Weißwangengans  (Branta leucopsis (Bechstein,1803))

(Syn.: Nonnengans)

EU-Code: A045

Artenschutzmaßnahmen

  1. Optimierung von Gewässern (Ruhestätten) (G3.1, G3.3)
  2. Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im Grünland (O1.1, G1.2, G2.1, G4.3)
  3. Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im Grünland (O2.1)
  4. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Optimierung von Gewässern (Ruhestätten) (G3.1, G3.3)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Bläss- und Weißwangengans nächtigen und ruhen gerne in ruhigen Flachwasserzonen in Ufernähe. An größeren Stillgewässern (z. B. Abgrabungen) werden bei Betroffenheit von Ruhestätten Modellierungsmaßnahmen zur Schaffung von störungsarmen Flachwasserzonen durchgeführt.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden). Weiterhin ist auf eine ausreichende Störungsarmut bezüglich Erholungsnutzung (Touristen, Spaziergänger etc.) zu achten.
  • Vorhandene, windgeschützte Stillgewässer mit Aufwertungspotenzial bezüglich der Gewässertiefe / der Uferstrukturen, ggf. Anlage neuer Blänken und Flutmulden.
  • Geeignete Nahrungshabitate im Umfeld von max. 5 km vorhanden (je näher desto besser), weithin offene Landschaft aufgrund der Meidung gegenüber geschlossenen Vertikalstrukturen (siehe oben).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Rastbestand: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Der räumliche Umfang ist im Einzelfall festzulegen insbesondere anhand der Parameter Flächengröße und Zustand der betroffenen Gebiete und betroffene Individuenzahl. Grundsätzlich Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Da die Arten bevorzugt an größeren Flachgewässern rasten, wird ein Faustwert von mind. 2 ha für die Gewässergröße empfohlen.
  • Schaffung / Modellierung von störungsberuhigten Gewässern mit Flachwasserzonen.
  • Die Maßnahme wird idealerweise in Kombination mit Aufwertungen in schlafplatznahen Nahrungshabitaten durchgeführt (Maßnahme: Herstellung von Nahrungshabitaten im Grünland).
  • Ggf. Entfernung von Gehölzen o. a. Vertikalstrukturen zur Schaffung freier Sichtmöglichkeiten / von Einflugschneisen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Nein

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Bei der Reduktion von Störungen besteht die maximale Fluchtdistanz gegenüber sich bewegenden und frei sichtbaren Menschen (insbesondere mit Hunden), die Fluchtdistanz gegenüber PKW sind geringer. Auch die Truppgröße kann eine Rolle spielen: So fand SPILLING (1999), dass die Fluchtdistanzen kleiner Trupps von Bläss- und Saatgans an der Unteren Mittelelbe gegenüber einem sich im PKW nähernden Beobachter mit 60-120 m geringer war als bei größeren, doch nahmen sie bereits ab etwa 150 Vögeln bei einem Wert von ca. 200 m nicht weiter zu. Am Unteren Niederrhein lag sie generell bei unter 150 m (WILLE 2000, s. o.).

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die benötigten Strukturen (Herstellung von Flachwasserbereichen, Auflichtung oder Entfernung von dichtem Ufergehölzbewuchs) sind grundsätzlich unmittelbar nach Maßnahmenumsetzung wirksam. Um den Gänsen eine Eingewöhnung und räumliche Erkundung zu ermöglichen, soll die Maßnahme mit einer Vorlaufzeit von 2-3 Jahren hergestellt werden (RUNGE et al. 2010 S. A 116 gehen von 1-3 Jahren Vorlaufzeit für die Blässgans aus).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Wesentlich für den Maßnahmenerfolg ist die fachliche Begleitung bei Planung und Durchführung durch Art-Experten.
  • Die Habitatansprüche zumindest der Blässgans sind gut bekannt. Die Maßnahme erscheint daher und auch wegen der häufigen Nutzung von größeren Abgrabungsgewässern als grundsätzlich plausibel.
  • Aufgrund der besonderen Bedeutung von traditionellen Ruhestätten und dem Fehlen konkreter Wirksamkeitsnachweise von speziell geplant angelegten Maßnahmengewässern ist bei diesem Maßnahmentyp eine Einzelfallprüfung unter Beteiligung von lokalen Experten durchzuführen und die Maßnahme mit einem Monitoring zu begleiten. Für NRW wurde der Eignungsgrad mit „mittel“ bewertet (Expertenworkshop 8.11.2011 LANUV Recklinghausen).

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: mittel

Fazit Eignung: mittel

2. Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im Grünland (O1.1, G1.2, G2.1, G4.3)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Bläss- und Weißwangengans nutzen neben Ackerflächen insbesondere Grünlandflächen zur Nahrungsaufnahme. In störungsarmen Bereichen wird kurzrasiges, nährstoffreiches Grünland für die Gänsearten als günstige Nahrungshabitate zur Verfügung gestellt.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Siehe Maßnahme: Optimierung von Gewässern (Ruhestätten).
  • Geeignete Schlafplätze im Umfeld von max. 5 km vorhanden (je näher desto besser), weithin offene Landschaft aufgrund der Meidung gegenüber geschlossenen Vertikalstrukturen (siehe oben).
  • Mittlere bis eutrophe Böden mit durchschnittlicher bis hoher Bodenfeuchte. Ungeeignet sind trockene und magere Standorte (zu geringer Nährstoffgehalt der Gräser).
  • Ausgangsbestand: Acker oder versiegelte Standorte.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Rastbestand: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Der räumliche Umfang ist im Einzelfall festzulegen, insbesondere anhand der Parameter Flächengröße und Zustand der betroffenen Gebiete und betroffene Individuenzahl. Grundsätzlich Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Als Faustwert werden für eine signifikante Verbesserung des Nahrungsangebotes insgesamt mind. 2 ha Maßnahmenfläche empfohlen.
  • Genutztes (gedüngtes und eutrophes) Grünland mit nährstoffreichen Gräsern ist für Gänse besonders attraktiv, da hier mehr nährstoffreiche Biomasse zur Verfügung steht, die von ihnen als Weidegänger genutzt werden kann (KREUZIGER 2002).
  • Sofern noch nicht vorhanden, kann sich die Schaffung eines Mikroreliefs, bei dem auch nasse Stellen und winterlich überstaute Flachwasserbereiche vorkommen, günstig auf die Annahme der Flächen durch Gänse auswirken (KUJIKEN & VERSCHEURE 2008, HEINICKE 2008, Landgesellschaft Sachsen-Anhalt 2002 S. 161, SPILLING 1998, TESCH et al. 2010). Kleine Flachwasserbereiche (Senken, Teiche) werden zum Trinken genutzt. Es können idealerweise auch größere Flachwasserbereiche (> 1 ha) angelegt werden, die zugleich eine Funktion als Schlafplatz entfalten können (bei Betroffenheit von mehreren 1000 Gänsen sind noch deutlich größere Flächen erforderlich). Nach Landgesellschaft Sachsen-Anhalt (2002 S. 164, Aland-Niederung) trägt eine Vernässung von Grünlandstandorten besonders im Frühjahr zur Ablenkung der Gänse von ansonsten fraßbedrohten Ackerstandorten bei.
  • Ggf. Entfernung von Gehölzen o. a. Vertikalstrukturen zur Schaffung freier Sichtmöglichkeiten / von Einflugschneisen / Verringerung von Zerschneidung.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Regelmäßige Pflege des Grünlandes, Offenhaltung.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Die Bevorzugung von Grünland mit nährstoffreichen Gräsern kann grundsätzlich soweit führen, dass benachbarte Flächen mit Extensivgrünland nur noch nachrangig aufgesucht werden (WILLE 2000). Wenn Nahrungshabitate limitierender Faktor sind (und somit ein Maßnahmenerfordernis besteht), kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Gänse auch extensiv bewirtschaftetes Grünland mit weniger nährstoffreichen Gräsern und ggf. höherer Grasnarbe annehmen, wenngleich ansonsten Intensivgrünland bevorzugt wird (BRÜHNE et al. 1999, Unterer Niederrhein). Für Extensiv-Grünland ist dann aber eine größere Fläche erforderlich. Nach WILLE (2000) ist noch unklar, wie groß extensiv bewirtschaftete Gänserastgebiete sein müssen, um die oft unerwünschte Abwanderungen auf Intensivflächen zu vermeiden. Die Frage, wie intensiv (bezüglich Düngung und Kurzrasigkeit) eine Grünlandfläche für die Gänse bewirtschaftet werden darf, ist im Einzelfall je nach lokalen Bedingungen festzulegen. Grundsätzlich sollte in den Rastgebieten eine möglichst standorttypische und landschaftsgerechte Bewirtschaftung des Grünlandes gesichert werden (WILLE 2000).
  • Keine Düngung zur Aufwertung des Nährstoffgehaltes der Gräser auf naturschutzfachlich anderweitig bedeutungsvollen Magerstandorten oder in deren direkter Nachbarschaft.
  • Konflikte zwischen für Gänse optimiertem Grünland und Grünland für andere Wiesenvögel.
  • BALLASUS (2005) vermutet eine Konkurrenz von Bläss- und Saatgänsen im Grünland: So zeigt sich unter koexistierenden Enten- und Gänsevögeln, dass langschnäbligere Arten Flächen mit höherem Gras und größerer Biomasse bevorzugen bzw. kurzschnäblige Arten kürzeres Gras beweiden. Nutzen Letztere das großräumige Angebot attraktiver Nahrungsflächen dabei periodisch mit kurzen Wiederbesuchintervallen wie die Blässgans am Niederrhein, genügt die zwischenzeitliche Aufwuchshöhe des Grases der Saatgans wahrscheinlich nicht für effiziente Besuche.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Maßnahmen zur Herstellung des Mikroreliefs sind unmittelbar nach Abschluss der Maßnahme bzw. in der nächsten Rastsaison wirksam. Für die Herstellung eines attraktiven Grünlandes wird eine Zeitdauer von bis zu 3 Jahren veranschlagt. RUNGE et al. (2010, S. A 116) gehen für die Blässgans von einer Wirksamkeit von 1 bis 3 Jahren aus.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die benötigten Strukturen stehen kurzfristig bereit. Die für den Maßnahmentyp relevanten Habitatansprüche der Arten sind gut bekannt. In Anlehnung an die Erfahrungen beim Gänsemanagement (DEGEN et al. 2009, HAASE et al. 1999, KREUZIGER 2002, Landgesellschaft Sachsen-Anhalt 2002 S. 160 f.) wird eine Annahme der Flächen durch die Gänse erwartet. Auch RUNGE et al. (2010, S. A 116 stufen die Maßnahme (Schaffung von intensiv genutztem und gedüngtem Grünland in störungsarmen Bereichen für die Blässgans) als „sehr hoch“ ein. TESCH et al. (2010, Unterweser) schildern die großflächige (> 200 ha) Umsetzung eines Projektes zur Umwandlung von Grünland in ein Tidebiotop mit neu angelegtem Prielsystem. Die Maßnahmenflächen wurden von der Weißwangengans angenommen und erreichten hier internationale Bedeutung (zudem mindestens landesweite Bedeutung für Pfeifente, Schnatterente und Löffelente). Ihre Attraktivität erklärt sich nach den Autoren durch das Nebeneinander von Flachwasserzonen und niedrigwüchsigem Grünland sowie der Abwesenheit jeglicher Störungen (Jagdverbot).

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

3. Maßnahmen zur Herstellung von Nahrungshabitaten im Grünland (O2.1)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Bläss- und Weißwangengans nutzen v. a. im Herbst neben Grünlandflächen auch noch nicht umgepflügte Stoppeläcker, um sich hier von Ernteresten zu ernähren. In der Maßnahme werden entsprechende Flächen durch a) verzögerten Umbruch bzw. liegen lassen der Ernterückstände, b) Ansaat von Wintergetreide / Ackergras oder c) durch direkte Zufütterung bereitgestellt.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Siehe Maßnahme: Optimierung von Gewässern (Ruhestätten).
  • Geeignete Schlafplätze im Umfeld von max. 5 km vorhanden (je näher desto besser), weithin offene Landschaft aufgrund der Meidung gegenüber geschlossenen Vertikalstrukturen (siehe oben).
  • Vorhandene Ackerfläche (kein Umbruch von Grünland in Acker für die Maßnahme).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Rastbestand: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Der räumliche Umfang ist im Einzelfall festzulegen insbesondere anhand der Parameter Flächengröße und Zustand der betroffenen Gebiete und betroffene Individuenzahl. Grundsätzlich Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Als Faustwert werden für eine signifikante Verbesserung des Nahrungsangebotes insgesamt mind. 2 ha Maßnahmenfläche empfohlen (bei Fütterungsfläche mind. 1 ha).
  • Die Maßnahmen haben meist eine temporäre Eignung, die v. a. auf den Herbst beschränkt ist, wenn die Ernterückstände noch zahlreich sind. Eine längerfristige Eignung kann sich einstellen durch spät aufkeimendes Ausfallgetreide / Wildkräuter (HAASE et al. 1999) oder durch längere Zufütterungszeiten. Durch eine Staffelung z. B. der Maisernte bis Ende November können die Ernterückstände über einen längeren Zeitraum bereitgehalten werden (HAASE et al. 1999, Brandenburg).
  • a) Verzögerter Umbruch/Ernteverzicht. Variante 1: Getreidestoppeläcker, Mais-, Zuckerrübe oder Kartoffelfelder werden nach der Ernte liegen gelassen bzw. erst verzögert bis nach der Herbstrast umgebrochen (BERGMANN 1999, HAASE et al. 1999, HEINICKE 2008, KREUZIGER 2002, LANUV 2011 S. 90, Landgesellschaft Sachsen-Anhalt 2002 S. 171). Für Sachsen-Anhalt werden 5-10 dt/10 Rückstände empfohlen (Landgesellschaft Sachsen-Anhalt 2002 S. 171). Variante 2: Auf der Fläche werden die Früchte wie z.B. Getreide nicht geerntet, sondern belassen und dann bei Ankunft der Gänse durch Walzen für die Gänse zugänglich gemacht (BERGMANN 1999, SPILLING 1999). Variante 3: Anlage von Stilllegungsflächen / Anbau von Zwischenfrüchten / Untersaat, die später als Gründüngung umgeackert werden (BERGMANN 1999, LANUV 2011 S. 90): Als Begründung empfiehlt sich v. a. die Einsaat eiweißreicher Klee-Gras-Mischungen (WENDT 1999 S. 153), die z. B. als Stoppelsaat nach nicht zu spät räumenden Fruchtarten erfolgen kann. Der Zeitpunkt der Aussaat sollte so gelegt werden, dass sich die vorhandenen Pflanzen im Oktober in einem möglichst frischen Keimstadium befinden (Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt 1994).
  • b) Ansaat von Wintergetreide, Ackergras mit anschließender Duldung der Gänse auf den Flächen (vgl. Maßnahmenpaket in BRÜHNE et al. 1999 Unterer Niederrhein, s. u.; Landgesellschaft Sachsen-Anhalt 2002 S. 172).
  • c) direkte Zufütterung: Ausbringung von Getreide, Mais oder Kartoffeln auf einer Fläche (BERGMANN 1999, HEINICKE 2008, KREUZIGER 2002, Landgesellschaft Sachsen-Anhalt 2002 S. 171
  • Sofern nicht vorhanden, Schaffung von Störungsarmut (Wassersport, Touristen, Jagd) während der Rast- und Überwinterungszeiten im Umfeld der jeweiligen maximalen Störradien (Blässgans: 300 m, Saatgans: 300 m, Weißwangengans: 500 m; alle Werte aus GARNIEL & MIERWALD 2010 S. 32)
  • Ggf. Entfernung von Gehölzen o. a. Vertikalstrukturen zur Schaffung freier Sichtmöglichkeiten / von Einflugschneisen.
  • BRÜHNE et al. (1999, Unterer Niederrhein) schlagen verschiedene Bewirtschaftungspakete v. a. auf Acker vor (Datumsangaben mit Bezug zum Unteren Niederrhein):
  • 1. Stoppelsaat: 1. Frühzeitige Winterrüben: Einsaat im September. Evtl. Pflegeschnitt im Herbst / 2. Welsches Weidelgras: Einsaat im September. Evtl. Pflegeschnitt im Herbst. / 3. Wintergerste (statt Umbruch und Winterfurche): Einsaat nach Absprache; spätestens bis 15.10. / 4. Futterroggen (statt Umbruch und Winterfurche): Einsaat nach Absprache; spätestens bis 15.10. Frühzeitige Einsaat, damit sich dichter Bewuchs bilden kann; je nach Aufwuchs ggf. im Spätherbst noch mal mähen. Hinweis: Es zeigte sich, dass der Bestand bei der Einsaat von Wintergetreide (bes. Weizen) meist gering war und nur wenig Futtermasse zur Verfügung stand. Ausnahme Futterroggen, wächst schnell und bildet auch bei später Aussaat (z. B. nach Zuckerrüben) noch viel für Gänse nutzbare Futtermasse.
  • 2. Untersaat: 1. Untersaat bei Silomais: Evtl. Pflegeschnitte im Herbst, Bearbeitung ab 15.1. / 2. Untersaat bei Silomais: Evtl. Pflegeschnitte im Herbst, Bearbeitung ab 15.2. Hinweise nach der Silomaisernte, bei der nur wenig Erntereste verbleiben, ist bereits nutzbares Gras vorhanden. Im Projektzeitraum gab es geringes Interesse bei den Landwirten und Witterungsprobleme.
  • 3. Ausfallgetreide: Wintergetreide nach der Ernte durchwachsen lassen. Evtl. Pflegeschnitte im Herbst, Bearbeitung ab 15.2.
  • 4. Nicht-Bearbeitung: 1. Welsches Weidelgras stehen lassen. Evtl. Pflegeschnitte im Herbst, Bearbeitung ab 15.1. / 2. Nichtbearbeitung nach Körnermais oder Zuckerrüben (statt Wintergetreide). Keine Herbstdüngung und Kalkung; Umbruch nach Rüben bereits Ende Dezember nach Absprache möglich. / 3. Nichtbearbeitung nach Körnermais oder Zuckerrüben (statt Umbruch und Winterfurche). Keine Herbstdüngung und Kalkung; Umbruch nach Rüben bereits Ende Dezember nach Absprache möglich.
  • 5. Gezielte Einsaat von Stilllegungsflächen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Die Maßnahmen zur Belassung von Ernterückständen müssen jährlich wiederholt werden, wobei die Maßnahmenfläche rotieren kann. Die Zeitdauer der Fütterung ist im Einzelfall festzulegen.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Die Flächen – v. a. die Zufütterungen – sollten jedoch nicht an empfindliche Kulturen angrenzen, da es zu starken Gänsekonzentrationen kommen kann und die Gänse die Fütterungsfläche nicht vollständig ausnutzen, sondern sich ab einem bestimmten Nutzungsmaß gleichmäßiger verteilen und andere, angrenzende Flächen zu nutzen beginnen (BERGMANN 1999, KREUZIGER 2002). Weitere zu beachtende Faktoren bei Zufütterungen sind nach WILLE (2000, S. 100): Das Auftreten „unnatürlicher“ Vogelkonzentrationen kann einem ggf. vorhandenen naturschutzfachlichen Leitbild widersprechen, die Konzentration auf kleiner Flächen steht dem natürlichen Begrasungszyklus entgegen, der zu gleichmäßiger extensiver Beweidung führt, durch die Konzentration der Gänse kann es zu hygienischen Problemen / Krankheitsverbreitungen kommen.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Gänse sind Nahrungsopportunisten und nehmen die Maßnahmenflächen in der Regel schnell an (RUNGE et al. 2010 S. A 116 für die Blässgans, WILLE 2000 für Saat-, Bläss- und Graugans, ZHU et al. 1987 zit. bei KREUZIGER 2002 für Gänse allgemein).
  • Die Strukturen sind kurzfristig herstellbar (nach der Ernte bzw. nach Ausbringung des Futters). Sie besitzt jedoch nur eine temporäre Eignung (Stoppelacker / Ernterückstände), bis das Futter auf der Fläche so weit abgenommen hat, dass sich die Suche nicht mehr lohnt. Bei Zufütterungen ist die Dauer der Fütterung entscheidend.
  • SPILLING (1999) berichtet von einem Projekt in der Elbtalaue (Landkreis Lüneburg). Dort wurden Wintergetreideäcker (Gerste, Weizen) und Mais nicht abgeerntet und stattdessen zur Ankunftszeit der Gänse im Oktober gewalzt, um so ein besonders attraktives Nahrungsangebot zu schaffen und eine Verringerung der Schäden auf andere Flächen zu erreichen. Im Ergebnis kam es kurzfristig zu sehr hohen Gänsedichten, aber die Nahrung war meist nach wenigen Tagen aufgebraucht (max. Nutzungsdauer 13 Tage).
  • Bei den Maßnahmentypen 4.2 und 4.3 (Nichtbearbeitung nach Körnermais oder Zuckerrüben (statt Wintergetreide) / Nichtbearbeitung nach Körnermais oder Zuckerrüben (statt Umbruch und Winterfurche) bei BRÜHNE et al. (1999) am Unteren Niederrhein wurden von den eintreffenden Gänsen zunächst die frisch abgeernteten Maisäcker und, sobald vorhanden, v. a. abgeerntete Rübenfelder bevorzugt. Die Zahlen bauen sich über einige Tage auf, halten 2-3 Tage an und nehmen dann innerhalb von ca. 2 Tagen wieder ab. Insgesamt wird eine Zuckerrübenfläche über einen Zeitraum von 1-2 Wochen genutzt. Danach ist fast kein Futtermaterial mehr vorhanden und die Fläche hat für den Rest des Winters keine Bedeutung mehr für Gänse. Nach der Nutzung der Erntereste von Mais / Zuckerrübe kam es zur zunehmenden Nutzung von Grünland, Ackergras und Wintergetreide.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die benötigten Strukturen stehen kurzfristig bereit. Die für den Maßnahmentyp relevanten Habitatansprüche der Arten sind gut bekannt. In Anlehnung an die Erfahrungen beim Gänsemanagement (DEGEN et al. 2009, HAASE et al. 1999, KREUZIGER 2002, Landgesellschaft Sachsen-Anhalt 2002 S. 160 ff.) wird eine Annahme der Flächen durch die Gänse erwartet. Ggf. kann die Annahme der Maßnahmenflächen durch Anlockung der Tiere über Gänseattrappen unterstützt werden (Landgesellschaft Sachsen-Anhalt 2002 S. 172).
  • Aufgrund der bisherigen Erfahrungen besteht grundsätzlich eine Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme. Da Bläss- und Weißwangengans (im Vergleich zur Saatgans) jedoch eher Grünland bevorzugen und die Nahrungsverfügbarkeit im Acker kurzfristiger ist als im Grünland, besteht lediglich eine mittlere Eignung (Expertenworkshop LANUV Recklinghausen, 8.11.2011).

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: mittel

4. Fazit

Für Bläss- und Weißwangengans besteht die Möglichkeit zur Durchführung vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen in den Nahrungshabitaten. Maßnahmen für die Ruhehabitate sind Einzelfallentscheidungen.

Angaben zu Priorisierung:

Priorisierung: Maßnahme 2 (Grünland) hat eine höhere Priorität als Maßnahme 3 (Acker). Bläss- und Weißwangengans bevorzugen (im Verhältnis zur Saatgans) eher Grünland; weiterhin ist auf Äckern das Nahrungsangebot kurzfristiger verfügbar als auf Grünland. Fütterungen kommen nur im Ausnahmefall als temporäre Maßnahme in Betracht.