Kiebitz  (Vanellus vanellus (L.))

EU-Code: A142

Artenschutzmaßnahmen

  1. Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland (G2.1, O1.1)
  2. Entwicklung und Pflege von Habitaten im Acker (O2.1, O2.2)
  3. Schutz von Gelegen vor Verlusten durch landwirtschaftliche Bearbeitungsgänge oder Viehtritt (Av2.3)
  4. Entwicklung und Pflege von Habitaten auf Industriebrachen / Kiesgruben (G2.1, O4.4, O5.4)
  5. Prädatorenmanagement (Av6.1, Av6.2)
  6. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland (G2.1, O1.1)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Wichtiges Habitat vom Kiebitz ist feuchtes bis nasses, meist extensiv bewirtschaftetes Grünland. In der Maßnahme werden geeignete Grünlandbestände mit offenen zur Brutzeit wasserführenden, an den Ufern spärlich oder kurz bewachsenen Blänken und / oder Tümpeln hergestellt oder optimiert.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden). Weiterhin ist auf eine ausreichende Störungsarmut bezüglich Erholungsnutzung ( Spaziergänger, frei laufende Hunde, Modellflugzeugflieger etc.) zu achten.
  • Maßnahmenstandorte mit (weitgehend) freiem Horizont; keine hohen, geschlossenen Vertikalkulissen (große und dichte Baumreihen, Wälder, Siedlungen, große Hofanlagen) und Stromleitungen in der Nähe bis mind. 100 m (s. o.).
  • Grünland- oder Ackerstandorte mit mittleren bis nassen Bodenverhältnissen, beim Kiebitz ggf. auch trockenere Standorte (siehe Artansprüche oben). Bestehende Grünlandstandorte mit Renaturierungsmöglichkeiten sind zu bevorzugen.
  • In der Regel werden großflächige Grünlandkomplexe benötigt, da Einzelmaßnahmen für isolierte Paare nur bedingt sinnvoll sind, in der Regel minimal 10 ha Gesamtflächengröße. Das NLKWN (2009, Niedersachsen) empfiehlt für Kiebitz geeignete Gesamt-Maßnahmenräume von idealerweise > 500 ha.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Brutpaar: Die konkrete Flächengröße der Maßnahme richtet sich nach der lokalen Betroffenheit (Ausgleich mind. 1:1), der Anzahl der betroffenen Paare und den lokalen Bedingungen. Beachtung von ggf. erforderlichen Pufferzonen zur Störungsberuhigung oder Schaffung freier Sichtzonen. Es ist zu prüfen, ob eine Kombination mit der Maßnahme zum Prädatorenmanagement (s. u.) erforderlich ist.
  • Nach LANUV (2011) können beim Kiebitz auf einer Fläche von 10 ha 1 bis 2 Paare vorkommen, kleinflächig auch kolonieartige Konzentrationen. FLADE (1994 S. 555) geht von 1-3 ha Raumbedarf pro Paar aus. MÜLLER et al. (2009 S. 331, Schweiz) nehmen bei kolonieartigem Vorkommen pro Paar eine Fläche von 0,1 bis 0,5 ha an. Unter Bezug auf die Mindestgröße einer Kiebitzkolonie von 6-12 Paaren entsteht je nach Habitatqualität ein benötigter Raum von 0,6 bis 18 ha. Die Autoren empfehlen für die Schweiz im Optimalfall 10-30 ha, im Minimalfall 5-10 ha für Kiebitzschutzprojekte (ebd. S. 347).
  • Grundsätzlich gelten die allgemeinen Angaben im Formblatt Extensivgrünland. Darüber hinaus sind für den Kiebitz speziell folgende Aspekte zu beachten:
  • Wassermanagement: Zur Steigerung der Attraktivität von Grünländern für den Kiebitz ist das Anheben von Grabenwasserständen bzw. die Wiedervernässung der Flächen ein wichtiges Instrument. Grundsätzlich sollte der Oberboden innerhalb der Brutzeit zumindest in Teilen der Maßnahmenfläche weich / stocherfähig sein. Im Vorfeld der Umsetzung ist eine genaue Prüfung der Standortverhältnisse notwendig, um die sachgerechten Maßnahmen zur Erhöhung der Bodenfeuchte festlegen zu können (z. B. Rückbau von Drainagen, Anstau von Gräben, Anpassung der Pumpleistung in Bergsenkungsgebieten, „Tieferlegung“ von Flächen im Deichvorland und von anderen trocken gefallenen Flächen, aktive Bewässerung z. B. über Windradpumpen, Anlage von Blänken, LANUV 2011b S. 96). Die konkreten Grundwasserstände können nur im Einzelfall und artspezifisch festgelegt werden.
  • Bei Mineralböden (HÖTKER et al. 2007 S. 87) Beibehaltung / Wiederherstellung geeigneter Grundwasserstände mit partiellen und zeitlich begrenzten winterlichen Überstauungen (JUNKER et al. 2006, NLWKN 2009). Werden lang andauernde, flächendeckende Überstauungen vorgenommen, so können sich diese in zweierlei Hinsicht negativ auswirken: Erstens wird durch solche Überstauung das Bodenleben abgetötet, was möglicherweise zu einer deutlichen Nahrungsverknappung führt (AUSDEN et al. 2001). Zweitens werden durch die Überstauung auch die Hauptbeutetiere (Feld- und Erdmaus) der meisten im Grünland lebenden Prädatoren getötet, was möglicherweise zu einem stärkeren Prädationsdruck auf die Wiesenvögel führt (JUNKER et al. 2006, vgl. Entwicklung und Pflege von Habitaten auf Industriebrachen / Kiesgruben).
  • Bei Feuchtwiesen (Binnenland) auf Standorten mit organischen Böden (Torf) ist die Wirksamkeit von Wasserstandsanhebungen sowohl für Wiesenvögel als auch für Feuchtwiesen- Pflanzengesellschaften aus verschiedenen Gründen eingeschränkt. Insbesondere der winterliche Überstau hat sich nicht immer als vorteilhaft erwiesen. Der Überstau kann zu Einschränkungen der Nahrungsverfügbarkeit der Wiesenvögel und auch der weiteren Pflegemöglichkeiten führen. Problematisch sind möglicherweise vor allem stark wechselnde Feuchtigkeitsbedingungen innerhalb eines Jahres, die die Bildung angepasster Zoozönosen verhindern. Wiesenvogeldichten sind auf Torfböden relativ gering (HÖTKER et al. 2007 S. 88). Empfehlenswert ist für diese Standorte anstelle von Überstauungen jedoch auch das Einstellen ganzjährig hoher Wasserstände, um die Rückquellung der meist stark degenerierten Torfe zu fördern und die Grundvoraussetzung für die Etablierung feuchtigkeitsliebender Lebensgemeinschaften zu schaffen (ebd.).
  • Das NLWKN (2009, Niedersachsen) gibt bzgl. der Grundwasserstände folgende artspezifischen Empfehlungen für den Kiebitz: Winterliche Überstauung (Dezember – März) mit sukzessivem Rückgang zum Frühjahr bis auf 40 cm unter Geländeoberkante, möglichst in Kombination mit größeren langfristig überfluteten Bereichen.
  • Erhalt/Schaffung von kleinen offenen Wasserflächen zur Brutzeit (Blänken, Mulden, temporäre Flachgewässer, Gräben etc.: BOSCHERT 1999 S. 54, EGLINGTON et al. 2008, 2010: NLWKN 2009, NEUMANN 2011). Zur Vermeidung von Verlusten durch Ertrinken sind flache Ufer erforderlich (BOSCHERT 2008 S. 351, JUNKER et al. 2006, NLWKN 2009), d. h. vorhandene steilwandige Gräben sind im Profil abzuflachen. MÜLLER et al. (2009 S. 346) empfehlen bei Mulden und Teichen einen Böschungswinken von max. 1:10. - An den Blänken sind bei starkem Aufkommen z. B. von Flatterbinse oder Röhrichten Pflegeschnitte durchzuführen (BORN et al. 1990 S. 39, TISCHEW et al. 2002). In Nordirland wurden auf Grünlandflächen aufgewachsene Binsenbüschel zu Beginn des Jahres (Januar – Februar) mit Hilfe eines Freischneiders entfernt, um die Sichtverhältnisse für Bodenbrüter zu optimieren. In der Folge erhöhte sich die Anzahl der erfolgreich brütenden Kiebitze und Rotschenkel (ROBSON & ALLCORN 2006). KIPP (1982) empfiehlt die Anlage von 0,5 ha großen Blänken mit einer Tiefe von maximal 80 cm und einer buchtenreichen Ausformung. Bei maximaler Wasserführung sollte die offene Wasserfläche 0,1-0,5 ha betragen.
  • Pflege des Grünlandes (Mahd / Beweidung): Grundsätzlich ist in der Regel ein Mosaikmanagement (Schaffung von einem Mosaik aus Wiesen-, Weide- und Mähweidenutzung bei gestaffelten Mähterminen / Beweidungsdichten), bei dem großflächige kurzrasige Bereiche mit (kleineren) höherwüchsigen Flächen abwechseln, sinnvoll, damit Nahrungsflächen und Versteckmöglichkeiten nahe beieinander liegen (NLWKN 2009; BORN et al. 1990 S. 40, MÜLLER et al. 2009 S. 346, LANUV 2011 S. 94 f.). Dies gilt insbesondere dann, wenn auf einer Fläche die Ansprüche mehrerer Arten erfüllt werden sollen. Die höherwüchsigen Flächen dürfen jedoch nicht das Prädationsrisiko erhöhen (Säume als Rückzugsräume für Bodenprädatoren, vgl. Prädatorenmanagement). Das LANUV (2011) empfiehlt folgende artspezifischen Pflegetermine für den Kiebitz: kein Walzen nach dem 15.3., Grünlandmahd erst ab 15.06.; möglichst keine Beweidung oder geringer Viehbesatz bis 15.06.
  • Die konkrete Pflegeintensität ist an die lokalen Bedingungen – insbesondere die Wüchsigkeit des Standortes – und die artspezifischen Ansprüche an die Vegetation (s. o.) anzupassen. Einerseits soll die Pflege nicht so intensiv sein, dass Verluste durch Mahd oder Beweidung (Tritt) auftreten. Andererseits kann eine zu extensive Pflege zu einem erhöhten Vegetationswachstum führen, was insbesondere für den Kiebitz als auf kurzrasige Strukturen angewiesene Art negativ ist (z. B. KÖSTER & BRUNS 2003, PEGEL 2002). Dies kann v. a. bei Flächen auftreten, die vorher als Intensivgrünland stark gedüngt wurden und somit eine hohe Wüchsigkeit aufweisen. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob vor der eigentlichen Nutzung als Extensiv-Grünland eine Phase mit erhöhten Pflegeschnitten / Beweidung erforderlich ist, um die Nährstoffe / die Wüchsigkeit der Fläche zu reduzieren.
  • Wenn nachweislich in einer konkreten Fläche Kiebitze (o. a. Wiesenbrüter) vorhanden sind, kann auch eine frühere Mahd erfolgen. Ein solches Konzept verlangt allerdings einen höheren Betreuungsaufwand (JUNKER et al. 2006).
  • Die Beweidungsintensität ist so zu regulieren, dass ein Teil der Weidefläche nie vollständig abgefressen wird, so dass neben kurzrasigen Nahrungsflächen auch höherwüchsige Versteckmöglichkeiten vorhanden sind (MÜLLER et al. 2009 S. 345). Eine hohe Beweidungsintensität kann zu starken Gelegeverlusten durch Tritt führen (DÜTTMANN et al. 2006, MÜLLER et al. 2009). Diese Verluste können durch eine Reduzierung der Weideviehdichte minimiert werden. Dabei verursachen z. B. Pferde höhere Verlustraten als Milchkühe (JUNKER et al. 2006), ebenso verursachen Jungrinder bei gleicher Dichte höhere Verlustraten als Milchkühe (BEINTEMA & MÜSKENS 1987 zit. ebd.). Die Verwendung von Großvieheinheiten (GVE) bei der Festsetzung von Weideviehdichten in Wiesenvogelgebieten wird deshalb den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht gerecht (JUNKER et al. 2006). Die Weideviehdichte muss den Gegebenheiten vor Ort angepasst sein. Nach SHRUBB (2007, zit. bei MÜLLER et al. 2009 S. 343) verursacht eine Dichte von einem Weidetier / ha wenig Probleme. Er empfiehlt, weniger Jungtiere und dafür mehr Alttiere einzusetzen, jedoch keine Schafe, da Kiebitze diese im Unterschied zu Rindern nicht vom Nest fernhalten können. Überstaute und sehr nasse Grünlandflächen werden vom Weidevieh besonders zu Beginn der Brutsaison bzw. der Beweidung gemieden. Damit erhöht sich der Weidedruck auf die verbliebenen weniger feuchten Bereiche, in denen sich häufig auch die Wiesenvogelgelege befinden (JUNKER et al. 2006).
  • Düngung: Falls Flächen so mager werden, dass das Nahrungsangebot an Kleintieren für die Wiesenvögel abnimmt, ist eine mäßige Düngung, idealerweise als P-/ K - Düngung zu erwägen (NLWKN 2009).
  • Die Art des Düngers scheint Einfluss auf das Ansiedlungsverhalten von Kiebitzen zu nehmen. So führte in der Stollhammer Wisch die Frühjahrsdüngung mit Stallmist mehrfach in der Folge zu Ansiedlungen von Kiebitzen (und Uferschnepfen, JUNKER et al. 2006). Um die Diskrepanz zwischen Verzicht auf Düngung (um niedrige Vegetationsstrukturen zu schaffen) und Durchführung von (Festmist-) Düngung (um das Angebot von Kleintieren als Nahrungsangebot der Wiesenvögel) auszugleichen, können ggf. in der gesamten Maßnahmenfläche die einzelnen Parzellen unterschiedlich gedüngt werden (BEHRENS et al. 2007).
  • Maschinelle Flächenbearbeitungen können (insbesondere auf konventionell bewirtschaftetem Grünland) z. T. starke Verlustraten hervorrufen. Eine große Gefahr geht vor allem vom Schleppen / Walzen aber auch von der Gülledüngung im zeitigen Frühjahr aus. Das Schleppen / Walzen kann im Extremfall zur Zerstörung aller Erstgelege führen. Deshalb sollte die landwirtschaftliche Frühjahrsbearbeitung der Flächen auf die Zeit vor der Legeperiode der Wiesenvögel, ab 15.03., beschränkt sein. Alternativ können Wiesenvogelgelege auch markiert und bei der Flächenbearbeitung ausgespart werden (vgl. Schutz von Gelegen vor Verlusten durch landwirtschaftliche Bearbeitungsgänge oder Viehtritt, JUNKER et al. 2006). Flächenhafte Mahd soll erst nach Flüggewerden der Jungen stattfinden (Ausnahme: Mosaikmahd mit kurzrasigen Streifen / Parzellen).
  • MÜLLER et al. (2009 S. 345, Schweiz) schlagen bei sehr wüchsigen Standorten als Alternative zu länger dauernden Ausmagerungsphasen das Abschieben von nährstoffreichem Oberboden vor, wodurch gleichzeitig auch ein Mikrorelief mit flachen überstauten Senken geschaffen werden kann. Die Maßnahme wurde in der Schweiz bereits mehrfach erfolgreich für den Kiebitz umgesetzt (ebd. S. 336 f.). Teilweise wird auch oder zusätzlich ein Pflügen des Oberbodens zur Schaffung kurzrasiger Bereiche empfohlen.
  • In der Reussebene wurde jährlich ein Bereich von 50 x 80 m im Februar vor Ankunft der Kiebitze gepflügt und geeggt der von 1-2 Kiebitzpaaren angenommen wurde. SQUIRES & ALLCORN (2006) konnten die Ansiedlung von Kiebitzen (und Rotschenkeln) auf Grünland durch stellenweises zweijährliches Umpflügen (chisel ploughing) zur Schaffung von kleinen Erhebungen und Rasenstücken erhöhen (in Kombination mit Hebung des Grundwasserstandes und Beweidung durch Schafe und Rinder). Ähnlich zeigte sich bei WILSON (2005) ein positiver Effekt u. a. auf den Kiebitz durch Abschieben der Vegetation von Kalksteinbänken (limestone slag banks).
  • Ggf. Rodung von Gehölzen, insbesondere wenn diese eine Sichtbarriere darstellen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Das Maßnahmenpaket erfordert eine umfassende (Standorts-) Planung, Betreuung und Pflege bezüglich der Wasserstände, der Offenhaltung durch Mahd / Beweidung und des (gelegentlichen) Entfernens von Gehölzaufwuchs.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • V. a. bei Betroffenheit mehrerer Wiesenlimikolen-Arten sind großflächige Maßnahmenflächen > 100 ha sinnvoll, um durch ein Mosaikmanagement bezüglich Bodenfeuchte, Wasserstand, Vegetationshöhen und –dichten den graduell unterschiedlichen Ansprüchen zwischen den Arten und auch innerhalb einer Art zu genügen. Die höherwüchsigen Flächen dürfen jedoch nicht das Prädationsrisiko erhöhen (Säume als Rückzugsräume für Bodenprädatoren, vgl. Prädatorenmanagement).
  • Kiebitzjunge bevorzugen kürzere Vegetation als Uferschnepfenjunge, da diese längere Beine haben (JUNKER et al. 2006, OOSTERVELD et al. 2011, PEGEL 2002), Kiebitze suchen für Nachgelege und Kükenaufzucht früh gemähte Flächen auf (JUNKER et al. 2006), Jungvögel von Uferschnepfe und Brachvogel können dagegen in den ersten Lebenswochen nicht stochern und sind somit auf blütenreiche (insektenreiche) Bestände angewiesen (B et al. 2007); die Küken der Uferschnepfe präferieren insektenreiche Nahrungsflächen mit mittlerer Vegetationshöhe von 15-25 cm, die Altvögel eher regenwurmreiche und kurzrasige Bereiche (STRUWE-JUHL 1999), Brut- und Rückzugsflächen der Alt-Brachvögel haben eine höhere Vegetation als die der Jungen, Staatliche Vogelschutzwarte Hessen, RLP, Saarland 1987), die Bekassine braucht „weicheren“ Boden zum Stochern (AUSDEN et al. 2001)
  • Mögliche Konflikte zum botanischen Feuchtwiesenschutz.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Maßnahmen (-pakete) können – bei vorhandener Grundeignung der Fläche – bereits im ersten Jahr erfolgreich sein (z. B. HANDKE 2004 zit. bei HABERREITER & DENNER 2006, hessischer Oberrhein: Kiebitz; MÜLLER et al. 2009 S. 341 Fraubrunnenmoos, Schweiz). Z. B. sind Kiebitze nicht auf das Vorhandensein einer bestimmten Pflanzengesellschaft angewiesen und können auch kurzfristig Äcker besiedeln. BOSCHERT (1999 S. 53, Renchniederung in der Oberrheinebene) berichtet von der Anlage einer Flutmulde im Grünland. Im Jahr nach der Anlage der Flutmulde hatte sich der Kiebitzbestand von vorher regelmäßig 3-4 Paaren auf 7-8 Paare verdoppelt. Auch HÖTKER et al. (2007 S. 5) weisen darauf hin, dass sich positive Auswirkungen von Maßnahmen auf die Wiesenvogelbestände v. a. in den Jahren nach der Umsetzung zeigten (danach teilweise nicht mehr aufgrund suboptimaler Folgeentwicklung).
  • Aufgrund der meist hohen Reviertreue, um den Vögeln eine Raumerkundung / Eingewöhnung zu ermöglichen und um eine Etablierung der Vegetation zu erreichen, ist jedoch im Regelfall eine Vorlaufzeit von mind. 2 Jahren zu veranschlagen. Dies hängt auch davon ab, wie schnell sich ein erhöhter Grundwasserstand einstellen kann.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche des Kiebitzes sind gut bekannt. Positive Wirkungen der Maßnahmenpakete zur Habitatgestaltung im Grünland sind zahlreich belegt (z. B. HANDKE 1995; HIELSCHER 1999, JUNKER et al. 2006: MÜLLER 1989; MÜLLER et al. 2009, S. 333; NEUMANN 2011, PEGEL 2002; TESCH 2006), wobei sich aber teilweise eine Überlagerung durch andere ungünstige Faktoren wie Prädation zeigte (vgl. Prädatorenmanagement). Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist aufgrund der umfassenden Untersuchungen dennoch als sehr hoch zu bezeichnen (auch RUNGE et al. 2010 S. 120).

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

2. Entwicklung und Pflege von Habitaten im Acker (O2.1, O2.2)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Kiebitze brüten seit mehreren Jahrzehnten regelmäßig auch auf Äckern. Gefährdungen ergeben sich durch den Verlust von Brutflächen infolge von Änderungen im Anbauverhalten, durch hohe Gelegeverluste infolge maschineller Bearbeitung insbesondere der Maisflächen sowie durch Nahrungsarmut in den ausgedehnten, strukturarmen, intensiv genutzten Ackerflächen (HEGEMANN et al. 2008). In der Maßnahme werden speziell auf den Kiebitz angepasste Maßnahmen auf Ackerflächen beschrieben.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Siehe Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland.
  • Betroffene Kiebitzvorkommen auf Acker
  • Kiebitzvorkommen in unmittelbarer Nähe
  • Vorhandene Ackerflächen, kein Umbruch von Grünland in Acker für die Maßnahmen.
  • Begünstigend für den Erfolg der Maßnahme ist die direkte Nachbarschaft zu Viehweiden, wohin die Kiebitze ihre Jungen führen können (LANUV 2011b S. 95, ansonsten kann es bei Austrocknung der Ackerböden zu einem Nahrungsmangel für die Küken kommen, SCHIFFERLI et al. 2009 S. 324). Für die „kiebitzorientierte“ Bewirtschaftung sollten möglichst feuchte oder nasse Äcker genutzt werden, diese sind ohnehin schwieriger und oft erst später im Jahr nutzbar und darüber hinaus für die Kiebitze besonders attraktiv (PUCHTA et al. 2009 S. 293, RÜCKRIEM et al. 2009 S. 147).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Brutpaar: Siehe Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland.
  • Nach den Angeboten des Vertragsnaturschutzes NRW (LANUV 2010 S. 16 f. bzw. THIELE 2009 für ausgewählte Kreise, Einbindung der Biologischen Stationen / ornithologischen Verbände in die Flächenauswahl erforderlich) sind zum Schutz brütender Kiebitze folgende Maßnahmenkombinationen einzeln oder kombiniert anzuwenden:
  • Bearbeitungsfreie Schonzeiten bei Mais-, Hackfrucht- und Gemüseanbau (Paket 4023): mindestens einmalige flache Bodenbearbeitung zwischen 1. Januar und 21. März, Verzicht auf Bodenbearbeitung ab 22. März bis 5. Mai. Sofern witterungsbedingt eine Bodenbearbeitung zwischen 1. Januar und 21. März nicht möglich ist, können in Absprache mit der Bewilligungsstelle folgende Fristen vereinbart werden: bei Mais-, Hackfrucht- und Gemüseanbau mindestens einmalige flache Bodenbearbeitung bis 31. März und Verzicht auf Bodenbearbeitung zwischen 1. April und 15. Mai. Die Bewilligungsbehörde ist im Zeitraum zwischen 17. und 19. März über die nicht mögliche Bodenbearbeitung zu informieren. Es sollten aus den Vorjahren regelmäßige Brutvorkommen in maximal 500 m Entfernung zu der Maßnahmenfläche belegt sein und/oder es sollten in dem Maßnahmenjahr Beobachtungen balzender Kiebitze im Nahbereich vorliegen.
  • Schaffung von Nahrungs- und Brutflächen (Paket 4042): Einsaat von 6 - 12 m breiten Grasstreifen mit Horst-Rotschwingel (obligatorische Herbsteinsaat bis spätestens Ende September). Lage innerhalb eines Mais-, Hackfrucht- bzw. Gemüseackers (keine Randlage). Dauerhafte oder jährliche Einsaat. Verzicht auf Düngung und Pflanzenschutzmittel; keine Nutzung, keine Pflegemaßnahmen. Es sollten aus den Vorjahren Brutvorkommen in maximal 1000 m Entfernung zu der Maßnahmenfläche belegt sein. Der mehrjährige Horst-Rotschwingel kann normalerweise 2-3 Jahre an derselben Stelle wachsen, ohne zu sehr von hochwüchsigen Gräsern bzw. Kräutern überwachsen zu werden. Danach ist in der Regel eine erneute Einsaat im Herbst nötig, um die Artenschutzfunktionen erzielen zu können. (Bei Paket 4042 Hinweis Hybridisierungsgefahr bei Luzerne im Anhang 3 S. 47 beachten).
  • In Anlehnung an die Untersuchungen von ILLNER (2007) im Kreis Soest sollen Ackerstreifen mind. 10 m breit sein und insgesamt eine Fläche von mind. 0,5 ha aufweisen. HEGEMANN et al. (2008) empfehlen die Anlage von kraut- und insektenreichen Schutzstreifen zur Verbesserung der Nahrungssituation und als Rückzugsraum. Bei der Ansaat z. B. von Buntbrachen darf die Saatgutmischung nicht zu hoch und dicht aufwachsen, sondern muss eine niedrigwüchsige bis lockere Vegetation gewährleisten (MÜLLER et al. 2009 S. 336, Schweiz).
  • Erhalt/Schaffung von kleinen offenen Wasserflächen zur Brutzeit (Blänken, Mulden, temporäre Flachgewässer, Gräben etc., PUCHTA et al. 2009 S. 294). Zur Vermeidung von Verlusten sind flache Ufer erforderlich (JUNKER et al. 2006), d. h. vorhandene steilwandige Gräben sind im Profil abzuflachen. MÜLLER et al. (2009 S. 346) empfehlen bei Mulden und Teichen einen Böschungswinkel von max. 1:10 (vgl. auch Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Jährliche Pflege nach den o. g. Vorschriften. Die Lage der Fläche kann dabei rotieren.
  • Nach Bedarf Entfernen von Gehölzen

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Spritzen der Kulturen mit großen Maschinen wird von den Brutvögeln toleriert, Gelegeverluste sind selten. Mechanische Unkrautbekämpfung kann dagegen zu hohen Nestverlusten führen (KRAGTEN & DE SNOO 2007, zit. bei PUCHTA et al. 2009 s. 294).
  • Bei CHAMBERLAIN et al. (2009) zeigte sich eine fördernde Wirkung von blanken Bodenstellen in den Äckern auf die Annahme durch Kiebitze.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Maßnahme ist mit Anlage der jeweiligen Kultur bzw. innerhalb der nächsten Brutsaison wirksam.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche des Kiebitzes auf Äckern sind gut bekannt. Äcker lassen sich „kiebitzorientiert“ bewirtschaften, in dem mit der Bestellung bis Ende Mai gewartet wird, so dass die Jungen der Erstgelege schlüpfen und den Acker verlassen können. Begünstigend für den Erfolg der Maßnahme ist die direkte Nachbarschaft zu Viehweiden, wohin die Kiebitze ihre Jungen führen können.
  • Es liegen mehrere Wirksamkeitsnachweise vor (siehe auch o. g. Quellen): Im Wauwilermoos (Schweiz) wurde 2009 erstmals die Bodenbearbeitung von über den Winter brach liegenden Feldern bis nach dem Schlüpfen der Kiebitzküken verschoben, was sich zusammen mit Gelegeschutzmaßnahmen positiv auf den Bruterfolg auswirkte (SCHIFFERLI et al. 2009). Positive Effekte von Extensivierungsmaßnahmen im Acker beschreiben auch CHAMBERLAIN et al. (2009), EYLERT & LANGE (2006), ILLNER (2008) und SHELDON et al. 2007.
  • Um langfristig wirksam zu sein, bedürfen alle Maßnahmen im Ackerland einer auf den konkreten Fall abgestimmten sorgfältigen Auswahl geeigneter Flächen, in die Landschaftsstrukturen und konkrete Vorkommen eingehen. Gleiches gilt für die Auswahl und Kombination der Maßnahmen und die langfristige Qualitätssicherung der Umsetzung (Pflege zur Initiierung früher Sukzessionsstadien, Rotation, Fruchtfolge, Auftreten von Problemunkräutern etc.). Daher ist ein Monitoring unter Einbeziehung der der Landwirte erforderlich.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

3. Schutz von Gelegen vor Verlusten durch landwirtschaftliche Bearbeitungsgänge oder Viehtritt (Av2.3)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Als flankierende Maßnahme zur Habitatentwicklung im Grünland (Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland) und zum Schutz vor landwirtschaftlicher Bearbeitung oder Viehtritt werden Nester mit Gelegen zunächst lokalisiert, dann durch Markierungen bzw. Körbe geschützt.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Vorkommen der Zielart mit lokalisiertem Gelege auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Beispiel Programm „Förderung von Maßnahmen zur Entwicklung von Natur und Landschaft sowie zur Qualifizierung für Naturschutzmaßnahmen“ in Niedersachsen (MELTER et al. 2009):
  • Nestersuche: Auf Grünland und Acker werden die Nester von Wiesenlimikolen durch Gebietsbetreuer markiert und im Abstand von ca. 3 m mit Stöcken markiert.
  • Gelegeschutz: Umfahren und Aussparen der Nester bei den Bewirtschaftungsschritten. Auf Acker kleinräumiges Umsetzen von Gelegen. Bei hoher Gelegedichte kommen auch flächenhafte Maßnahmen (Aussetzen einzelner Bearbeitungsgänge, verzögerte Einsaat, verzögerte Mahd) in Betracht.
  • Gelegeschutz: Verzicht auf Schleppen und Walzen nach dem 15. März („Frühjahrsruhe“).
  • Kükenschutz: Vorsichtiges, langsames Mähen von innen nach außen und Begrenzung der Mähgeschwindigkeit auf max. 8 km / h bei einer Mähwerksbreite von max. 3 m.
  • Beispiel Kiebitzschutzprojekt im Schweizer Wauwilermoos (SCHIFFERLI et al. 2009): Es wurden zunächst die Nester lokalisiert, in einer Distanz von 2 m beidseitig mit Stäben markiert und den Landwirten gemeldet. In einer ersten Phase des Projektes wurden beim Pflügen, Eggen und bei der Ansaat etwa 2 x 3 m große Flächen um das Nest ausgespart. In der zweiten Phase wurden die Nester bei den landwirtschaftlichen Arbeiten entfernt und nach Abschluss des Maschineneinsatzes wieder am alten Ort platziert. Beim Ausbringen von Pestiziden, Gülle oder Kunstdünger wurden die Nester mit Plastikeimern abgedeckt. Zum Schutz vor Prädation wurden die Felder mit Kiebitzbrutpaaren auch großflächig eingezäunt (s. u.).
  • Bei Beweidung Beachtung der Tierarten: Gute Ergebnisse mit Gelegekörben konnten bei Schafen, Jungrindern, Milchkühen und Ochsen erzielt werden. Bei Bullen- oder Pferdebeweidung war diese Form der Gelegesicherung meist erfolglos. Die Körbe wurden selbst bei stabiler Fertigung zerstört. Im Falle der Pferdebeweidung besteht darüber hinaus für die Weidetiere ein nicht unerhebliches Verletzungsrisiko (JUNKER et al. 2006, Wesermarsch)
  • Gelegeschutz im Grünland oder stark beweideten Flächen soll mit Elektrozäunung verbunden werden).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Dauerhafte Kontrolle auf Funktionstüchtigkeit der Einrichtung täglich bis wöchentlich zwischen Eiablage und Schlupf der Jungen.
  • Wiederholung jährlich zur Brutzeit.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Hoher Bearbeitungs- und Betreuungsaufwand.
  • Bei kleinräumiger Aussparung der Nestumgebung darf die umgebende Fläche aufgrund von mangelnder Deckung für die Jungvögel nicht negativ beeinflusst werden.
  • Nach ROßKAMP (2005 S. 82) haben „langjährige Erfahrungen“ gezeigt, dass die Nestermarkierung keine Signalfunktion für Prädatoren hat. MÜLLER et al. (2009 S. 347) empfehlen dagegen, (Kiebitz-) Nester nicht direkt aufzusuchen, um keine Spur für Beutegreifer zum Nest zu legen. Bei den Untersuchungen von KRAGTEN et al. (2008) deutete sich an, dass vor landwirtschaftlichen Bearbeitungsgängen geschützte Nester häufiger von Prädatoren aufgesucht wurden.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Maßnahme ist unmittelbar umsetzbar und sofort wirksam.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt.
  • Der Erfolg von individuellem Gelegeschutz vor landwirtschaftlichen Tätigkeiten zahlreich belegt (KRAGTEN et al. 2008: Kiebitz, HÖNISCH & MELTER 2009: Kiebitz, Uferschnepfe, Brachvogel; HÖTKER et al. 2007 S. 5: Wiesenbrüter; JUNKER et al. 2006: Kiebitz; MELTER et al. 2009, THIEN & THIENEL 2008: Kiebitz, RUNGE et al. 2010 S. A123: Kiebitz; SCHIFFERLI et al. 2009: Kiebitz). Die „Erfolge“ können jedoch durch hohe Prädationsraten überlagert werden (BOSCHERT 2008, KRAGTEN et al. 2008, THIEN & THIENEL 2008).
  • Von einer Wirksamkeit der Maßnahme ist daher auszugehen. Die Maßnahme soll aber nur temporär (nicht dauerhaft) und nur flankierend zur Habitatgestaltung im Grünland (Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland) erfolgen.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

4. Entwicklung und Pflege von Habitaten auf Industriebrachen / Kiesgruben (G2.1, O4.4, O5.4)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Der Kiebitz kann lokal auch auf lückigen Ruderalflächen, Industriebrachen etc. vorkommen, soweit seine allgemeinen Habitatansprüche erfüllt sind (z. B. KOOIKER 2000, STREICHER 2000). Bei Betroffenheit von auf solchen Standorten vorkommenden Kiebitzen werden ähnliche Flächen, die jedoch aktuell für den Kiebitz z. B. aufgrund zu starken Vegetationsbewuchses suboptimal ausgeprägt sind, in ihrer Eignung optimiert.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Maßnahmenstandort in ausreichender Entfernung zu für den Kiebitz bedeutsamen Störquellen (vgl. Einführung zum Leitfaden). Weiterhin ist auf eine ausreichende Störungsarmut bezüglich Erholungsnutzung (Spaziergänger, frei laufende Hunde, Modellflugzeugflieger etc.) zu achten.
  • Vorhandene, in ihrer Eignung für den Kiebitz (Habitatansprüche s. o.) aufwertungsfähige Ruderalstandorte wie z. B. Industriebrachen oder Abbaugelände wie Kiesgruben (keine Neuanlage von Ruderalflächen, keine Zerstörung anderweitig naturschutzfachlich wertvoller Biotope).
  • Die Bodenverhältnisse sollen eine möglichst langfristige Offenhaltung gewährleisten (z. B. durch Nährstoffarmut und / oder Grund- oder Stauwasser) und eine möglichst geringe Belastung mit Bioziden o. a. Giften aufweisen.
  • Betroffene Kiebitzpaare auf Ruderalflächen oder Industriebrachen.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung.
  • Schaffung übersichtlicher, nur spärlich bewachsener Flächen und einer lückigen, überwiegend kurzrasigen Vegetation durch Entfernung von Gehölzen, Zurückdrängen einer hohen und dichten Krautschicht, Abschieben des Oberbodens o. a.
  • Günstig ist die Anlage von während der Brutzeit wasserführenden Flachgewässern (Blänken, vgl Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland), die die Kiebitze zum Trinken oder Baden aufsuchen können. Die Küken benutzen gerne die Ränder von kleinen Teichen, Tümpeln und Gräben, aber auch trocken gefallene Ackerpfützen und feuchte Schlammflächen, weil hier das Nahrungsangebot höher ist als auf den trockenen Parzellen (KOOIKER 2000 S. 340).
  • Eine Bepflanzung der Standorte ist im Regelfall nicht notwendig (sondern eher kontraproduktiv).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Die Maßnahmenfläche ist bis auf spärlichen Bewuchs durch krautige Pflanzen offen zu halten. Die Pflegemaßnahmen sollen außerhalb der Brutzeit stattfinden.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Maßnahmen zur Herstellung offener Flächen sind im Regelfall kurzfristig nach Umsetzung bzw. innerhalb der nächsten Brutsaison wirksam.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt: Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar. Die Maßnahme wird in der Literatur nicht genannt, ist jedoch von der Artökologie her plausibel.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

5. Prädatorenmanagement (Av6.1, Av6.2)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Der Einfluss von Prädatoren auf bodenbrütende Wiesenvögel wird zumindest lokal als wesentliche Rückgangsursache angesehen (umfassende Übersichten in LANGGEMACH & BELLEBAUM 2005; weiter z. B. JUNKER et al. 2006, RUNGE et al. 2010 S. A120). Hohe Prädationsraten können anderweitige Habitataufwertungen überlagern (z. B. BAUSCHMANN 2011, BIO Consult 2010, GRIMM 2005, FLETCHER et al. 2010, PUCHTA et al. 2009). In der Regel sind nachtaktive Raubsäugetiere für die Prädation verantwortlich (v. a. Rotfuchs und Wildschwein; weiterhin: Waschbär, Marderhund, Mink), aber auch Nagetiere und Vögel können in unterschiedlichem Maße als Prädatoren auftreten (z. B. Greifvögel, Rabenvögel, Möwen, Graureiher) (LANGGEMACH & BELLEBAUM 2005, HÖTKER et al. 2007 S. 73 f; SIEFKE et al. 2010, THYEN & EXO 2004.), Nagetiere, indirekt auch Kleinnager über ihre Bestandszyklen (SCHRÖPFER & DÜTTMANN 2010). Die Maßnahme umfasst ein aktives (Av 6.1) und passives (Av 6.2) Prädatorenmanagement, das die direkte Bejagung der Prädatoren, habitatsteuernde Maßnahmen oder einen (passiven) Ausschluss der Prädatoren durch Zäune vorsieht. Ein Prädatorenmanagement empfiehlt sich als ergänzende Maßnahme, wenn auf der Fläche nachgewiesenermaßen hohe Dichten der Prädatoren bestehen und bekannt ist, welcher Prädator einen starken Einfluss auf welche Zielart hat.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Zur grds. Eignung (Offenheit u. a.) siehe Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland.
  • Es bestehen auf der Fläche nachgewiesenermaßen hohe Dichten der Prädatoren. Es ist bekannt, dass und welcher Prädator einen starken Einfluss auf den Kiebitz hat.
  • Es bestehen keine nahen „Quellhabitate“ von Prädatoren außerhalb der Maßnahmenflächen (z. B. keine stark kleinparzellierte Struktur mit hohen Randeffekten: MACDONALD & BOLTON 2008, PUCHTA et al. 2009), ideal sind Standorte, bei denen die Zuwanderung von Randflächen reduziert ist (z. B. Inseln, Halbinseln).
  • Bspw. konnte im Seebachtal (Schweiz) trotz Elektrozaun nur ein geringer Bruterfolg festgestellt werden. Als Ursache wird eine hohe Prädationsrate vermutet (die Fläche lag nahe einem Waldbereich, MÜLLER et al. 2009 S. 341). Die Autoren folgern, dass kleinere Flächen im Umfeld von Waldbereichen offenbar nicht von Elektrozäunen profitieren, da sich kleine Kiebitzkolonien nicht gegenüber (Luft-) Prädatoren erfolgreich wehren können.
  • KÖSTER et al. (2001 S. 128) vermuten die hohe Prädationsrate beim Kiebitz im NSG „Alte-Sorge-Schleife“ (Schleswig-Holstein) in hohen Randeffekten begründet: Das Feuchtgrünland des NSG wird von Intensivgrünland und feuchten Moorflächen umgeben. Bei sehr feuchten Bedingungen wurde das NSG möglicherweise von Erdmäusen vom Moor her besiedelt, in trockeneren Jahren von Feldmäusen aus dem Intensivgrünland. So stehen im NSG ständig Kleinnager als Nahrungsquelle für Prädatoren zur Verfügung, aber nur in einem so geringen Ausmaß, dass diese sich nicht ausschließlich von ihnen ernähren können. Auch EXO (2008) fand beim Rotschenkel im Jadebusen eine lokale Variation der Prädationsrate, die er auf die unterschiedliche Erreichbarkeit für Prädatoren zurückgeführt (Nähe von Deichen mit angrenzenden Baum- und Buschreihen).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Aktives Prädatorenmanagement durch Bejagung / Tötung der Prädatoren durch erfahrene Berufsjäger, z. B. durch Verwendung von Kunstbauten oder Jungfuchsbejagung beim Rotfuchs. Die Verwendung von Giften ist zwar wirksam, aber aus rechtlichen Gründen problematisch (LANGGEMACH & BELLEBAUM 2005 S. 281).
  • Passives Prädatorenmanagement (Bodenprädatoren) durch Körbe / Elektro-Zäune um das Nest oder die Nahrungshabitate zur Verhinderung der Prädation auf die Jungen (RICKENBACH et al. 2011, SMITH et al. 2011). Nach BOSCHERT (2008) ist es für den Maßnahmenerfolg wichtig, dass die Zäune aus mehreren quer verlaufenden und Strom führenden sowie senkrechten und nicht Strom führenden Litzen bestehen und eine Maschenweite von max. 15 x 15 cm aufweisen, Zäune mit wenigen, horizontal verlaufenden und Strom führenden Litzen zeigen offensichtlich keinen Erfolg. Idealerweise wird ein möglichst großer Raum um das Nest eingezäunt, um den nestflüchtenden Jungtieren möglichst lange einen Schutz vor Prädatoren zu geben (BOSCHERT 2008 S. 351 empfiehlt für den Brachvogel mind. 2 ha).
  • Passives Prädatorenmanagement durch habitatsteuernde Maßnahmen:
  • Reduzierung von Gehölzen und höherwüchsigen Krautbeständen, die von Greifvögeln, Rabenvögeln, Säugetieren o. a. als Sitzwarten / Rückzugsräume genutzt werden können (JUNKER et al. 2006).
  • Rückbau von Strukturen die dem Rotfuchs als Behausung bzw. Tagesversteck dienen könnten (z. B. leerstehende Gebäude, JUNKER et al. 2006).
  • Großflächige Wiedervernässung mit dem Ziel, das Angebot an Kleinnagern als Nahrungsgrundlage für den Rotfuchs zu verringern. Die Wirksamkeit winterlicher Überstaumaßnahmen konnte in einigen Fällen gezeigt werden. Allerdings können die Überstauungen auch lediglich zu einer Verschiebung des Prädatorenspektrums (Fuchs zu Iltis und Mink) führen und sich negativ auf die Nahrungsverfügbarkeit v. a. der Bodentiere auswirken (HÖTKER et al. 2007 S. 75, vgl. Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland). Weiterhin gibt es auch Beispiele, bei denen selbst in von Gräben umschlossenen, großen Grünlandgebieten mit hohem Wasserspiegel Rotfüchse hohe Gelege- und Kükenverluste bei Wiesenvögeln verursachten. Dies kann damit zusammenhängen, dass die Wiedervernässung nicht notwendigerweise zu einem Nahrungsengpass für den Rotfuchs führt, da nun andere Beutetierarten wie Bisam oder Enten auftreten können. Weiterhin stehen Wühlmäuse – wenn diese durch die Überstauung dezimiert werden – nicht mehr als Nahrungsquelle für Raubsäuger zur Verfügung, wodurch sich der Prädationsdruck auf Bodenbrüter ggf. noch erhöht.
  • KEMPF (2005 zit. bei JUNKER et al. 2006) fand bei winterlichen Überstauungen von Grünland im Bremer Raum, dass der Erdmausbestand bei starken jährlichen Schwankungen abnahm und die geringe Kleinsäugerdichte für die Prädatoren bis zum Hochsommer kein attraktives Nahrungsangebot darstellte. Im August / September kamen die Erdmäuse dann aber wieder in mittleren bis hohen Dichten vor, so dass durch die Überschwemmungen im Untersuchungsgebiet die Prädatoren wahrscheinlich nicht dauerhaft verdrängt werden können.
  • Passives Prädatorenmanagement durch Vergrämung / Repellentien, chemische Fortpflanzungshemmung: Diese Methoden befinden sich noch im Erprobungsstadium, es liegen (noch) keine gesicherten Erkenntnisse dazu vor. Die Maßnahmen sind noch nicht praxisreif (GRIMM 2005 S. 339, JUNKER et al. 2006, LANGGEMACH & BELLEBAUM 2005 S. 283).
  • Sofern noch nicht vorhanden, Schaffung von Störungsarmut (Reduzierung von Freizeitnutzung, auch: starker Besatz mit Weidetieren): Die Wirkung der Prädation steht in Wechselwirkung mit den Eigenschaften des Lebensraumes. So konnte häufig beobachtet werden, dass Prädationsraten auf stark beweideten Parzellen höher waren als auf unbeweideten – vermutlich wegen mangelnder Deckung und vermehrten Störungen (HÖTKER et al. 2007 S. 73; SCHEKKERMANN et al. 2009 für die Uferschnepfe). Auch können Störungen durch Menschen zu einer erhöhten Prädationsrate führen, wenn durch die Störung der Zugang für die Prädatoren erleichtert wird (MÜLLER et al. 2009 S. 331).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Elektrozaun: Dauerhafte Kontrolle auf Funktionstüchtigkeit der Einrichtung täglich bis wöchentlich zwischen Eiablage und Schlupf der Jungen (z. B. Freimähen, Prüfung der Batterien).
  • Habitatsteuernde Maßnahmen: Aufrechterhaltung der Offenheit.
  • Der Abschuss muss jährlich wiederholt (und mit großer Intensität) durchgeführt werden.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Aktives Prädatorenmanagement kann zu Störungen von Ziel- und Nichtzielarten führen.
  • Aktives Prädatorenmanagement und individueller Nestschutz (Auszäunungen) sind sehr personalaufwändig.
  • Unterschiede bestehen in der Frage, ob eine aktive Reduzierung von Prädatoren, insbesondere von Raubsäugern, nur lokal z. B. in Schutzgebieten seltener Bodenbrüter (HERRMANN 2009) oder generell und flächenhaft (KÖPPEN 1999, PROFT 2010, SIEFKE et al. 2010) anzustreben sei.
  • BOLTON et al. (2007) entwickelten ein Schema (für Kiebitz in Bezug auf Rabenkrähe und Rotfuchs), das als grundsätzliche Orientierung für ein aktives Prädatorenmanagement herangezogen werden kann.
  • Eine umfassende fachliche Vorbereitung beim aktiven Prädatorenmanagement ist einerseits notwendig, um den fachlichen Erfolg sicherzustellen. Zum anderen erscheint eine umfassende Planung und Begründung aber weiterhin geboten, um auch „weichen“ Faktoren wie (tier-) ethischen Gesichtspunkten bei der Regulierung hochentwickelter Wirbeltiere begegnen zu können (z. B. LANGGEMACH & BELLEBAUM 2005 S. 280, LITTIN et al. 2004). V. a. im englischsprachigen Raum gibt es zur Behandlung dieser Thematik Ansätze (z. B. BROOM & BRADSHAW 2000, COWAN 2011, FOX et al. 2003, FRASER 2010, LITTIN 2010, MATHEWS 2010, PAQUET & DARIMONT 2010), weiterhin auch bei GORKE (2010), PIECHOCKI et al. (2004 S. 532) und PIECHOCKI (2010 S. 183 ff.).

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Maßnahmen sind unmittelbar bzw. innerhalb der nächsten Brutsaison wirksam.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Positive Wirkungen vom Prädatorenmanagement auf Bodenbrüter sind mehrfach belegt (z. B. FLETCHER 2010, MÜLLER 1997), andererseits muss Prädation nicht immer ein entscheidender Faktor sein (HÖNISCH & MELTER 2009), eine Prädatorenkontrolle muss auch nicht immer zu einem Bestandsanstieg der Zielarten führen (BOLTON et al. 2007).
  • SMITH et al. (2011) kommen nach einer Literaturauswertung zu dem Ergebnis, dass Gelegeschutz durch Körbe oder Zäune in der Regel eine geeignete Maßnahme ist. Grundsätzlich wird der Einsatz von Elektrozäunen als positiv bewertet. Elektrozäune wirken jedoch nicht gegen flugfähige Prädatoren wie Rabenvögel, Greifvögel oder Möwen. Elektrozäune können im Einzelfall auch vom Fuchs o. a. überwunden werden (BOSCHERT 2008 S. 349, SCHIFFERLI et al. 2009 S. 323) und bieten ferner wahrscheinlich auch keinen Schutz gegen Kleinsäuger (abhängig von der Maschenweite), die ggf. auch als Prädatoren auftreten können. ISAKSSON et al. (2007) weisen darauf hin, dass durch Auszäunung geschützte Nester von Kiebitz und Rotschenkel zwar höheren Bruterfolg hatten, sie weisen jedoch auf erhöhte Prädationsraten brütender Altvögel beim Rotschenkel hin, die oft lange sitzen blieben, wenn ein Prädator sich näherte. Die Autoren empfehlen Auszäunungen für Arten, die das Nest bereits verlassen, wenn der sich nähernde Prädator noch weiter entfernt ist..Nach HGON (2009) erreichten durch die Elektrozäune und die Flutmulden 3 von 4 Brachvogelgelegen Bruterfolg, während in den Vorjahren kein Junges flügge geworden war. Nach BOSCHERT (2008, 2010) konnten durch Elektrozäune beim Brachvogel hohe Schlupferfolge und – teilweise – auch hohe Bruterfolge erzielt werden, wobei jedoch auch andere Faktoren (v. a. Witterung) eine Rolle spielten. Unklarheiten bestehen noch zu dem Aspekt, inwieweit ein erhöhter Bruterfolg durch die Maßnahmen auch zu einem Populationsanstieg führt. Positive Effekte von Auszäunungen gegenüber Bodenprädatoren belegen auch RICKENBACH et al. (2011, Kiebitz), KUBE et al. (2005 S. 304) und LANGGEMACH & BELLEBAUM (2005 S. 279 Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel).
  • Die Entfernung von Gehölzen zur Reduktion des Prädatoreneinflusses durch Vögel (z. B. Rabenkrähe, Mäusebussard) / das Reduzieren von für den Rotfuchs potenziellen Versteck- oder Wurfbauflächen wird als geeignete (Teil-) Maßnahme eingestuft. Ob diese Maßnahme für sich allein ausreicht, ist im Einzelfall festzulegen und ggf. mit einem Monitoring zu begleiten.
  • Zur Wirkung von Wasserstandsanhebungen zum Ausschluss von Bodenprädatoren liegen noch widersprüchliche Aussagen vor. Vermutlich ist ein wesentlicher Faktor die Größe der überstauten Fläche, so dass für randlich vorkommende Prädatoren ein „Puffer“ entsprechend deren Aktionsraumgröße eingeplant werden muss. Die Maßnahme wird als grundsätzlich geeignet eingestuft, soll jedoch mit einem Monitoring verbunden werden.
  • Tötungen von Prädatoren führten in vielen Fällen zu höheren Reproduktionsleistungen bei den Wiesenvögeln, aber nicht immer zu positiven Bestandsveränderungen. Einen Bestandsanstieg der Zielarten durch Prädatorenkontrolle führen z. B. FLETCHER et al. (2010) und MÜLLER (1997) an, während z. B. bei PUCHTA et al. (2009) keine Reduktion der Prädationsrate trotz intensiver Bejagung erreicht werden konnte und BOLTON et al. (2007) keinen Einfluss auf die Bestandsentwicklung der Zielarten fand. Nach HARTMANN (2002, zit. bei LANGGEMACH & BELLEBAUM 2005) konnten Treibjagden, Falleneinsatz, Aufgraben von Wurfbauen, Einsatz von Kunstbauten, chemische Duftkonzentrate u. a. teilweise nicht einmal auf kleinen Inseln wie der Greifswalder Oie (54 ha, 12 km vor der Küste) eine Freiheit von Bodenprädatoren gewährleisten. Möglicherweise war die Bejagung immer noch nicht intensiv genug. Aufgrund der starken regionalen Unterschiede im Umfang der Prädation von Wiesenvogelküken und -gelegen sowie den beteiligten Prädatoren ist die Entscheidung, ob ein Prädatorenmanagement sinnvoll ist oder nicht und wie dieses durchzuführen ist, eine Einzelfallentscheidung, die eine umfassende Planung voraussetzt. Nach LANUV (2011b, S. 111) kann eine Prädatorenbejagung in Einzelfällen zur Sicherung des Bruterfolges erforderlich sein, zunächst sollte aber ein Nachweis von Schäden erfolgen. Nach LANUV (ebd. S. 243) liegen die Hauptgefährdungsursachen von Bodenbrütern zumeist in Lebensraumverschlechterungen, daher sei ein eventuelles Prädatorenmanagement bestenfalls als lokale Zusatzmaßnahme und mit geringerer Priorität durchzuführen. Die Wirksamkeit einer Prädatorenbekämpfung ist vor allem an solchen Orten zu erwarten, an denen die freigewordenen Reviere nicht unmittelbar durch benachbarte Individuen aufgefüllt werden können, also etwa auf Inseln oder Halbinseln (HÖKTER et al. 2007 S. 74). Aktives Prädatorenmanagement ist (auch wegen teilweise widersprüchlicher Befunde) keine eigenständige vorgezogene Ausgleichsmaßnahme, sie kann bei örtlicher Notwendigkeit jedoch andere vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen ergänzen. BOLTON et al. (2007) entwickelten ein Schema (für Kiebitz in Bezug auf Rabenkrähe und Rotfuchs), das als grundsätzliche Orientierung für ein aktives Prädatorenmanagement herangezogen werden kann. Die Maßnahme ist mit einem Monitoring zu verbinden.
  • Nach Bewertung im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen 8.11.2011) besteht für Maßnahmen zum aktiven Prädatorenmanagement grundsätzlich eine geringe, für Maßnahmen zum passiven Prädatorenmanagement grundsätzlich eine mittlere Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: mittel (passive Maßnahmen) bis gering (aktive Maßnahmen); beide nur als flankierende Maßnahme

6. Fazit

Für den Kiebitz liegen zahlreiche Untersuchungen zur Durchführung von Maßnahmen vor. Danach lassen sich grundsätzlich vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen durchführen, für die jedoch – in unterschiedlichem Ausmaß – ein hoher Flächenbedarf, ein hoher Zeit- und Personalbedarf und umfassende Vorplanung bzw. Monitoring erforderlich sind.

Angaben zu Priorisierung:

Die Entwicklung und Pflege von Habitaten im Grünland hat eine höhere Priorität als die Entwicklung und Pflege von Habitaten im AckerSchutz von Gelegen vor Verlusten durch landwirtschaftliche Bearbeitungsgänge oder Viehtritt: geringe Priorität