Grauspecht (Picus canus Gm.,1788)
EU-Code: A234
Artenschutzmaßnahmen
- Nutzungsverzicht (W1.1) / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen (W1.4) / Förderung von stehendem Totholz (W5.2, W5.3)
- Anlage von Höhleninitialen (Av3.4)
- Anbringen von künstlichen Nisthilfen (Av1.1), Fräsen von Baumhöhlen (Av3.2)
- Entwicklung von Nahrungshabitaten: Extensivgrünland (O1.1)
- Strukturierung von Waldbeständen (W2)
- Fazit
Maßnahmen im Einzelnen
1. Nutzungsverzicht (W1.1) / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen (W1.4) / Förderung von stehendem Totholz (W5.2, W5.3)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Der Grauspecht bevorzugt parkartige oder lichte Laub- und Mischwälder mit alten, hohen Laubbäumen. Durch Erhalt von aktuell geeigneten Beständen und anschließende Pflege wird das Habitatangebot für den Grauspecht dauerhaft gesichert. Aufgrund der Größe des Aktionsraumes des Grauspechtes auch zur Brutzeit (ca. 100 ha, BAUER et al. 2005 S. 774) ist eine flächendeckende Optimierung von Lebensstätten in der Regel nicht möglich. Die Lebensraumkapazität kann aber durch mehrere punktuelle, verteilt liegende Maßnahmenflächen, qualitativ erhöht werden.Totholz spielt für die Nahrungssuche des Grauspechts eine besondere Rolle. Daher wird in der Maßnahme auch der Totholzreichtum in der Fläche erhöht z. B. durch Erhalt von Totbäumen, Ringeln oder Belassen von Hochstümpfen bei Durchforstungen.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
- Bestände mit Habitatpotenzial für den Grauspecht
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Brutpaar: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Plausibel erscheinen folgende Orientierungswerte: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung; als Faustwert werden für eine signifikante Verbesserung des Bruthabitatangebotes pro Paar insgesamt mind. 2 ha Maßnahmenfläche im Aktionsraum empfohlen.
- Die Maßnahme kann umgesetzt werden über einen Nutzungsverzicht (flächenhaft / als Baumgruppe / einzelbaumbezogen) oder die Erhöhung der Umtriebszeit (flächenhaft / als Baumgruppe / einzelbaumbezogen).
- Maßnahmen zur Erhöhung von stehendem Totholz: Der Schwerpunkt soll auf der Gestaltung von stehendem Totholz mit mind. mittlerem Brusthöhendurchmesser (35 cm) liegen.
- Belassen von abgestorbenen Bäumen bei Durchforstungen
- Belassen von mind. 2 m hohen „Hochstümpfen“ bei Durchforstungen
- Ringeln des Stamms
- Die Maßnahmen sind eindeutig und individuell zu markieren (aus der Nutzung genommene Bäume).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Bei Erhöhung des Erntealters: Bei der Ernte muss gewährleistet sein, dass inzwischen andere Gehölze geeignete Strukturen ausgebildet haben. Solange geeignete Altbäume ein limitierender Faktor sind, dürfen bestehende Altbäume nicht eingeschlagen werden.
- Für den Grauspecht bzw. die Ameisen als wesentliche Nahrungstiere, ist ein ausreichend lichter Untergrund relevant (siehe Strukturierung von Waldbeständen). Pflegemaßnahmen sollen daher darauf ausgerichtet sein, eine flächendeckende Beschattung des Untergrundes z. B. durch starke Verjüngung, zu verhindern.
Weitere zu beachtende Faktoren
- Konflikte, die dem Zielzustand u. a. durch mögliche Wegesicherungspflichten entgegenstehen, sind im Vorfeld zu prüfen und bei der Flächenauswahl zu berücksichtigen. Ggf. ist eine Änderung / Aufgabe des Wegenetzes erforderlich, um Waldbereiche flächig aus der Nutzung zu nehmen und aus der erhöhten Sicherungspflicht zu entlassen.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters: kurz- bis mittelfristige Wirksamkeit.
- Förderung Totholz: Bei einem Ausgangsbestand mit hohem Anteil an Weichhölzern besteht eine Wirkdauer innerhalb von bis zu 5 Jahren, ansonsten von bis zu 10 Jahren.
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen stehen kurz- bis mittelfristig bereit. Wissenschaftlich dokumentierte Nachkontrollen liegen nicht vor und sind beim Grauspecht wegen seines großen Aktionsraumes auch nur mit hohem Aufwand (Telemetrie) zu erbringen. Weiterhin bestehen über die konkreten Rückgangsursachen des Grauspechts Unklarheiten (s. o.). Der Erhalt von Altholzbeständen wird z. B. von BAUER et al. (2005) und NLWKN (2009) vorgeschlagen. Daher besteht grundsätzlich eine hohe Eignung der Maßnahme. Der Nutzungsverzicht / die Erhöhung des Erntealters ist im Regelfall zusammen mit der Totholzförderung durchzuführen.
- Förderung Totholz: Die benötigten Strukturen stehen kurz- bis mittelfristig bereit. Wissenschaftlich dokumentierte Nachkontrollen liegen nicht vor und sind mit derzeitigen Methoden nur begrenzt und mit hohem Aufwand (Telemetrie) nachweisbar, da Grauspechte große Aktionsräume haben. Die Maßnahme wird vom Typ her (Förderung / Erhalt Totholz) in der Literatur (z. B. BAUER et al. 2005 S. 77, NLWKN 2009 S. 9) genannt. Die Maßnahme ist grundsätzlich plausibel. Aufgrund von noch bestehenden Kenntnisdefiziten insbesondere zur Zeitdauer der Zersetzung nach Durchführung der Maßnahme (in Abhängigkeit von Baumart, Dicke, Standort) ist für die Maßnahme ein Monitoring durchzuführen (Kontrolle auf Fortschritt der Zersetzung).
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: mittel
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme im Einzelfall klären)
2. Anlage von Höhleninitialen (Av3.4)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Der Grauspecht bevorzugt zur Anlage seiner Höhlen weichholzige, morsche Stellen in lebenden Bäumen (BAUER et al. 2005). In der Maßnahme werden bei Mangel an Brutmöglichkeiten werden gezielt weichholzige Stellen („Höhleninitialen“) angelegt durch Verletzung des Baumes oder Impfung mit holzzersetzenden Pilzen in schon vorgeschädigten Bäumen. Gesunde Bäume überwallen Stammverletzungen oft schnell.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Siehe Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz.
- Grundsätzlich geeignete Waldbestände, jedoch Mangel an Höhlenbäumen
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Paar: mind. 20 Höhleninitiale, je nach lokaler Betroffenheit auch mehr.
- Anlage von Höhleninitialen durch gezielte Verletzung von aus der Nutzung zu nehmenden Bäumen (z. B. Fräsen, Bohren von Höhleninitialen, Impfung mit holzzersetzenden Pilzen), der kernfaule Bereiche aufweist (z.B. unter abgebrochenen Ästen). Anlage der Höhleninitialen in Laubbäumen mit mindestens mittlerem Baumholz. Der Grauspecht legt seine Höhlen meist in Höhen von 1,5-8 m an (BAUER et al. 2005, S. 775). Als Mindesthöhe für die Höhleninitialen werden 3 m empfohlen.
- Die Maßnahmen sind eindeutig und individuell zu markieren (aus der Nutzung genommenen Bäume).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Die Höhleninitiale müssen (bis natürlicherweise weichholzige Stellen entstehen) so lange bereit stehen und ggf. erneuert werden, bis natürlicherweise weichholzige Stellen im vorhandenen Baumbestand entstanden sind.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Kurz- bis mittelfristige Wirksamkeit: BRANDEIS et al. (2002) untersuchten an Douglasien in Oregon verschiedene Methoden zur Förderung von Totholz, darunter auch das „Impfen“ mit holzzersetzenden Pilzen (weiterhin: Abschneiden der Krone, Ringeln, Verwendung von Silviziden). Die Douglasien starben je nach Methode 1-3 Jahre nach Anwendung ab. Zwischen den Methoden gab es bis 4 Jahre nach Behandlung keine erkennbaren Unterschiede auf die Spechtaktivität (Dryocopus pileatus und Picoides villosus), wesentlicher Faktor für die Nutzung der Spechte war die Zeit, die der Baum bereits abgestorben war. Abschneiden der Krone und Ringeln führten zu erhöhter Nahrungssuche für beide Spechtarten. Brutnachweise gelangen nicht, jedoch waren erste Höhleninitiale erkennbar.
- Ausgehend von diesen Ergebnissen wird im günstigen Fall eine Entwicklungsdauer bis zur Wirksamkeit von bis zu 10 Jahren veranschlagt (Weichhölzer mit kürzerer Zeitspanne als Harthölzer).
Aspekte der Prognosesicherheit
- Wesentlich für den Maßnahmenerfolg ist die fachliche Begleitung bei Planung und Durchführung durch Art-Experten.
- Die benötigten Strukturen stehen kurz- bis mittelfristig bereit. Die für den Maßnahmentyp relevanten Ansprüche der Art sind gut bekannt.
- Der Maßnahmentyp wird in der Literatur für den Grauspecht nicht genannt. Die Plausibilität der Wirksamkeit wird von der Artökologie als grundsätzlich hoch eingeschätzt. Jedoch bestehen Prognoseunsicherheiten bezüglich einer kurzfristigen Wirksamkeit innerhalb von 10 Jahren sowie der Erfolgswahrscheinlichkeit (keine wissenschaftlichen Belege) insbesondere bei Baumarten mit härterem Holz. Weiterhin liegen bisher keine Erfahrungen in Mitteleuropa mit dem Maßnahmentyp vor. Das Angebot von Styropor-Stümpfen in Texas wurde von Picoides pubescens zur Anlage von Schlafhöhlen, nicht jedoch von Bruthöhlen genutzt (CONNER & SAENZ 1996).
- Nach Bewertung im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen, 7.11.2011) besteht lediglich eine geringe Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme. Die Maßnahme ist nicht eigenständig.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: mittel
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: mittel
Fazit Eignung: gering
3. Anbringen von künstlichen Nisthilfen (Av1.1), Fräsen von Baumhöhlen (Av3.2)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Grauspechte brüten in Baumhöhlen. In der Maßnahme werden bei Mangel an Nistmöglichkeiten in ansonsten geeigneten Baumbeständen a) Baumhöhlen in abwärts gerichteter Bohrung gefräst oder b) Nistkästen angebracht.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Siehe Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz.
- Grundsätzlich geeignete Waldbestände, jedoch Mangel an Höhlenbäumen
Anforderungen an Qualität und Menge
- Pro Paar werden mind. 3 Höhlen gefräst (Bäume aus der Nutzung zu nehmen) / Kästen angebracht (mind. 1 Bruthöhle und 2 Schlafhöhlen), je nach lokaler Betroffenheit auch mehr.
- Die Nisthöhle ist natürlicherweise meist ca. 15-37 tief mit einer Brutkammerweite von 9-12,5 cm; der Durchmesser des Einflugloches ist oft elliptisch (ca. 60 mm breit und 55 mm hoch). Die Höhle ist häufig gegen das Flugloch hin geneigt, gern an der Unterseite geneigter Bäume angelegt (GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1994 S. 933). Als Mindesthöhe für die künstlichen Höhlen werden 3 m empfohlen.
- Die Maßnahmen sind eindeutig und individuell zu markieren (aus der Nutzung genommenen Bäume / Bäume, an denen Kästen angebracht werden).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Die Kästen sind mindestens jährlich auf Funktionsfähigkeit zu überprüfen außerhalb der Brutzeit. In diesem Rahmen erfolgt auch eine Reinigung (Entfernen von Vogel- und anderen alten Nestern).
- Baumhöhlen: ca. alle 3-5 Jahre neu anlegen / „nachfräsen“, da sonst die Höhle aufgrund des Baumwachstums unbrauchbar wird, v. a. in schnellwachsendem Weichholz.
Weitere zu beachtende Faktoren
- Die künstlichen Baumhöhlen / Nistkästen können auch von anderen Arten bezogen werden (Konkurrenzsituation beachten).
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Sofort bzw. innerhalb der nächsten Brutperiode. Um den Spechten eine Raumerkundung und Eingewöhnungszeit zu ermöglichen, sollen die Kästen mit einer Vorlaufzeit von > 1 Jahr aufgehängt werden.
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen stehen kurzfristig bereit. Die für den Maßnahmentyp relevanten Ansprüche der Art sind grundsätzlich gut bekannt (Höhlenmaße).
- Die Maßnahmen werden in der Literatur für den Grauspecht nicht genannt. In den USA werden für den Kokardenspecht Picoides borealis erfolgreich künstliche Höhlen eingesetzt (PASINELLI 2007). Entsprechende Daten für den Grauspecht liegen nicht vor. Das Anlegen von Höhlen gehört zum natürlichen Verhaltensrepertoire des Grauspechts. Für eine prinzipielle Annahme von künstlichen Baumhöhlen spricht der Aspekt, dass Grauspechte bestehende Höhlen auch mehrmals nutzen können, d. h. (auch) auf vorhandene (eigene) Höhlen zurückgreifen. Nachweise von Grauspechtbruten in künstlichen Baumhöhlen oder Nistkästen liegen nicht vor.
- Nach Bewertung im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen 7.11.2011) weist der Maßnahmentyp keine Eignung für den Grauspecht auf (auch THOMAS et al. 1979 S. 77 für Spechte allgemein).
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: mittel
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: gering
Fazit Eignung: keine
4. Entwicklung von Nahrungshabitaten: Extensivgrünland (O1.1)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Grauspechte ernähren sich v. a. von Ameisen, darunter auch von Ameisen der Grünlandbiotope (z. B. Lasius niger, Lasius flavus, Tetramonium casespitum, RAQUÉZ 2000). Das Vorhandensein mehrjähriger Nester dieser Arten ist auf Grünlandbiotopen abhängig von der Bewirtschaftungsform: Durch zu häufiges Mähen / zu starke Beweidung werden die oberirdischen Nestkuppen zerstört, so dass diese Arten dort kaum vorkommen. Auf waldrandnahen Wiesen kann die Vegetation zu hoch und dicht für die wärme- und sonnenbedürftigen Ameisen werden (PASINELLI 2005, RAQUÉZ 2000, RAQUÉZ & RUGE 1995). In der Maßnahme wird waldrandnahes Extensivgrünland unter Berücksichtigung von Wiesenameisenvorkommen durch Neuanlage oder Extensivierung der Nutzung entwickelt.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
- Möglichst zentral im Aktionsraum der betroffenen Paare.
- Waldrandnah oder in einem Streuobstbestand.
- Besonnte Standorte (ggf. in der Maßnahme herzustellen).
- Keine wüchsigen Standorte, die im Saisonverlauf eine geschlossene und dichte Vegetationsdecke ausbilden (oder vorherige Ausmagerungsphase).
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Paar: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Plausibel erscheinen folgende Orientierungswerte: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung; als Faustwert werden für eine signifikante Verbesserung des Nahrungsangebotes pro Paar insgesamt mind. 2 ha Maßnahmenfläche im Aktionsraum empfohlen (möglich in Kombination mit Nutzungsverzicht / Erhöhung des Erntealters in Altholzbeständen / Förderung von stehendem Totholz und Entwicklung von Nahrungshabitaten: Extensivgrünland). Bei streifenförmiger Anlage Breite der Streifen mind. 6 m (LANUV 2010), idealerweise > 10 m.
- Grundsätzlich gelten die allgemeinen Vorgaben zur Herstellung und Pflege von Extensivgrünland (siehe Maßnahmenblatt Extensivgrünland). Mahd ein- bis zweimal im Jahr. Möglich ist auch eine Schafbeweidung, von einer Koppelbeweidung soll jedoch wegen der Trittschäden abgesehen werden (MUSCHKETAT & RAQUÉZ 1993 S. 80 bezüglich entsprechender Habitate beim Grünspecht).
- Bei Mahd ggf. höhere Einstellung des Mahdwerkzeugs auf ca. 20 cm zur Schonung von Ameisen (RUGE in RAQUÉZ & RUGE 1995; Kreiselmäher schneiden meist sehr tief, zerstören somit größere Bereiche der Ameisennester und sind daher ungünstig). Ein Teil der Flächen / Streifen soll als „Altgrasstreifen“ nicht jährlich gemäht werden, um grenzlinienreiche Strukturen zu erhalten.
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Sicherstellung der o. g. Pflegevorgaben. Zu beachten ist, dass eine hohe Einstellung des Mähwerkes ggf. zu einer Nährstoffanreicherung führen kann.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Unter günstigen Bedingungen (Optimierung aktuell suboptimaler Habitate) Wirksamkeit innerhalb von bis zu 2 Jahren. Bei Neuanlage oder Notwendigkeit einer Ausmagerung innerhalb von bis zu 5 Jahren (bei Ausmagerung je nach Wüchsigkeit auch länger).
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen stehen kurzfristig bereit. Der Entwicklung und Pflege von waldrandnahem Extensivgrünland wird z. B. von BAUER et al. (2001 S. 397), BAUER et al. (2005 S. 775), BREITSCHWERDT (1997), NLWKN (2009), RAQUÉZ (2000), RAQUÉZ & RUGE (1995) und SÜDBECK (2009) vorgeschlagen. Wissenschaftlich dokumentierte Nachkontrollen liegen nicht vor.
- Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist die Entwicklung und Pflege von waldrandnahem, ameisenreichem Extensivgrünland grundsätzlich eine geeignete Maßnahme, um die Habitatqualität für den Grauspecht zu erhöhen. Wegen der Unsicherheiten zu den Rückgangsursachen des Grauspechts auch in NRW soll die Maßnahme nach Bewertung im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen, 7.11.2011) mit einem Monitoring verbunden werden.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch (bei Notwendigkeit einer Ausmagerung mittelfristige Wirksamkeit beachten)
5. Strukturierung von Waldbeständen (W2)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Für den Grauspecht ist für die Nahrungssuche auf dem Waldboden ein hoher Anteil von Grenzlinien bzw. lichten-lückigen Strukturen relevant. Möglicherweise hängt seine Bestandsabnahme auch in NRW mit einer zunehmenden Verschattung durch bessere Verjüngung und stärkeren Holzzuwachs zusammen (MÜLLER 2011 S. 37), da so die lichten Bodenstrukturen abnehmen. In der Maßnahme werden dichte und dunkle Waldbestände durch die Anlage von Kleinstrukturen (z. B. Lichtungen), durch Auflichtungen in ihrer Eignung als Nahrungshabitat für den Grauspecht erhöht.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Siehe Anbringen von künstlichen Nisthilfen, Fräsen von Baumhöhlen.
- Möglichst zentral im Aktionsraum der betroffenen Paare.
- Einschichtig strukturierte, dichte und dunkle, meist junge Bestände (z. B. einheitliche junge Altersklassenbestände, insbesondere junge (Fichten-) Nadelholzkulturen), Bestände mit starker Verjüngung und entsprechender Beschattung des Bodens, ggf. auch weitere Bestände mit dichtem Kronendach.
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Paar: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Plausibel erscheinen folgende Orientierungswerte: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung; als Faustwert werden für eine signifikante Verbesserung des Nahrungsangebotes pro Paar insgesamt mind. 2 ha Maßnahmenfläche im Aktionsraum empfohlen.
- Strukturierung durch Schaffung von Grenzlinien und von besonnten Bereichen / Lichtungen (z. B. besonnte Schneisen, kleine Lichtungen). Die Lage der besonnten Bereiche soll sich an den vorhandenen Stubben o. a. Totholzstrukturen (Freistellung) orientieren. Strukturierung der aktuell einheitlichen Altersklassenbestände durch kleinräumiges Nebeneinander verschiedener Altersstufen (Mehrschichtigkeit).
- Belassen und Freistellen von Baumstubben. Möglichst hoher Anteil von mittlerem bis starkem Totholz, bspw. durch Belassen von Windwurf; bei Pflegemaßnahmen / Durchforstungen Erhalt einiger Stammbereiche bis ca. 2 m über Boden („Hochstubben“).
- Strukturarme Nadelholzbestände: Strukturierung der bisher artenarmen, einschichtigen Bestände durch truppweise Beimischung weiterer heimischer, standortsgemäßer Arten (insbesondere Laubholz inklusive Pionierbaumarten). Der Nadelholzanteil (aktuell oft 100 %) soll mittel- bis langfristig zwischen 30 und 60 % liegen.
- Lokales Auflichten von flächiger, dominierender Naturverjüngung zur Schaffung offener, lichter Waldbestände (keine Entnahme von Altholzbäumen).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Pflegearbeiten zur Sicherstellung sonniger, lichter Strukturen; Erhalt von lichtem Waldboden
Weitere zu beachtende Faktoren
- Unter der Voraussetzung ausreichend großer, bewirtschaftungsfähiger Flächen kommt auch die Offenhaltung mittels (Wald-)Weide in Betracht. Dann sind mögliche Konflikte mit den Regelungen des LFoG zu beachten.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Durch die Auflichtungsmaßnahmen wird eine Erhöhung in der Eignung als Nahrungshabitat für den Grauspecht (verstärkte Besiedlung von Ameisen und anderen holzbewohnenden Insekten) innerhalb von 2-5 Jahren erwartet (in Anlehnung an DOROW 2002, ROLSTAD et al. 1998, VÖLKL 1991). Für das Entstehen eines mehrschichtigen Bestandes bzw. das Auswachsen neu angepflanzter Gehölze ist aufgrund des langsamen Gehölzwachstums ein mittel- bis langfristiger Zeitraum zu veranschlagen (> 10 Jahre).
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen stehen zumindest teilweise kurzfristig bereit (Auflichtungen). Wissenschaftlich dokumentierte Nachkontrollen liegen nicht vor und sind mit derzeitigen Methoden nur begrenzt und mit hohem Aufwand (Telemetrie) nachweisbar, da Grauspechte große Aktionsräume haben. Weiterhin bestehen über die konkreten Rückgangsursachen des Grauspechts Unklarheiten (s. o.). Das Fehlen geeigneter Nahrungshabitate gilt jedoch als eine der Gefährdungsursachen des Grauspechts (BAUER et al. 2005 S. 774). Grauspechte meiden dichte und dunkle Waldbestände (BAUER et al. 2005, GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1994 S. 930, SCHERZINGER 1982 S. 91). Für den Grauspecht bzw. die Ameisen als wesentliche Nahrungstiere ist ein ausreichend lichter Untergrund relevant (MÜLLER 2005 S. 138). Die Maßnahme wird vom Typ her z. B. von BAUER et al. (2005 S. 774), NLKWN (2009) und SÜDBECK (2009) empfohlen.
- Nach gegenwärtigem Kenntnisstand und nach Bewertung im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen, 7.11.2011) ist die Strukturierung von aktuell dichten und dunklen Waldbeständen eine geeignete Maßnahme, um die Habitatqualität für den Grauspecht zu erhöhen. Wegen der Unsicherheiten zu den Rückgangsursachen des Grauspechts auch in NRW soll die Maßnahme mit einem Monitoring verbunden werden.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Ja
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: mittel
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch
6. Fazit
Für den Grauspecht bestehen geeignete Maßnahmen im Erhalt und der Pflege von Bruthabitaten sowie in der Strukturierung von Waldbeständen / der Anlage von waldrandnahem, ameisenreichem Extensivgrünland für die Nahrungshabitate. Zu den konkreten Rückgangsursachen des Grauspechts bestehen Unklarheiten. Die genannten Maßnahmen erscheinen jedoch als hinreichend plausibel, um eine Wirksamkeit grundsätzlich anzunehmen. Für die Maßnahmen zur Entwicklung von Habitaten im Offenland und zur Strukturierung von einheitlichen Waldbeständen ist ein Monitoring durchzuführen.
Angaben zu Priorisierung:
Maßnahme: Nutzungsverzicht ist gegenüber Erhöhung des Erntealters zu favorisieren. Ebenso ist ein flächiger Schutz gegenüber dem Schutz von Einzelbäumen zu favorisieren.