Mittelspecht (Dendrocopos medius (Linnaeus, 1758))
(Syn.: Picoides medius)
EU-Code: A238
Artenschutzmaßnahmen
- Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht (W1.1) / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen (W1.4) / Förderung von stehendem Totholz (W5.2, W5.3)
- Förderung von rauhborkigen Baumarten (W7)
- Auflichtung dichter Bestände (W2.1)
- Anlage von Höhleninitialen (Av3.4)
- Anbringen von künstlichen Baumhöhlen (Av3.2 / Nisthilfen (Av1.1)
- Fazit
Maßnahmen im Einzelnen
1. Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht (W1.1) / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen (W1.4) / Förderung von stehendem Totholz (W5.2, W5.3)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Der Mittelspecht ist auf das Vorhandensein rauborkiger Bäume für die Nahrungssuche und weichholziger Stellen für die Anlage seiner Höhlen angewiesen (z. B. auch abgestorbene Seitenäste und stehendes Totholz). Durch Erhalt von aktuell geeigneten Beständen und anschließende Pflege wird das Habitatangebot für den Mittelspecht dauerhaft gesichert und entwickelt. Der Totholzreichtum kann je nach Ausgangsbestand und Erfordernis z. B. durch Ringeln oder Belassen von Hochstümpfen bei Durchforstungen erhöht werden.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
- Im Umfeld bestehender Mittelspechtreviere (s. o.)
- Bestände mit aktuell hohem Habitatpotenzial für den Mittelspecht (Totholzanteil kann ggf. im Rahmen der Maßnahme erhöht werden).
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Brutpaar: Der Flächenbedarf pro Brutpaar ist in Anpassung an die lokalen Reviergrößen / die vorhandene Habitatqualität festzulegen. Die Flächenansprüche pro Brutpaar liegen, in Abhängigkeit der Habitatqualität, in günstigen Gebieten zwischen 5–10 ha, ansonsten bis zu 25 ha (PASINELLI et al. 2008, S. 17). Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung.
- Erhalt und Pflege des aktuell bestehenden Habitatpotenzials (z. B. vor forstwirtschaftlicher Ernte):
- In Tabelle 4 aus PASINELLI et al. (2008) sind „waldbauliche Massnahmen zur Erhaltung und Förderung von Eichenwald“ dargestellt, die als grundsätzliche Orientierung für Pflegemaßnahmen herangezogen werden können.
- Bei Erhöhung des Erntealters (W 1.4) ist zu gewährleisten, dass zum Zeitpunkt der Ernte inzwischen andere Gehölze geeignete Strukturen ausgebildet haben. Solange Eichen bzw. andere rauborkige Bäume > 35 cm BHD unter ca. 10 Bäume / ha sind, dürfen bestehende rauborkige Altbäume nicht eingeschlagen werden.
- Möglichst Einzelstammentnahme, beim Schirmschlag ist darauf zu achten, dass > 10- 20 Alteichen / ha als Überhälter übrig bleiben (oder entsprechende andere rauborkige Laubbäume). Weitere grundsätzlich geeignete Bewirtschaftungsmethoden sind Femelschlag und Saumfemelschlag (MICHALEK et al. 2001).
- Je nach Ausgangsbestand und Erfordernis: Maßnahmen zur Erhöhung von stehendem Totholz (Laubholz). Die Laubbäume sollen idealerweise weichholzige Arten sein (z. B. Birke, Pappel), da für diese Arten eine schnellere Zersetzung bzw. ein schnellerer Besatz mit Nahrungstieren des Mittelspechts anzunehmen ist. Der Schwerpunkt soll auf der Gestaltung von stehendem Totholz mit mind. mittlerem Brusthöhendurchmesser (35 cm) liegen.
- Belassen von abgestorbenen Bäumen bei Durchforstungen
- Belassen von abgestorbenen Seitenästen bei Durchforstungen
- Ringeln des Stamms
- Belassen von mind. 2 m hohen „Hochstümpfen“ bei Durchforstungen.
- Die Maßnahmen sind eindeutig und individuell zu markieren (aus der Nutzung genommene Bäume).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Sicherstellung / Förderung einer ausreichenden Naturverjüngung von Laubbaumarten mit rauer Borke (je nach Alter z. B. Eiche, Erle, Esche, Weiden, Pappel, Linde, Ahorn), so dass ein kontinuierliches Angebot gewährleistet ist.
- Bei Erhöhung des Erntealters: Bei der Ernte muss gewährleistet sein, dass inzwischen andere Gehölze geeignete Strukturen ausgebildet haben. Solange geeignete Altbäume ein limitierender Faktor sind, dürfen bestehende Altbäume nicht eingeschlagen werden.
- Maßnahmen sind nicht notwendig, wenn durch die natürliche Entwicklung ein kontinuierliches Angebot geeigneter Strukturen gewährleistet ist.
Weitere zu beachtende Faktoren
- Das Wissen über die Ansprüche des Mittelspechts ist in den letzten 20 Jahren stark angestiegen. V. a. aus der Schweiz liegen detaillierte Untersuchungen bezüglich Eichenwälder vor (z. B. von BÜHLMANN und PASINELLI), weiterhin zu Erlenbeständen (WEISS 2003) und sehr alten Buchen (HERTEL 2003). Die angegebenen Werte z. B. zur Zahl von Alteichen / ha sind dabei nicht immer identisch, was mit den auch lokal verschiedenen Bedingungen (durchschnittliches oder optimales Habitat, Anteil der Eiche, klimatische Bedingungen) sowie methodischen Unterschieden zusammenhängen kann (MICHALEK et al. 2001). Möglicherweise ist der Mittelspecht flexibler als früher angenommen: Es gibt inzwischen mehrere Hinweise auf Vorkommen an schnellwachsenden Laubbaumarten mit rauer Borke (Weiden, Schwarz- und Hybrid-Pappel: FOLZ 2008, KREUZIGER 1999, HOHFELD 2003, WICHMANN & FRANK 2003). Andererseits fanden ZERNING & MÄDLOW (2006) keine Besiedlung von Erlenbeständen in der Nähe zu Eichenbeständen.
- Was in der ornithologischen Literatur als Mittelwald bezeichnet wird, sind fast ausschließlich zu Hochwäldern durchgewachsene ehemalige Mittelwälder. Mit diesen hatten die in Bewirtschaftung befindlichen Mittelwälder wenig gemein (GATTER & MATTHS 2008). Eine Wiedereinführung von Nieder- und Mittelwaldbetrieb i. e. S. ist aus Gründen des Mittelspechtschutzes nicht erforderlich und auch nicht empfehlenswert, weil beide Betriebsformen zu einer starken Absenkung des Holzvorrats auf der Fläche führen, hohen Energieeinsatz durch ständiges Eingreifen bedingen und so auch aus Klimaschutzgründen abzulehnen sind (KLAUS & WIESNER 2010, MICHALEK et al. 2001).
- Konflikte, die dem Zielzustand u. a. durch mögliche Wegesicherungspflichten entgegenstehen, sind im Vorfeld zu prüfen und bei der Flächenauswahl zu berücksichtigen. Ggf. ist eine Änderung / Aufgabe des Wegenetzes erforderlich, um Waldbereiche flächig aus der Nutzung zu nehmen und aus der erhöhten Sicherungspflicht zu entlassen.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters: kurz- bis mittelfristige Wirksamkeit.
- Förderung Totholz: Das Belassen von abgestorbenen Seitenästen bei Durchforstungen ist kurzfristig innerhalb von bis zu 5 Jahren wirksam, die übrigen Maßnahmen bei einem hohen Anteil von Weichhölzern innerhalb von bis zu 10 Jahren. Andernfalls besteht aufgrund der mittelfristigen Wirksamkeit (> 10 Jahre) lediglich eine Eignung als FCS-Maßnahme.
Aspekte der Prognosesicherheit
- Erhalt von Alt- und Totholz: Die benötigten Strukturen stehen kurzfristig bereit. Die für den Maßnahmentyp relevanten Ansprüche der Art sind gut bekannt. Der Erhalt von bestehenden (großflächigen) Vorkommen wird in der Literatur häufig vorgeschlagen (BAUER et al. 2005, BLUME & TIEFENBACH 1997, NLWKN 2010, WERNER & STÜBING 2011 S. 318, WICHMANN & FRANK 2003). Wissenschaftliche Nachweise liegen nicht vor, jedoch auch keine widersprechenden Hinweise. Die Maßnahme ist von der Artökologie her plausibel. Daher ist eine Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme grundsätzlich gegeben. Der Nutzungsverzicht / die Erhöhung des Erntealters ist im Regelfall zusammen mit der Totholzförderung durchzuführen.
- Förderung Totholz: Die benötigten Strukturen stehen kurz- bis mittelfristig bereit. Wissenschaftlich dokumentierte Nachkontrollen liegen nicht vor. Die Maßnahme wird vom Typ her in der Literatur für den Mittelspecht z. B. von BAUER et al. (2005 S. 792) genannt. Die Maßnahme ist grundsätzlich plausibel. Aufgrund von noch bestehenden Kenntnisdefiziten insbesondere zur Zeitdauer der Zersetzung nach Durchführung der Maßnahme (in Abhängigkeit von Baumart, Dicke, Standort) ist für die Maßnahme ein Monitoring durchzuführen (Kontrolle auf Fortschritt der Zersetzung).
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme im Einzelfall klären)
2. Förderung von rauhborkigen Baumarten (W7)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Der Mittelspecht ist auf das Vorhandensein rauhborkiger Bäume für die Nahrungssuche und weichholziger Stellen für die Anlage seiner Höhlen angewiesen. Zur Verbesserung des Habitatangebotes werden Bestände, die aktuell aufgrund ihres Alters noch keine Habitateignung für den Mittelspecht aufweisen, mit geeigneten Baumarten gefördert.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Siehe Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz
- Vorherrschend jüngere Bestände. Bei langsam wachsenden Baumarten (Buche, Eiche) keine Neuanpflanzungen, Dickungen und Stangenholz aufgrund des sehr langen Zeitraumes bis zur Wirksamkeit (50-100 Jahre).
- Mittelfristig ist aufgrund der klimatischen und bodenkundlichen Verhältnisse eine Entwicklung zu günstigen Strukturen (rauborkige Baumarten) zu erwarten (d. h. keine Extremstandorte wie steile Hanglage mit Nordexposition und sehr flachgründigem Boden). Förderung der Eiche vorzugsweise auf Standorten, wo diese zur heutigen potenziell natürlichen Vegetation (hpnV) gehört.
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Brutpaar: Siehe Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz, jedoch jüngere Bestände.
- Erhöhung des Erntealters, bis die Baumarten eine deutliche, raue Borke ausgebildet haben (bei Eiche > 120 Jahre, Buche > 250 Jahre: BAUER et al. 2005, WICHMANN & FRANK 2005).
- Stehen lassen / Förderung von Bäumen ab schwachem Baumholz mit weichen, zur Höhlenanlage geeigneten Stellen (v.a. Bäume mit Anzeichen von Kernfäule).
- Förderung der Verjüngung geeigneter Baumarten (insbesondere Eiche und Erle, aber auch rauborkiger, schnellwachsender Arten wie Weiden).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Siehe Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz
Weitere zu beachtende Faktoren
- Siehe Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Selbst unter Heranziehung schnellwachsender Laubbaumarten wird eine signifikante Wirksamkeit je nach Ausgangsalter des Bestandes frühestens ab 10 Jahren erwartet, meistens liegt die Zeitspanne deutlich darüber (langfristige Wirksamkeit).
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen sind mittel-bis langfristig entwickelbar. Zahlreiche neuere Untersuchungen weisen neben der Eiche auch auf die Bedeutung anderer rauhborkiger Baumarten hin (siehe oben).
- Die Maßnahme wird in der Literatur häufig genannt (BAUER et al. 2005, BLUME & TIEFENBACH 1997, MIRANDA et al. 2006, NLWKN 2010, PASINELLI et al. 2008), wissenschaftlich dokumentierte Nachkontrollen liegen jedoch nicht vor. Die Plausibilität der Wirksamkeit wird im Analogieschluss als hoch eingeschätzt. Aufgrund der erst langfristigen Wirksamkeit besteht jedoch nur im Einzelfall eine Eignung und allenfalls als FCS-Maßnahme mit einem Monitoring.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: langfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch (FCS)
3. Auflichtung dichter Bestände (W2.1)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Neben dem Totholzanteil und der Borkenrauhigkeit entscheidet insbesondere die Besonnung des Wuchsortes über Diversität und Dichte der die Oberflächen bewohnenden Insekten. Dementsprechend werden aufgelockerte, mittelwald- und parkähnliche Waldbestände vielfach als Optimalhabitat für den Mittelspecht beschrieben. Durch Auflichtungen von aktuell bis in die Baumkronen dichten Beständen wird die Besonnung in den Baumkronen erhöht, so dass hier mit einem erhöhten Insektenaufkommen und somit auch mit einem verbesserten Nahrungsangebot für den Mittelspecht zu rechnen ist.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Siehe Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz
- Entsprechend des Vorkommens rauborkiger Altbäume ist grundsätzlich ein Vorkommen von Mittelspechten zu erwarten, die Bestände sind jedoch zugewachsen oder hochgewachsen (z. B. dichtes Aufwachsen von Buchenunterstand in den Kronenraum älterer Eichen).
Anforderungen an Qualität und Menge
- Siehe Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Siehe Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz
Weitere zu beachtende Faktoren
- Beachtung von Vorkommen von Fledermäusen, v. a der Bechsteinfledermaus, die gern thermisch günstige, geschlossenere Eichenbestände mit dichtem Unterwuchs nutzen.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Innerhalb von bis zu 5 Jahren nach Auflichtung (Besiedlung von Arthropoden in den freigestellten Bäumen).
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen (Auflichtung) können kurzfristig hergestellt werden. Neben dem Totholzanteil und der Borkenrauigkeit entscheidet insbesondere die Besonnung des Wuchsortes über Diversität und Dichte der die Oberflächen bewohnenden Insekten (z. B. FREI 2006).
- Andererseits fanden WICHMANN & FRANK (2003, 2005) im Wiener Wald keine Bevorzugung lichter Bestände. Der Lebensraum der Mittelspechte unterschied sich weder hinsichtlich Waldbestandsdichte noch Kronenschlussgrad signifikant von den Kontrollpunkten. Entsprechend den Ergebnissen dieser Studie profitiere der Mittelspecht nicht von forstlichen Maßnahmen wie Auflichtungen oder Durchforstungen von Altholzbeständen. Möglicherweise hing die fehlende Bevorzugung wärmegeprägter Bereiche auch durch die geographische Lage (Wien: pannonisch geprägter Klimaraum) zusammen. Offensichtlich entsprechen dadurch auch Standorte mit geringerer Einstrahlung den Habitatansprüchen des Mittelspechtes, wie z. B. bachbegleitende Gehölzreihen in kühleren Grabensituationen (WICHMANN & FRANK 2005, S. 29). Auch MÜLLER (2004, Bayern) berichtet, dass Mittelspechte zur Brutzeit eher die dichten, alteichenreichen Flächen bevorzugten. Das Arthropodenangebot (Holzkäfer und Ameisen) war in freistehenden Eichen vergleichbar mit dem von „eingewachsenen“ Alteichen der dichten Bestände. PASINELLI et al. (2008 S. 63) vergeben für den entsprechenden Maßnahmentyp („lichter Wald“) die Einstufung „mit Einschränkung geeignet“ (bezieht sich v. a. auf den Erhalt von Eichen bei der Auflichtung).
- Aufgrund verbleibender Prognoseunsicherheiten besteht nach Bewertung im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen 7.11.2011) nur eine mittlere Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: mittel
Fazit Eignung: mittel
4. Anlage von Höhleninitialen (Av3.4)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Der Mittelspecht bevorzugt zur Anlage seiner Höhlen weichholzige, morsche Stellen in Bäumen. In der Maßnahme werden bei Mangel an potenziellen Höhlenbäumen gezielt weichholzige Stellen („Höhleninitialen“) angelegt durch Verletzung des Baumes oder Impfung mit holzzersetzenden Pilzen in schon vorgeschädigten Bäumen. Gesunde Bäume dagegen überwallen Stammverletzungen oft schnell.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Siehe Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz
- Laubbaumarten ab mindestens schwachem Baumholz (BHD > 21 cm, besser > 35 cm).
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Paar: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung sowohl in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht ausgleichen. Als Orientierungswert wird pro Paar die Anlage von mind. 20 Höhleninitiale empfohlen.
- Anlage von Höhleninitialen durch gezielte Verletzung von aus der Nutzung zu nehmenden Bäumen (z. B. Fräsen, Bohren von Höhleninitialen, Impfung mit holzzersetzenden Pilzen). Anlage der Höhleninitialen in grundsätzlich geeigneten Bäumen (BHD mind. > 21 cm, besser > 35 cm). Der Mittelspecht legt seine Höhlen meist in Höhen von 5-10 m an (BAUER et al. 2005, S. 775, PASINELLI 2007), dieser Bereich wird auch für die Anlage der Höhleninitiale empfohlen.
- Die Maßnahmen sind eindeutig und individuell zu markieren (aus der Nutzung genommenen Bäume).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Die Höhleninitiale müssen (bis natürlicherweise weichholzige Stellen entstehen) immer wieder neu angelegt werden, da Mittelspechte oft (auch) jedes Jahr eine neue Höhle bauen und fertige Höhlen in weichholzigem, moderndem Holz nicht lange halten (PASINELLI 2007).
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Kurz- bis mittelfristige Wirksamkeit: BRANDEIS et al. (2002) untersuchten an Douglasien in Oregon verschiedene Methoden zur Förderung von Totholz, darunter auch das „Impfen“ mit holzzersetzenden Pilzen (weiterhin: Abschneiden der Krone, Ringeln, Verwendung von Silviziden). Die Douglasien starben je nach Methode 1-3 Jahre nach Anwendung ab. Zwischen den Methoden gab es 4 Jahre nach Behandlung keine erkennbaren Unterschiede auf die Spechtaktivität (Dryocopus pileatus und Picoides villosus), wesentlicher Faktor für die Nutzung der Spechte war die Zeit, die der Baum bereits abgestorben war. Abschneiden der Krone und Ringeln führten zu erhöhter Nahrungssuche für beide Spechtarten. Brutnachweise gelangen nicht, jedoch waren erste Höhleninitiale erkennbar.
- Ausgehend von diesen Ergebnissen wird im günstigen Fall eine Wirksamkeit von bis zu 10 Jahren veranschlagt (Weichhölzer mit kürzerer Zeitspanne als Harthölzer).
Aspekte der Prognosesicherheit
- Wesentlich für den Maßnahmenerfolg ist die fachliche Begleitung bei Planung und Durchführung durch Art-Experten.
- Die benötigten Strukturen stehen kurz- bis mittelfristig bereit. Die für den Maßnahmentyp relevanten Ansprüche der Art sind gut bekannt.
- Der Maßnahmentyp wird in der Literatur für den Mittelspecht nicht genannt. Die Plausibilität der Wirksamkeit wird aufgrund der Artökologie als grundsätzlich hoch eingeschätzt. Jedoch bestehen Prognoseunsicherheiten bezüglich einer kurzfristigen Wirksamkeit innerhalb von 10 Jahren sowie der Erfolgswahrscheinlichkeit (keine wissenschaftlichen Belege) insbesondere bei Baumarten mit härterem Holz. Weiterhin liegen bisher keine Erfahrungen in Mitteleuropa mit dem Maßnahmentyp vor. (Das Angebot von Styropor-Stümpfen in Texas wurde von der Spechtart Picoides pubescens zur Anlage von Schlafhöhlen, nicht jedoch von Bruthöhlen genutzt (CONNER & SAENZ 1996). RUNGE et al. (2010) bewerten die Erfolgswahrscheinlichkeit als derzeit gering. Auch nach Bewertung im Expertenworkshop (07.11.2011, LANUV Recklinghausen) besteht lediglich eine geringe Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme. Die Maßnahme ist nicht eigenständig.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: mittel
Fazit Eignung: gering
5. Anbringen von künstlichen Baumhöhlen (Av3.2 / Nisthilfen (Av1.1)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Mittelspechte brüten in Baumhöhlen. In der Maßnahme werden in ansonsten geeigneten Baumbeständen a) Baumhöhlen in abwärts gerichteter Bohrung gefräst oder b) Nistkästen angebracht.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Siehe Maßnahmen zur Optimierung / Schaffung geeigneter Habitate: Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz
- Grundsätzlich für den Mittelspecht geeignete Baumbestände
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Paar: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung sowohl in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht ausgleichen. Als Orientierungswert wird empfohlen, pro Paar mind. 3 Höhlen zu fräsen (Bäume aus der Nutzung zu nehmen) / Kästen anzubringen (mind. 1 Bruthöhle und 2 Schlafhöhlen).
- Die Nisthöhle ist ca. 20-30 cm tief, Schlupflochdurchmesser ca. 32-45 mm und wird in einer Höhle von 5-10 m angelegt (GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1994, S. 1169).
- Die Maßnahmen sind eindeutig und individuell zu markieren (aus der Nutzung genommenen Bäume / Bäume, an denen Kästen angebracht werden).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Die Kästen sind mindestens jährlich auf Funktionsfähigkeit zu überprüfen außerhalb der Brutzeit. In diesem Rahmen erfolgt auch eine Reinigung (Entfernen von Vogel- und anderen alten Nestern).
- Baumhöhlen sollen alle 3-5 Jahre neu angelegt werden, da sonst die Höhle aufgrund des Baumwachstums unbrauchbar wird, v. a. in Weichholz.
Weitere zu beachtende Faktoren
- Die künstlichen Baumhöhlen / Nistkästen können auch von anderen Arten bezogen werden (Konkurrenzsituation beachten, ggf. Anzahl der Höhlen erhöhen).
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Sofort bzw. innerhalb der nächsten Brutperiode. Um den Spechten eine Raumerkundung und Eingewöhnungszeit zu ermöglichen, sollen die Kästen mit einer Vorlaufzeit von > 1 Jahr aufgehängt werden.
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen stehen kurzfristig bereit. Die für den Maßnahmentyp relevanten Ansprüche der Art sind grundsätzlich gut bekannt (Höhlenmaße).
- Die Maßnahmen werden in der Literatur für den Mittelspecht nicht genannt. Nach PASINELLI (2007) werden in den USA für den Kokardenspecht Picoides borealis erfolgreich künstliche Höhlen eingesetzt. Im Gegensatz zum Mittelspecht benutzt diese Art ihre Höhlen jedoch für mehrere Jahre, was beim Mittelspecht seltener auftritt (PASINELLI 2007, ggf. Zusammenhang mit der geringen Haltbarkeit wegen Anlage im Weichholz). Das Anlegen von Höhlen gehört zum natürlichen Verhaltensrepertoire des Mittelspechts, Höhlen anderer Arten werden eher selten bezogen. Selbst bei grundsätzlicher Annahme von künstlichen Baumhöhlen wäre daher wahrscheinlich nur eine temporäre Wirksamkeit gegeben (PASINELLI 2007). Nachweise von Mittelspechten in Nistkästen können als Ausnahme gelten (Nutzung als Schlafhöhle, ZÖLLINGER 1993 in GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1994, S. 1070). Im Hambacher Forst (NRW) wurden abgesägte Abschnitte von Höhlenbäumen aufgestellt (Foto in DENZ 1999), Ergebnisse von Nachkontrollen liegen jedoch nicht vor.
- Nach Bewertung im Expertenworkshop (07.11.2011, LANUV Recklinghausen) weist der Maßnahmentyp keine Eignung für den Mittelspecht auf.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: gering
Fazit Eignung: keine
6. Fazit
Für den Mittelspecht liegen mit Ausnahme des Erhaltes / der Pflege aktuell geeigneter Bestände keine kurzfristig wirksamen Maßnahmen vor. Mittel- bis langfristig sind als FCS-Maßnahme die Förderung rauhborkiger Bäume geeignet. Andere Maßnahmentypen sind mit Unsicherheiten behaftet.