Artinformationen

Artenschutzmaßnahmen

Bestandserfassung

Verbreitungskarten

Raubwürger  (Lanius excubitor Linnaeus, 1758)

Artenschutzmaßnahmen

  1. Auflichten dichter Gehölzbestände (W2.1)
  2. Entwicklung von Extensivgrünland (O1.1)
  3. Entwicklung von Kleinstrukturen (Anlage von Gehölzen O3.1.2, Anlage von Gesteinsaufschüttungen / Lesesteinmauern O4.4.3 / O4.4.4)
  4. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Auflichten dichter Gehölzbestände (W2.1)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Gehölze stellen für den Raubwürger als Nistbiotop, Ruhe- und Mauserplatz, zum Aufspießen von Beutetieren sowie als Ansitzwarte wichtige Habitatelemente dar. In der Maßnahme werden für den Raubwürger verschiedene Habitattypen (z.B. Hecken, Heiden, Streuobst, Moore, Aufforstungen) mit bestehenden Gehölzen durch Auflichtung optimiert.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden). Entfernung zu Gehöften, Ortschaften o. a. idealerweise > 300 m (ROTHHAUPT 1997: 76).
  • Bis auf starken Gehölzaufwuchs geeignetes Raubwürgerhabitat. Möglich ist eine Kombination mit Maßnahme 2 und 3.
  • Der Standort enthält mehrere exponierte Bereiche und ermöglicht vom Relief her (ggf. nach der Auflichtung) eine Übersichtlichkeit (keine engen Talschluchten).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Plausibel erscheinen folgende Orientierungswerte: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung; als Faustwert werden für eine signifikante Verbesserung des Bruthabitatangebotes pro Paar insgesamt mind. 2 ha Maßnahmenfläche im Aktionsraum empfohlen.
  • Pflege von Hecken (nach SCHÖN 2000: 153 ff) in Hecken-Landschaften: Abschnittsweise Verjüngung von zu Baumstreifen aufgewachsenen Hecken, d. h. „Auf-den-Stock-Setzen“, Untergliedern oder zumindest Ausbuchten von geschlossenen, langen Heckenstreifen („optische Mauer“, SCHÖN 2000: 177) zur Wiederherstellung der Übersichtlichkeit. Gezielte Entnahme von höheren und wüchsigen Bäumen (z.B. Esche, Bergahorn, Buche) und von wüchsigen Büschen (z.B. Schlehe, Hasel, Roter Hartriegel), Büsche möglichst tief am Wurzelhals abschneiden, um Wiederausschlagen zu vermeiden. Belassen von einzelnen schwachwüchsigen, Krüppel- und Totholzbäumen, Beeren- oder Flechtenbäumen als Warten etwa alle 50-70 m. Schonung von einzelnen, besonders alten, dichten Dorn- und Beerensträuchern (z.B. Heckenrosen, Weißdorn), etwa alle 30-50 m und vorzugsweise am Ende einer Heckenreihe. Abräumen des Gehölzmaterials nach Pflegeschnitt.
  • Pflege von Streuobstbeständen (nach SCHÖN 2000: 163 ff) in Streuobst-Landschaften: Baumschnitt im gruppenweisen Wechsel, jeweils einen Teil der Bäume möglichst lange „ungepflegt“ lassen: wenigstens jeden 3. Obstbaum nicht ausschneiden und die Bäume im Turnus von 5-10 Jahren pflegen, dabei gezielte Schonung von dürren Ästen, Astquirlen, Höhlungen etc.; Erhalt von stehenden, toten Bäumen oder Teilen davon durch Abstützung o. ä. über möglichst lange Zeit. Neu- und Nachpflanzung von Obstbäumen und dornigen Einzelbüschen v. a. am Rand von geschlossenen Obstbaum-Beständen. Abstand der Gehölze ca. 30-100 m, idealerweise im Mittel 35-40 m; im Mittel 5-10 Sitzwarte / ha. Unternutzung als Wiese oder Weide (jedoch z.B. bei Pferden Schälschäden beachten), siehe Maßnahme 2.
  • Pflege von dichten Gehölzen in Heidebeständen (nach Lehn 2012: 67 ff., SCHÖN 2000: 158 ff.) in Heidelandschaften: Ausdünnung von dichten Gehölzbeständen, um noch offene Restflächen auszudehnen oder zu schaffen. Dabei gezielte Entnahme der höheren und wüchsigen Bäume (z.B. Fichte, Kiefer, Esche, Bergahorn, Buche) oder ausbreitungsstarker Sträucher (z. B. Schlehe). Belassen von wenigen, v. a. schwachwüchsigen, mehrkronigen Bäumen (v. a. Kiefer), höchstens alle 70-100 m, idealerweise in kleinen Gruppen. Belassen von stehenden Totholz- und Wildobst-Bäumen, idealerweise in kleinen Gruppen und höchstens alle 50-70 m, um so zwischen den Baumgruppen größere baumlose Freiflächen zu schaffen. Schonung und Freistellung von alten, dichten (Dorn-) Sträuchern (außer Wachholder), bevorzugt in kleinen Gruppen etwa alle 30-50 m. Stehen lassen von einigen Hochstubben (d. h. bodennahe Stammteile in 0,5-1,5 m Höhe absägen), übrige Stämme / Triebe möglichst tief abschneiden für anschließende (Schaf-) Beweidung oder Mahd. Entfernen von sichtversperrenden Gehölzen, v. a. von Gehölzen in Verbindungsschneisen zwischen freien Bereichen zur Herstellung der Übersichtlichkeit. Zur Verteilung der Gehölze siehe oben. Abräumen des Gehölzmaterials möglichst rasch nach dem Schnitt, falls nötig Zwischenlagerung an gedeckten Plätzen (möglichst nicht an den Bestandsrändern).
  • Pflege von Moorbeständen (nach Lehn 2012: 67 ff., SCHÖN 2000: 167) in Ried- und Moorlandschaften: Ähnlich wie bei der Pflege von Heidebeständen soll v. a. das Vordringen eines geschlossenen Gehölz-Bestandes verlangsamt werden. Auflichten von aufkommendem Bruchwald, Zurückdrängen des Baum-Bewuchses. Möglichst kleinflächig wechselnde Wiedervernässung (keine großflächige Aufstauung), Nutzung der Ried- und Feuchtwiesen durch Beweidung oder Streifenmahd (siehe Maßnahme 2), Aushagerung von ungedüngten Wiesen-Randstreifen in weniger feuchten, bewirtschafteten Teilflächen in der Randzone des Moores.
  • Anlage von Sichtschneisen in Aufforstungen: Raubwürger besiedeln auch Windwürfe, Schlagfluren (FISCHER & FAHL 2001, HÖLKER 1993, 2002) und junge Aufforstungen (SVOBODA 1995: 2, HÖLZINGER & SCHÖN 1987: 1197), sofern die nötigen Habitatparameter (Übersichtlichkeit, Sitzwarten, Nahrungshabitate) vorhanden sind. In der Maßnahme wird die Attraktivität vorhandener, junger Aufforstungen, bei denen die übrigen Habitatparameter erfüllt sind (Sitzwarten, ausreichend hohe und dichte Gehölze für die Nestanlage) durch die Anlage von Sichtschneisen zur Erhöhung der Übersichtlichkeit erhöht (bei der Pflanzung oder durch Rodungen). Die Maßnahme hat nur temporäre Wirkung (Aufforstungen verlieren mit zunehmendem Dichteschluss der Gehölze ihre Eignung) und soll für den Raubwürger nur angewandt werden, sofern in anderem Rahmen eine Aufforstung stattfindet. Mittel- bis langfristig sind Aufforstungen für den Raubwürger durch den Verlust von Nahrungshabitaten ungeeignete Flächen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Die oben beschriebenen Pflegevorschriften müssen je nach Aufkommen von Gehölzen wiederholt werden. Dabei kann eine Beweidung z. B. mit Ziegen einbezogen werden vgl. Maßnahme 2).
  • Störungsberuhigung in der Brutzeit (Ende März bis Mitte Juli), bei Betroffenheit von Ganzjahreslebensräumen mit Wintervorkommen auch darüber hinaus.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Bei Auflichtungen vorhandener Gehölzbestände kurzfristige Wirksamkeit innerhalb von bis zu 2 Jahren nach Durchführung der Pflegemaßnahme. Raubwürger sind in der Lage, sofort oder innerhalb weniger Jahre, z. B. Windwürfe zu besiedeln (GEIER et al. 1998: 347, KOWALSKI 1983, HÖLKER 2002: 174, 176, NEUSCHULZ 1991) oder auf die o. g. Pflegemaßnahmen zu reagieren (SCHÖN 2000: 185 ff.). Sie suchen dabei den Kontakt zu besetzten Revieren (SCHÖN 2000).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar.
  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt.
  • Die Maßnahmen werden vom Typ her in der Literatur oft empfohlen (z.B. BAUER et al. 2005, BIVER et al. 2008: 5, HÖLZINGER & SCHÖN 1987, HÖLKER 2002, LANUV 2014, LAUX 2015: 2, NLWKN 2011). Raubwürger sind in der Lage, sofort oder innerhalb weniger Jahre z. B. Windwürfe zu besiedeln (FISCHER & FAHL 2001, KOWALSKI 1983, HÖLKER 2002: 174, 176, NEUSCHULZ 1991). GEIER et al. (1998: 347) konnten einen Bestandsanstieg von 3-4 Paaren 1984-1988 mit Beginn von Fichtenräumung und Wiederaufnahme der Mahd von Grünlandbrachen ab 1988 auf 10-12 Paare in 1992 verzeichnen. Nach der Öffnung von Heideflächen durch Gehölzpflege konnte SCHÖN (2000: 185) eine Besiedlung einer Fläche, welche 15 Jahren nicht besiedelt wurde, feststellen. Auch in einem aufgelichteten Hecken- und Heidegebiet wurde in einem Raubwürgerrevier nach 11 Jahren erstmals wieder gebrütet (ebd).
  • Die Wirksamkeit wird wegen der Belege und der Plausibilität in Bezug auf die Artökologie als hoch eingeschätzt.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Ja
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit

hoch, als CEF-Maßnahme geeignet

2. Entwicklung von Extensivgrünland (O1.1)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Raubwürger benötigen für die Nahrungssuche kurzrasig bewachsene Flächen. In der Maßnahme werden günstige Nahrungshabitate geschaffen. Aufgrund der Größe des Aktionsraumes des Raubwürgers ist eine flächendeckendeNeuanlage / Optimierung von Nahrungshabitaten nicht möglich und sinnvoll. Die Lebensraumkapazität kann aber durchmehrere punktuelle, verteilt liegende Maßnahmenflächen, qualitativ erhöht werden.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden). Entfernung zu Gehöften, Ortschaften o. a. idealerweise > 300 m (ROTHHAUPT 1997: 76).
  • Unmittelbar angrenzend an oder inmitten von potenziellen Bruthabitaten.
  • Der Standort soll mehrere exponierte Bereiche und Sitzwarten enthalten (ggf. nach Strukturanreicherung, Maßnahme 3) und vom Relief her eine Übersichtlichkeit (ggf. nach Gehölzrodungen, Maßnahme 1) ermöglichen.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Paar: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung; als Orientierungswert werden für eine signifikante Verbesserung des Nahrungsangebotes pro Paar insgesamt mind. 2 ha Maßnahmenfläche im Aktionsraum empfohlen.
  • Kein Einsatz von Dünger und Pestiziden. Ausnahmen sind in Absprache mit der Naturschutzbehörde möglich.
  • Ziel ist eine strukturierte Vegetation mit hohem Anteil kurzrasiger Flächen, die dem Raubwürger eine Nahrungssuche ermöglichen.
  • Nach LAUX (2015: 3) ist Beweidung grundsätzlich der Vorzug vor einer Mahd zu geben.
  • Grünland (Beweidung): Beweidung idealerweise mit Schafen, Rindern, Pferden (Ziegen je nach Bedarf für Gehölzverbiss mitführen) in Hütehaltung und mit Pferchacker z.B. auf „wiedergeöffneten“ Flächen nach Gehölz- Auflichtung (siehe Maßnahme 1, nach SCHÖN 2000: 178, LAUX et al. 2014: 114). Während der Brutzeit ist eine möglichst geringe Besatzdichte zu gewährleisten (LAUX 2015: 3).
  • Grünland (Mahd): (Mehrfach)-Streifen-Mahd (LAUX 2015: 4, SCHÖN 2000: 179): Mahd idealerweise mit einem Balkenmäher, keine Mulchgeräte und Rotationsmäher. Das Grünland weist regelmäßig gemähte „Kurzgrasstreifen“ oder -flächen und höherwüchsige, nur alle 2-4 Jahre abschnittsweise gemähte „Altgrasstreifen“ oder -flächen auf. Die Form von Alt- und Kurzgrasstreifen richtet sich nach den lokalen Bedingungen (gerade oder geschwungene Streifen oder flächenartige Form). Wichtig ist ein hoher Grenzlinienanteil (BOSSHARD et al. 2007, MÜLLER & BOSSHARD 2010, Schweizer Vogelschutz SVS & BirdLife Schweiz 2010, SIERRO & ARLETTAZ 2007). Die Mindestbreite einzelner Streifen beträgt ca. 3 m. Die Vegetationshöhe der Kurzgrasstreifen liegt idealerweise bei < 10 cm (ROTHHAUPT 1997: 126) und soll 20 cm nicht überschreiten (HÖLKER 1993: 110; TRYJANOWSKI et al. 1999: 60). Um unerwünschte Veränderungen in der Artenzusammensetzung der Wiesen zu vermeiden, sollen die Altgrasstreifen frühestens nach 3-4 Jahren wieder an dieselbe Stelle zu liegen kommen. Das Mahdgut ist abzutransportieren. Mahd der Altgrasstreifen im Herbst nach der Brutzeit des Raubwürgers.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Pflege des Offenlandes durch Beweidung / Mahd wie oben angegeben.
  • Ggf. Entbuschungen im Winterhalbjahr (vgl. Maßnahme 1).
  • Störungsberuhigung (bis auf die Grünlandpflege) in der Brutzeit (Ende März bis Mitte Juli); bei Standvögeln auch darüber hinaus, bei Betroffenheit von Wintervorkommen nur im Winterhalbjahr.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Unter günstigen Bedingungen (Optimierung aktuell suboptimaler Habitate) Wirksamkeit innerhalb von bis zu 2 Jahren. Bei Neuanlage oder Notwendigkeit von Ausmagerungen nährstoffreicher Standorte innerhalb von bis zu 5 Jahren.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar.
  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt.
  • Der Maßnahmentyp wird in der Literatur von z.B. BAUER et al. (2005), BIVER et. al. (2008: 5), HÖLZINGER & SCHÖN (1987: 1202 f.), LANUV (2014), LAUX (2015: 2), NLWKN (2011), SCHÖN (2000: 178 ff.) empfohlen. GEIER et al. (1998: 347) konnten einen Bestandsanstieg von 3-4 Paaren 1984-1988 mit Beginn von Fichtenräumung und Wiederaufnahme der Mahd von Grünlandbrachen ab 1988 auf 10-12 Paare in 1992 verzeichnen. Die Bedeutung und Nutzung kurzrasiger, lückiger Bereiche wird in der Literatur oft hervorgehoben und ist durch entsprechende Beobachtungen belegt (z.B. KOWALSKI 1983, TRYJANOWSKI et al. 1999: 61, HÖLKER 1993: 104 ff.).
  • Die Wirksamkeit wird wegen der Belege und der Plausibilität in Bezug auf die Artökologie als hoch eingeschätzt.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Ja
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit

hoch, als CEF-Maßnahme geeignet

3. Entwicklung von Kleinstrukturen (Anlage von Gehölzen O3.1.2, Anlage von Gesteinsaufschüttungen / Lesesteinmauern O4.4.3 / O4.4.4)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

In der Maßnahme werden in ausgeräumten Gebieten Nahrungshabitate für den Raubwürger durch Anlage / Pflege von Kleinstrukturen optimiert. Die Maßnahme wird in Kombination mit flächigen Maßnahmen (s. Maßnahmen 1 und 2) durchgeführt.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden), Entfernung zu Gehöften, Ortschaften o. a. idealerweise > 300 m (ROTHHAUPT 1997: 76).
  • Der Standort soll mehrere exponierte Bereiche enthalten und vom Relief her eine Übersichtlichkeit (ggf. nach Gehölzrodungen) ermöglichen (keine engen Talschluchten).
  • Bis auf die Kleinstrukturen günstige Brut- und Nahrungshabitate vorhanden (oder in Kombination mit Maßnahme 1 oder 2 herstellen).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Paar: Es gibt keine begründeten Mengen- bzw. Größenangaben in der Literatur. Der Maßnahmenbedarf richtet sich nach der vorhandenen Grundausstattung der Maßnahmenfläche (Einzelfallbetrachtung).
  • Neuanlage von Einzel-Dornsträuchern oder Kleingehölzen: Bei einer Neupflanzung von Gehölzen sollen überwiegend einzeln stehende und niedrig bleibende Gehölze gepflanzt werden, z.B. Einzelbüsche inklusive Dornsträucher, Kleinhecken oder Einzel-Obstbäume (SCHÖN 2000: 177). Abstand der Gehölze idealerweise im Mittel 35-40 m; im Mittel 5-10 Sitzwarten / ha. Der Deckungsgrad von Gehölzen soll insgesamt < 15 % betragen (SCHÖN 1994: 261, 266 für Raubwürger der Schwäbischen Alb). Keine Anlage von geschlossenen Heckenzeilen.
  • Neuanlage / Pflege von (Lese-) Steinhaufen- oder -wällen (LAUX 2015: 3; Angaben nach SCHÖN 2000: 169 ff.).
  • o Grundfläche der Steinhaufen 2-5 m im Durchmesser, 1-2 m Höhe, 3-8 t Steine pro Haufen. Ggf. Verbindung der Steinhaufen durch niedrige Steinwälle von 1-2m Breite, 0,5-1,0 m Höhe und 10-30 m Länge. Verwendung von möglichst groben, bodenfreien Steinen bis Felsblockgröße aus der lokal anstehenden geologischen Schicht. Idealerweise Umrandung mit einer Sandlage, um das Zuwachsen
  • des Steinhaufens zu verlangsamen: Sandiges Material in einer Breite von ca. 0,5 – 2 m und einer Bodentiefe von 25-40 (50) cm um den Haufen verteilen und verdichten. Die Verwendung von „Steinsand“ (Brechsand), der Anteile von Gesteinsmehl enthält, erhöht die Haltbarkeit der Umrandung. Alternativ auch Abschieben des nährstoffreichen Oberbodens auf der für die Steinhaufen vorgesehenen Fläche.
  • o Nach Abschüttung von LKW ist in der Regel eine „Nachbesserung“ erforderlich: Verstreute Steine einsammeln, Bildung einer abgerundeten Form, Bildung einer „Haube“ aus größeren Steinen im oberen Haufenbereich, Schaffung von möglichst großen Hohlräumen nach der Oberfläche.
  • o Die Neuschaffung von Steinhaufen oder -wällen soll möglichst weit verteilt über die Maßnahmenfläche(n) erfolgen. Anlage von Steinwällen z.B. in Abständen von 30-100 m (SCHÖN 2000: 173).
  • Wiedervernässung sumpfiger / feuchter Bereiche (LAUX 2015: 3).
  • Unterbrechen / Umwandeln von befestigten Feldwegen mit Teer-Oberfläche (HÖLZINGER & SCHÖN 1987: 1203, SCHÖN 1994: 266, HÖLKER 2002, LAUX 2015: 3): Umwandlung in unbefestigten Feldweg (Schotterweg) oder in „Plattenweg“ mit unbefestigtem Boden zwischen den Fahrspuren. Einbeziehen von vorhandenen unbefestigten Feldwegen mit geringer Störungsintensität in die Maßnahme: Bei gering befahrenen Wegen, die im Laufe der Vegetationsperiode zuwachsen („Graswege“), werden die Fahrspuren o. a. Streifen offen / kurzrasig gehalten (vgl. Maßnahme 2).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Offenhalten der Kleinstrukturen: jährliche Kontrolle, ggf. Freischneiden ab August
  • Störungsberuhigung in der Brutzeit (Ende März bis Mitte Juli); bei Standvögeln auch darüber hinaus, bei Betroffenheit von Wintervorkommen nur im Winterhalbjahr.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Bei der Neuanlage von Gehölzen muss die Funktion beachtet werden, die das Gehölz haben soll (Sitzwarte, Ruheplatz, Nisthabitat). Sitzwarten mit bevorzugten Höhen von 3-10 m können durch die Verwendung hoher Pflanzqualitäten, von Pfählen o. a. kurzfristig hergestellt werden. Nistgehölze (hohe und dichte Büsche und Bäume) mit durchschnittlicher Nesthöhe in (1,4-) 7-9 m (BAUER et al. 2005 S. 47) können bei Verwendung hoher Pflanzqualitäten mittelfristig (innerhalb von bis zu 10 Jahren) hergestellt werden (fachgutachterliche Einschätzung). Eine Zwischenstellung nehmen Gebüsche mit Ruhefunktion und als Nahrungsdepot ein.
  • Die Strukturen zu den Steinhaufen sind unmittelbar nach der Pflegemaßnahme vorhanden. Bis zur Wirksamkeit (Besiedlung durch Insekten, Reptilien u. a. Beutetiere) wird ein Zeitraum von bis zu 2 Jahren veranschlagt (fachgutachterliche Einschätzung).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die benötigten Strukturen sind kurz- bis mittelfristig entwickelbar.
  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt.
  • Die Maßnahmen werden in der Literatur z.B. von BAUER et al. (2005: 45), BIVER et al. (2008: 5), HÖLZINGER & SCHÖN (1987: 1203), LAUX et al. (2014: 110 f.), SCHÖN (1994: 266), SCHÖN (2000: 169 ff.), HÖLKER (2002) vorgeschlagen. Wissenschaftlich dokumentierte Nachkontrollen liegen nicht vor, jedoch auch keine widersprechenden Hinweise hinsichtlich der Wirksamkeit als artspezifische Maßnahme. Von der Artökologie erscheint es aber plausibel, dass die Maßnahme als Ergänzung zu anderen Habitatverbesserungen (Maßnahme 1 oder 2) zur Optimierung von Raubwürgerlebensräumen beitragen kann. Daher ist eine Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme grundsätzlich gegeben.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Ja
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig, mittelfristig
  • Belege / Plausibilität: mittel

Fazit

hoch, als flankierende CEF-Maßnahme geeignet (Maßnahme nur in Kombination mit Maßnahme 1 oder 2, bei Gehölzen mit Funktion als Brutplatz mittelfristige Wirksamkeit beachten)

4. Fazit

Für den Raubwürger stehen je nach Ausgangsbeständen kurzfristig wirksame Maßnahmentypen wie Entwicklung von Bruthabitaten und Nahrungshabitaten zur Verfügung. Der Raubwürger ist jedoch eine sehr seltene Brutvogelart in NRW. CEF-Maßnahmen für den Raubwürger bedürfen daher einer Einzelfallentscheidung und der Absprache mit der Naturschutzbehörde sowie Artexperten.