochthonem Saatgut (Arten von Trockenrasen) vorgenommen werden und eine lückige arten- und blütenreiche Krautvegetation entwickelt werden (DGHT 2011).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Pflegerische Maßnahmen zur Sicherstellung des Offenlandcharakters (Einmalige Mahd vor der Winterruhe, Entfernung von Gehölzen).

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Verzicht auf bodenverbessernde Maßnahmen (Düngung, Einsaat von Rasenmischungen etc.).
  • Eingriffe im Zeitraum mit den geringsten Auswirkungen, d.h. nach der Winterruhe und vor der Paarungszeit (je nach Witterung im März / April), dann wieder nach der Paarungszeit bis zum Zeitpunkt vor der Winterruhe (je nach Witterung ab Mitte August bis Mitte Oktober (DGHT 2011)).
  • Mit der Ausbringung von Totholz können zusätzliche Versteckmöglichkeiten angeboten werden (SPANG et al. 2009).

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Strukturen sind kurzfristig entwickelbar (lt; 1 Jahr) und kurzfristig wirksam (1 – 2 Jahre).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Es liegen umfangreiche Erkenntnisse zu den artspezifischen Habitatansprüchen vor.
  • Die benötigten Strukturen sind kurzfristig wirksam.
  • Positive Wirksamkeitsbelege sind vorhanden (PRICK & KRUYNTJENS 1992b, zitiert in DALBECK & HAESE 2011; DGHT (2011) nennt eine entsprechende Maßnahme im Bereich des Bahnhofs Kornwestheim). Zudem wird der Maßnahmentyp in der Literatur häufig vorgeschlagen (DOWIDEIT 2006, zitiert in DALBECK & HAESE 2011).

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

2. Anlage von Steinriegeln / Trockenmauern (O4.4.4)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Anlage von südexponierten Trockenmauern bzw. Steinriegeln, welche der Mauereidechse Lebensraum bzw. Versteck- und Überwinterungsmöglichkeiten bieten.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung zu potenziellen Stör– und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (vgl. Einführung zum Leitfaden). Kleinere Abstände sind bei Vorkommen im Siedlungsbereich möglich.
  • Entfernung zur nächsten Population sollte 500 m nicht überschreiten (maximale Mobilität der Art laut BENDER (1997, zitiert in AMLER et al. 1999)).
  • Angrenzend zur errichteten Trockenmauer sollte ein Saumhabitat bzw. eine Sukzessionsfläche vorhanden sein oder angeboten werden.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung mindestens im Verhältnis 1:1 ausgleichen (Größe und Qualität).
  • Verwendung von Steinen mit großer Tiefe, damit die Fugen langfristig substratlos und vegetationslos bleiben.
  • Schaffung von Gesimsen und Vorsprüngen als ideale Sonnenplätze.
  • Größe der Mauerfläche 10 – 15 m² pro Individuum (FRITZ 1987).
  • Die Anzahl an Spalten und großen Rissen sollte 4/m² nicht unterschreiten (FRITZ 1987).
  • Erhaltung oder Anlage von lockerem Erdreich (Sand, grabbares Eiablagesubstrat) in der Nähe der Trockenmauer (FRITZ 1987): sonnenexponiert, 70 cm Tiefe und 1 – 2 m² Größe, > 10m² pro 100 m Trockenmauer (vgl. Maßnahme Anlage bzw. Offenhaltung grabbarer, sandiger Rohbodenflächen / Anlage lückiger Gesteinsböschungen.)
  • Auf eine Bepflanzung soll verzichtet werden, jedoch ist ein Bewuchs von ca. 10% der Mauerfläche günstig (BFN 2011).
  • Bewachsene Mauerstellen bieten Schutz und stellen Jagdhabitate dar, da aufgrund des Bewuchses die Insektendichte zunimmt. Der Faktor der Insektendichte ist sehr wichtig, da die Populationsgröße vom Nahrungsangebot beschränkt wird.
  • Laut LAUFER (2009) sind optimale Mauern mit 10 – 40 % mosaikartig bewachsen.
  • Erhalt und Entwicklung von Krautsäumen von mind. 1,5 m Breite an Mauerfuß und Mauerkrone (BFN 2011).
  • Lüftungsbohrungen (2 cm Durchmesser) zur Entziehung von Feuchtigkeit; sie stellen außerdem Verstecke dar.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Pflegerische Maßnahmen, welche die Funktionssicherheit der angelegten Mauern gewährleistet (Entfernung von Gehölzen, Mahd des Mauersockels, Entfernung des Mauerüberwuchses, wenn die bewachsene Fläche über 10 % der Gesamtfläche steigt).

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Neben der Anlage von Trockenmauern spielt die Restaurierung von bestehenden Mauern eine große Rolle. Eine Sanierung sollte „nach altem Vorbild“ erfolgen (kein Verfugen, keine spaltenlosen Betonmauern). Bei Freistellung von Trockenmauern sollten etwa 10 % des Bewuchses als Versteckmöglichkeit erhalten bleiben (BFN 2011).
  • Die vor einigen Jahren empfohlenen Gabionen (Drahtkörbe mit Gesteinsfüllung (FRITZ 1987)) sind nach heutigem Wissensstand nicht zu empfehlen, da sie nicht die ökologische Funktion von Mauereidechsenhabitaten erfüllen (DGHT 2011).
  • Bei der Sanierung von besiedelten Trockenmauern dürfen Eingriffe nicht während der Winterruhe stattfinden (SCHWEIZER VOGELSCHUTZ SVS 2006). Eine abschnittsweise Sanierung während der Aktivitätsphase der Mauereidechsen ist zu empfehlen, so dass die Mauereidechsen die Möglichkeit zum Ausweichen haben.
  • Praktikable Anleitung zum Bau einer Natur- bzw. Trockensteinmauer findet sich unter: http://www.nua.nrw.de/nua/var/www/de/oeffentl/publikat/pdfs/naturtipp/naturtipp_06.pdf
  • DUSEJ (1994) beobachtete noch im selben Jahr der Fertigstellung eine Besiedlung der Steinriegel mit Mauereidechsen.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Anlage von Trockenmauern ist kurzfristig umsetzbar (lt; 1 Jahr) und diese werden auch kurzfristig besiedelt (1 – 3 Jahre).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Es liegen umfangreiche Erkenntnisse zu den artspezifischen Habitatansprüchen vor.
  • Die benötigten Strukturen sind kurzfristig wirksam.
  • Wirksamkeitsbelege dieser Maßnahme liegen vor (HAESE 1990b; MOORS & FRISSEN 2004, zitiert in DALBECK & HAESE 2011, DUSEJ 1994), die Maßnahme wird auch in der Literatur vielfach vorgeschlagen.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: sehr hoch

3. Freistellung von Felshabitaten / Entbuschung (O5.4.1)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Freistellung (Entbuschung) von zugewachsenen besiedelten und potenziellen Felshabitaten insbesondere in Steinbrüchen und an natürlichen Felsen.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung zu potenziellen Stör– und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (vgl. Einführung zum Leitfaden). Kleinere Abstände sind bei Vorkommen im Siedlungsbereich möglich.
  • Besiedelte Habitate mit lt; 500 m Entfernung zur nächsten Population (maximale Mobilität der Art laut BENDER (1997, zitiert in AMLER et al. 1999)),
  • Insbesondere steile Felswände / Steinbruchwände

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung mindestens im Verhältnis 1:1 ausgleichen (Größe und Qualität).
  • Im Zusammenhang mit der Freistellung von Felsen bzw. Steinbruchwänden ggf. zusätzlich Schaffung von Gesimsen und Vorsprüngen als ideale Sonnenplätze bzw. Bohrungen (2 cm Durchmesser), sofern die Anzahl an Spalten und großen Rissen von 4 pro m² unterschritten wird (FRITZ 1987).
  • Bezogen auf die dauerhafte Sicherung einer isolierten lokalen Population von 50-100 Individuen ist eine Mindestgröße von frei zu stellender Felswand / Steinbruchwand von insgesamt etwa 1.000 m² wünschenswert (Siedlungsdichte am Stingenberg von DALBECK & HAESE (2011) großflächig mit 8,5 Individuen / 100 m² angegeben und auch für die zentralen Vorkommen in der Rureifel angenommen).
  • Ein Bewuchs sollte auf ca. 10% der Felswand / Steinbruchwand erhalten bleiben.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Entfernung von Gehölzen in regelmäßigen Abständen (etwa alle 5-10 Jahre), spätestens, wenn die bewachsene Fläche über 40 % der Gesamtfläche steigt.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Freistellung von Felsen / Steinbruchwänden von Gehölzen ist kurzfristig umsetzbar (lt; 1 Jahr). Nach Feststellung von DALBECK & HAESE (2011) dauert es jedoch meist mehrere Jahre bis eine Bestandszunahme oder Neubesiedlung zu verzeichnen ist.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Es liegen umfangreiche Erkenntnisse zu den artspezifischen Habitatansprüchen vor.
  • Die hergestellten Strukturen sind kurzfristig bis mittelfristig wirksam.
  • Wirksamkeitsbelege dieser Maßnahme liegen vor. Eine Zunahme der Mauereidechse nach Entbuschung in Verbindung mit einem günstigen Sommer im Siebengebirge wurde von CHMELA (2003, zitiert in DALBECK & HAESE 2011) und der Biologischen Station Düren o.J. festgestellt. Zudem konnte DOWIDEIT (2006, zitiert in BUßMANN et al. 2011) erhöhte Reproduktionserfolge einer Population nach umfangreichen Pflegemaßnahmen feststellen.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: sehr hoch

4. Fazit

Für die Mauereidechse stehen kurzfristig wirksame Maßnahmentypen zur Sicherstellung der Sommer- und Winterlebensräume sowie der Eiablageplätze zur Verfügung.

Angaben zu Priorisierung:

Die „Anlage von Gesteinsaufschüttungen“ (O4.4.3) ist im Vergleich zur „Anlage von Steinriegeln / Trockenmauern“ (O4.4.4) von geringerer Priorität aufgrund der Anpassung der Art an vertikale Strukturen. Zudem besteht für Gesteinsaufschüttungen aufgrund der schnelleren Sukzession eine höhere Pflegeintensität.