Weisswangengans (Branta leucopsis (Bechstein,1803))
(Syn.: Nonnengans)
Brutvögel und Rastvögel
Art und Abgrenzung der Fortpflanzungs- und Ruhestätte (FoRu)
„Weite Abgrenzung“
Fortpflanzungsstätte: Die Weißwangengans legt ihre Nester in meist spärlicher Vegetation auf Inseln oder im direkten Umfeld von Gewässern an, wobei sie Grünlandbereiche in der näheren Umgebung als Nahrungsraum nutzt (SUDMANN in GRÜNEBERG & SUDMANN et al. 2013). Die Weißwangengans bevorzugt möglichst trockene, erhöht liegende Standorte, die auch baumbestanden sein können. Das Nest wird in jedem Jahr neu angelegt, wobei auch vorjährige Strukturen überbaut werden können. Da die Jungvögel Nestflüchter sind, ist das engere Umfeld mit den zur Jungenaufzucht notwendigen Strukturen der Fortpflanzungsstätte hinzuzurechnen. In der Konsequenz umfasst die Fortpflanzungsstätte damit den Bereich der Nestanlage und den brutzeitlichen Aufenthaltsraum bis zum Flüggewerden der Jungtiere (Gewässer mit angrenzendem Grünland).
Ruhestätte: Während der Brutzeit sind die Ruhestätten in der Fortpflanzungsstätte enthalten. Nach der Brutzeit (hauptsächlich im Juli und August) macht die Weißwangengans ihre Vollmauser durch und ist in dieser Zeit flugunfähig. Die Vorkommen sind dann auf relativ kleinflächige Areale beschränkt und gleichzeitig stark auf Gebiete ohne Störungen angewiesen. Die Weißwangengänse sind dann gesellig und bilden mitunter große Trupps. Diese traditionellen Rastplätze sind als Ruhestätten abzugrenzen und setzen sich aus dem (Flach-) Gewässer und dessen Ufer zusammen.
Lokalpopulation
- Vorkommen in einem Schutzgebiet; Einzelvorkommen (Gewässer mit Grünland).
Habitatanforderungen
- Weißwangengänse brüten an seichten, stehenden eutrophen Binnengewässern, wie z. B. Abgrabungsgewässer, Altarme, Parkteiche, Rieselfelder, insbesondere wenn sie Inseln aufweisen (SUDMANN in GRÜNEBERG & SUDMANN et al. 2013, VAN DER JEUGD in SOVON 2018).
- Die Nahrungssuche der Weißwangengänse erfolgt vorwiegend auf Grünland. Sie fressen fast ausschließlich pflanzliche Kost.
- Der Raumbedarf zur Brutzeit ist von der Gewässergröße und der Entfernung der Grünlandbereiche abhängig und liegt bei 10-50 ha (SUDMANN unpub.).
- Ein wichtiges Habitatelement für die Nestanlage ist eine dichte Ufervegetation auf erhöhten trockenen Standorten, an denen das Nest versteckt werden kann. Inseln werden oft in großer Konzentration von Weißwangengänsen zur Brut angenommen, da der Prädationsdruck hier weniger stark ausgebildet ist und menschliche Störungen im Allgemeinen geringer sind (SUDMANN in GRÜNEBERG & SUDMANN et al. 2013, VAN DER JEUGD in SOVON 2018).
Art und Abgrenzung der Fortpflanzungs- und Ruhestätte (FoRu)
„Weite Abgrenzung“
Ruhestätte: Weißwangengänse nutzen in NRW auf dem Herbstzug, während der Überwinterung und insbesondere auf dem Frühjahrszug strukturell geeignete Rastgebiete. Dabei handelt es sich hauptsächlich um offene und möglichst störungsarme Flussauen mit großen Grünlandflächen, aber auch um Grünlandgebiete mit Abgrabungsgewässern (z. B. die Kreise Borken, Coesfeld). Neben fakultativ und nur sporadisch genutzten Rastplätzen gibt es regelmäßig von großen Trupps genutzte traditionelle Rast- und Schlafplätze (z. B. Unterer Niederrhein und Weseraue). Diese traditionellen Rast- und Schlafplätze sind jeweils als Ruhestätte abzugrenzen, wobei jährliche Verlagerungen innerhalb der Ruhestätte aufgrund landwirtschaftlicher Nutzung auftreten können. Die Ruhestätte besteht aus den Schlafplätzen sowie regelmäßig für die Nahrungssuche genutzten Flächen. Die Nahrungsflächen können sich von Jahr zu Jahr und auch innerhalb eines Winters verlagern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auf Grünland das Gras nach einem meist 2- bis 4-tägigen Beweidungsdurchgang erst wieder 3 bis 4 Wochen lang nachwachsen muss. In sehr großen Rast- und Überwinterungsgebieten (Unterer Niederrhein) ist jeweils ein zusammenhängender Funktionsraum als eine Ruhestätte abzugrenzen. Bei der Abgrenzung dieser Funktionsräume sind möglichst vorhandene Erkenntnisse der Experten vor Ort zu den Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Nahrungsflächen und den Schlaf-/Trinkplätzen zu berücksichtigen.
Lokalpopulation
- Vorkommen in einem Schutzgebiet, Einzelvorkommen
Habitatanforderungen
- Großräumige Flusstalauen, (Feucht-) Grünlandbereiche mit geeigneten Nahrungsflächen (Grünland mit geringer Vegetationshöhe) sowie ein Angebot an Trink- und Schlafgewässern (LANUV 2010).
- Grünlandflächen mit Schlaf- und Trinkgewässern, die im Zugkorridor liegen, werden seit einigen Jahren verstärkt genutzt (z. B. die Kreise Borken, Coesfeld, Heinsberg, Viersen).
- Weißwangengänse äsen vorwiegend auf Grünland (BAUER et al. 2005: 56, BALLASUS 2005, KRUCKENBERG 2003, WILLE 2000, FEIGE et al. 2011).
- FEIGE et al. (2011: 170, Unterer Niederrhein): Die Weißwangengans ist fast ausschließlich auf Grünland anzutreffen, da die größten Rastbestände auf dem Frühjahrszug auftreten.
- DEGEN et al. (2009, Elbtalaue): Die Nutzung des Grünlandes nahm in der Reihenfolge durch Saatgans, Blässgans, Graugans und Weißwangengans zu, die Nutzung der Ackerflächen entsprechend ab. Mit Eintritt des Frühjahrs wurde Grünland zunehmend bevorzugt. Es war für alle Gänsearten im Februar und März der am häufigsten aufgesuchte Habitattyp. Auch Wintergetreide wurde, v. a. von Saat- und Graugänsen, zum Frühjahr hin deutlich häufiger aufgesucht als im Herbst. Stoppelfelder hatten besonders für die Saatgans, aber auch für die Blässgans im Herbst eine sehr große Bedeutung, die im Verlauf der Rastsaison deutlich abnahm; Saatgänse nutzten diese Flächen aber bis in den Winter hinein.
- Möglichst räumliche Nähe zwischen Schlafplätzen und Nahrungshabitaten (umso näher, desto günstiger), bevorzugt werden jedoch schlafplatznahe Nahrungshabitate. Die Entfernung von Nahrungs- und Schlafplätzen soll in der Regel 5 km nicht überschreiten. Im Idealfall liegen die Schlafgewässer inmitten der Nahrungshabitate.
- Die Nutzung der Nahrungshabitate innerhalb der Rastgebiete kann bei Ackerflächen wegen der dynamisch wechselnden Fruchtfolge großen jährlichen Veränderungen unterworfen sein. Orts- bzw. Flächentraditionen dürften daher für die lokale Ebene ohne große Bedeutung sein. Gänse sind generell Nahrungsopportunisten und nehmen innerhalb ihres Rastplatzraumes die Flächen an, die gerade eine attraktive Nahrungsquelle darstellen (KREUZIGER 2002, KRUCKENBERG et al. 2003, WILLE 2000). Die Gänse wechseln dabei auch innerhalb eines Winters zwischen mehreren Nahrungsflächen, die entsprechend ihrem Nahrungsangebot (Ernterückstände, Vegetationshöhe, nachwachsendes Gras) turnusmäßig aufgesucht werden.
- Fluchtdistanzen: Aufgrund der Jagdruhe auf arktische Gänse haben die Fluchtdistanzen in NRW in den letzten Jahren deutlich abgenommen (WILLE 2000).
- Lage der Maßnahmenflächen in weithin offener Landschaft aufgrund der Meidung der Gänse gegenüber Sichtbarrieren wie hohen geschlossenen Vertikalstrukturen (Waldränder).
- Mindestabstand der Schlafplätze zu Windenergieanlagen und -parks von 1000 m und bei den Nahrungsflächen 400 m (MULNV & LANUV 2017).
- Komplette Maßnahmenpakete im Rahmen eines Gänsemanagements sind ausführlich z. B. bei BRÜHNE et al. (1999, Unterer Niederrhein), HAASE et al. (1999, Brandenburg), KREUZIGER (2002, Rheinland-Pfalz) und SPILLING (1999, Untere Mittelelbe) beschrieben.