Kiebitz  (Vanellus vanellus (L.))

EU-Code: A142

Artspezifisch geeignete Kartiermethoden (Methodensteckbriefe)

1. Bestandserfassung (Ersterhebung)

1.1. Bestandserfassung Brutvögel

1.1.1. Kartiermethode: Revierkartierung

Erfassung aller territorialen, balzenden, verpaarten, kopulierenden, brütenden, warnenden und verleitenden Altvögel sowie die Zählung von Familienverbänden.

1.1.2. Termine:

Im Grünland Termine 1-3 (4), in Ackergebieten Termine 2-4.

  • 1. Ende März (Zählung territorialer, verpaarter, balzender und brütender Altvögel).
  • 2. Anfang April (Zählung territorialer, verpaarter, balzender, brütender und warnender Altvögel).
  • 3. Anfang bis Mitte April (Zählung territorialer, verpaarter, balzender, brütender und warnender Altvögel sowie von Familienverbänden).
  • 4. Termin in Ackergebieten: Ende April bis Mitte Mai (Zählung territorialer, verpaarter, balzender, brütender und warnender Altvögel sowie von Familienverbänden).
1.1.3. Günstige Tageszeit:
  • Vormittags und später Nachmittag.
1.1.4. Auswertung der Bestandserfassung:

Wertungsgrenzen: Mitte März bis Anfang Juni.

  • Brutverdacht:
    • Einmalige Feststellung intensiv warnender Altvögel.
    • Einmalige Feststellung eines balzenden oder kopulierenden Paares.
    • Zweimalige Beobachtung eines Paares im Abstand von mindestens 7 Tagen, davon eine Ende März bis Anfang Mai.
    • Zweimalige Beobachtung eines balzenden Männchens im Abstand von mindestens 7 Tagen, davon eine Ende März bis Anfang Mai.
  • Brutnachweis: insbesondere
    • Brütende Altvögel.
    • Verleitende Altvögel.
    • Junge führende Altvögel.
1.1.5. Hinweise:
  • Nach Möglichkeit den Bestand anhand brütender Altvögel ermitteln.
  • Die Zählung der Altvögel sollte nach Geschlechtern getrennt erfolgen.
  • Bei Junge führenden Paaren ist zu berücksichtigen, dass die Familienverbände sehr mobil sind (Entfernungen von mehr als 500 m in einer Nacht) und andere Gebiete aufsuchen können.
  • Durch die erste Mahd oder Umpflügen von Äckern bzw. Einsaat gehen Gelege verloren und die Kiebitze können die Flächen verlassen. Sie sind trotzdem als Brutvögel zu werten, wenn vorher die o.g. Kriterien erfüllt wurden.
  • Für die Bestandsermittlung muss auf Nachgelege aber auch auf Zuzug aus anderen Gebieten ab Anfang Mai geachtet werden. Deshalb kann auch in extensivem Grünland ein 4. Erfassungstermin notwendig sein.

1.2. Bestandserfassung Rastvögel (Rastplätze)

Die Kiebitze nächtigen zumeist in Gruppen in flachen Uferbereichen, auf überstautem oder trockenem Grünland oder auf überstauten brachliegenden Ackerflächen und Mooren, während sie tagsüber auf Nahrungssuche gehen.

1.2.1. Kartiermethode:

Schlafplatzzählung:

  • Zur Identifikation von Schlafplätzen werden in der Abenddämmerung und nachts entsprechende Habitate abgefahren und auf Ansammlungen/einfliegende Tiere bzw. artspezifische Rufe kontrolliert. Die Bestände werden dann am nächsten Tag erfasst.
  • Eine andere Methode besteht darin Nahrung suchende Trupps vor Sonnenuntergang aufzusuchen und diesen bis zum Schlafplatz zu folgen (setzt eine gute Infrastruktur voraus).
  • Die Zählung findet um Sonnenuntergang statt, wobei alle einfliegenden und bereits rastenden Individuen gezählt werden. Gezählt wird in 10er-, 50er- oder 100er-Einheiten.

Zählungen in den Äsungsgebieten:

  • Hierzu werden die Nahrungsgebiete vorzugsweise mit dem Auto abgefahren (geringere Störwirkung) und die Kiebitztrupps mittels Fernglas oder Spektiv ausgezählt (Hornman et al. 2012). Trupps bis 100 Individuen können einzeln ausgezählt werden, Trupps bis 1.000 in Zehnerblöcken und größere Trupps in Hunderterblöcken.
  • Mitunter kommt es oft zu einer Vermischung mit anderen Arten. Wenn eine Art im Trupp stark dominiert, zählt man zunächst diese (dabei bekommt man schon einen Überblick über weitere vorhandene Arten) und anschließend gezielt die selteneren Arten. Wenn zwei oder mehr Arten häufig sind (z.B. 1.200 Individuen von Art A, 600 Individuen von Art B) dann kann man beide Arten mit einer Mehrfachzähluhr in einem Durchgang auszählen oder nacheinander. Trupps über 1.000 Individuen sind zwei Mal zu zählen. Weichen die Werte um mehr als 10 % voneinander ab, ist eine dritte Zählung durchzuführen. Der Mittelwert der beiden ähnlichsten Zählwerte liefert das Ergebnis.
1.2.3. Termine:

Die Rastbestände unterliegen einer starken Dynamik durch Vogelzug, Witterung und ggf. Störungen, wodurch sie sich sehr schnell ändern können. Deshalb ist eine mehrmalige Erfassung der Rastbestände notwendig, wobei der Aufwand dem jeweiligen Vorhaben angepasst wird.

  • Anfang August bis Mitte Dezember und Mitte Februar bis Mitte April.
  • Kartierintensität: je eine Zählung pro Dekade (entspricht 3 Monatszählungen).
1.2.4. Günstige Tageszeit:
  • Zählung auf Äsungsflächen: von 1 Stunde nach Sonnenaufgang bis 2 Stunden vor Sonnenuntergang.
  • Schlafplatzzählung bei Sonnenuntergang: 2 Stunden vor bis 1,5 Stunden nach Sonnenuntergang.
1.2.5. Auswertung der Bestandserfassung:
  • Angabe der Tageszählungen (Bestandsgrafik).
  • Maximalwertbetrachtung.
  • Berechnung von Vogeltagen (vereinfacht: Mittelwert der pro Zählung erfassten Individuenanzahl multipliziert mit der Anzahl der Rasttage).
  • Zeitraum der Anwesenheit im Rastgebiet.
1.2.6. Hinweise:
  • Die Verwendung von Zähluhren ist sinnvoll.
  • Die artspezifischen Rufe müssen bekannt sein.

1.3. Bestandserfassung Zugvögel (Zugbewegungen, Pendelflüge)

Großräumige Zugbewegungen finden bei Kiebitzen vorwiegend nachts (aber auch tagsüber) und in für die meisten Planvorhaben zumindest im Tiefland unkritischen Höhen statt. So erfolgten auf Fehmarn 84 % des allgemeinen Vogelzuges im Frühjahr und 89 % im Herbst oberhalb von 200 m (BioConsult SH u. ARSU 2010), wobei sich solche Zugbewegungen nur mittels Radarmessungen verfolgen lassen (z.B. Hill u. Hüppop 2006). In welchen Höhen die nordrhein-westfälischen Mittelgebirge überflogen werden ist unbekannt. Planungsrelevant können dagegen tagsüber durchgeführte Pendelflüge zwischen Rast- und Nahrungsgewässern/-flächen sein, wenn diese Flugkorridore durch Bauvorhaben beeinträchtigt werden. Darüber hinaus ist der An-/Abflugbereich von Rastgewässern/-flächen auch in Bezug auf ankommende/abziehende Zugvögel relevant.

1.3.1. Kartiermethode:

Direktbeobachtung und Protokollierung von Flugbewegungen (An-, Ab-, Überflug). Eine Korrelation von Bestandsdaten aus Schlafplatzzählungen und Erfassungen auf den Äsungsflächen gibt Hinweise auf mögliche Pendelflugrouten.

1.3.2. Termine:
  • Anfang August bis Mitte Dezember und Mitte Februar bis Mitte April.
  • Kartierintensität: je eine Zählung pro Dekade (entspricht 3 Monatszählungen).
1.3.3. Günstige Tageszeit:
  • Pendelflüge zwischen Gewässern und Äsungsgebieten erfolgen insbesondere um Sonnenauf- und -untergang. Diese Zeiten sind auch günstig für die Erfassung ankommender/abziehender Zugvögel.
1.3.4. Auswertung der Bestandserfassung:
  • Darstellung der Flugrouten in Karten.
1.3.5. Hinweise:
  • Die artspezifischen Rufe müssen bekannt sein.

Literatur

  • Hornman M., Hustings F., Koffijberg K. u. Klaassen O. (2012). Handleiding Sovon Watervogel- en slaapplaatstellingen. Sovon Vogelonderzoek Nederland, Nijmegen.
  • www.sovon.nl: Vogelinfo – Soorten – [Artname] – Telrichtlijnen (Abruf am 25.04.2013).
  • BioConsult SH GmbH u. Co.KG u. ARSU GmbH (2010): Zum Einfluss von Windenergieanlagen auf den Vogelzug auf der Insel Fehmarn. Gutachterliche Stellungnahme auf Basis der Literatur und eigener Untersuchungen im Frühjahr und Herbst 2009. Im Auftrag der Fehmarn Netz GmbH u. Co. OHG. http://www.bioconsult-sh.de/pdf/Gutachten_Fehmarn_20100310.pdf.
  • Hill, R. u. Hüppop, O (2006):Techniken zur Erfassung des „unsichtbaren Vogelzuges“ über See. Jber. Insitut für Vogelforschung 7: 21-22.