Wiesenweihe (Circus pygargus (L.))
Artenschutzmaßnahmen
- Entwicklungsmaßnahmen im Ackerland (O2) (Entwicklung geeigneter Horststandorte)
- Nutzungsextensivierung von Grünland (O1.1), Nutzungsextensivierung von Intensiv-Äckern (O2.1), Anlage von Ackerbrachen (O2.2) (Entwicklung geeigneter Nahrungsflächen)
- Fazit
Maßnahmen im Einzelnen
1. Entwicklungsmaßnahmen im Ackerland (O2) (Entwicklung geeigneter Horststandorte)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
In der Maßnahme werden strukturell geeignete Horststandorte geschaffen / optimiert.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
- Weithin offene Standorte (ggf. im Zuge der Maßnahme herzustellen).
- Idealerweise im näheren Umfeld zu weiteren Wiesenweihenhorsten (LIMINANA et al. 2011).
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Brutpaar: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung sowohl in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht ausgleichen.
- Einsaat bzw. Pflege von Vegetationsstrukturen, die eine Vegetationshöhe von 40-100 cm ausbilden (Getreide) (BAUER et al. 2005, MEBS & SCHMIDT 2014). Schutzmaßnahmen vor der Mahd sind notwendig.
- Sofern nicht vorhanden, Schaffung von Störungsarmut (Spaziergänger, Jagd, etc.) insbesondere während der Balz, Brut- und Jungenaufzucht (April bis August) im Umfeld von bis zu 200 m.
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Gewährleistung der Offenheit und der Vegetationshöhen von 40-100 cm während der Brutzeit (April bis August) durch Mahd nach Abschluss des Brutgeschehens (Mai bis August).
Weitere zu beachtende Faktoren
- Mögliche Konkurrenz mit Rohrweihe (Prädator von Wiesenweihennestlingen) beachten (HOFFMANN 2003: 13).
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Maßnahmen im Acker: wirksam innerhalb eines Jahres bzw. innerhalb der nächsten Brutperiode (sobald die entsprechende Vegetationshöhe erreicht ist).
- Übrige Standorte: Unter günstigen Bedingungen (Optimierung aktuell suboptimaler Habitate) Wirksamkeit innerhalb von bis zu 2 Jahren.
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen können kurzfristig bereitgestellt werden.
- Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt. Schaffung und Erhalt geeigneter Brutplätze werden z.B. von LANIS RLP (o.J.) und NLWKN (2010) empfohlen.
- Es liegen keine Wirksamkeitsbelege vor. Die Maßnahmendurchführung weist Unsicherheiten auf; aufgrund der folgenden Aspekte wird die Plausibilität der Wirksamkeit als gering eingestuft:
- Die Ortstreue ist nur unter günstigen Bedingungen mit gutem Nahrungsangebot hoch ausgeprägt (ARROYO ET AL. 2002: 289; LIMINANA et al. 2011, z.B. Brutkolonien mit hohem Bruterfolg).
- Bezüglich der Faktoren, die die konkrete Nisthabitatgüte ausmachen, besteht noch Untersuchungsbedarf (ebd., RATTINER 2002: 135). Dies gilt insbesondere, wenn die Maßnahmenflächen eine höhere Attraktionswirkung als die Umgebung haben sollen, um die Annahme als Horststandort sicherzustellen. Aufgrund der Besiedlung auch von Getreideäckern ist unklar, ob bei Ankunft im Brutgebiet potenzielle Horststandorte ein limitierender Faktor sind (ARROYO et al. 2002 weisen auf die Rolle von Nahrungshabitaten als entscheidenden Faktor hin). Die Annahmewahrscheinlichkeit einer konkreten Fläche (Parzelle / Ackerschlag) als Brutplatz dürfte daher (insbesondere in suboptimalen Gebieten) gering sein, zumal das Vorhandensein von Artgenossen (auch) als wesentlicher Faktor gilt (LIMINANA et al. 2011). Habitatverbessernde Maßnahmen führen möglicherweise zunächst zu einer Steigerung der Siedungsdichte am bisherigen Koloniestandort, ehe neue Kolonien an anderen Standorten gegründet werden (ebd.).
- Die Wiesenweihe ist eine sehr seltene Brutvogelart in Nordrhein-Westfalen. Die Konzeption von Maßnahmen im Einzelfall bedarf der Einbeziehung von Artexperten.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Ja
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: gering
Fazit
gering, als CEF-Maßnahme i.d.R. nicht geeignet
2. Nutzungsextensivierung von Grünland (O1.1), Nutzungsextensivierung von Intensiv-Äckern (O2.1), Anlage von Ackerbrachen (O2.2) (Entwicklung geeigneter Nahrungsflächen)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Kurzrasige Strukturen sind für die Wiesenweihe während der Nahrungssuche wichtig, um die Zugänglichkeit zu den v. a. als Nahrungstieren genutzten Kleinsäugern zu ermöglichen (z. B. SCHLAICH et al. 2015: 714). Die Maßnahme stellt günstige Nahrungshabitate bereit, indem ein stetiges Angebot kurzrasiger Bereiche innerhalb eines strukturierten Grünlandes / strukturierter Äcker zur Verfügung gestellt wird. Aufgrund der Größe des Aktionsraumes ist eine flächendeckende Neuanlage / Optimierung von Nahrungshabitaten nicht möglich und sinnvoll. Die Lebensraumkapazität kann aber punktuell durch mehrere verteilt liegende Maßnahmenflächen qualitativ erhöht werden.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
- Kein Grünlandumbruch für Maßnahmen im Acker.
- Weithin offene Standorte (oder im Rahmen der Maßnahme herzustellen).
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Paar: Es gibt keine begründeten Mengen- bzw. Größenangaben in der Literatur. Plausibel
- erscheinen folgende Orientierungswerte: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung; als Faustwert werden für eine signifikante Verbesserung des Nahrungsangebotes pro Paar insgesamt mind. 2 ha Maßnahmenfläche oder mind. 1000 m Saumstreifen (Breite > 10 m) empfohlen.
- Die folgenden Maßnahmentypen werden zur Förderung des Strukturreichtums idealerweise in Kombination miteinander durchgeführt. Von hoher Bedeutung sind dabei die Maßnahmen zu lückigem, strukturiertem Grünland und zu lückigen, strukturierten Ackerbrachen, da durch sie ein weitgehend kontinuierliches Angebot an kurzrasigen Flächen, die den Zugriff auf Nahrungstiere ermöglichen, gewährleistet ist. Hoch- und dichtwüchsige Flächen (z. B. dichtwüchsiges Grünland, Luzerne) weisen eine hohe Attraktivität nur bis wenige Tage nach der Mahd auf. Dabei können sich permanente Feldmauspopulationen, die eine ausreichend hohe Beutedichte längerfristig sicherstellen, nur in solchen Flächen entwickeln, die über mehrere Jahre als Grünlandflächen oder Stilllegungen erhalten bleiben und in dieser Zeit lediglich, geschnitten aber nicht umgebrochen werden (KRACHER 2008: 62).
- Kein Einsatz von Dünger, Pestiziden oder Rodentiziden. Ausnahmen sind in Absprache mit der Naturschutzbehörde möglich.
- Grünland (Mahd): Bei lückiger Vegetationsstruktur zweischürige Nutzung, dabei werden bei jedem Mahdereignis zum Erhalt des Strukturreichtums ca. 10 m breite Streifen randlich und / oder in der Fläche jeweils zur Hälfte von der Mahd ausgespart und beim nächsten Mahdtermin gemäht. Sofern die Vegetation nicht lückig ausgeprägt ist (eingeschränkter Zugriff auf Kleinnager), werden je nach Wüchsigkeit regelmäßig neu gemähte „Kurzgrasstreifen“ (< 20 cm Halmlänge) und höherwüchsige, abschnittsweise im mehrjährigen Rhythmus gemähte Altgrasstreifen / Krautsäume angelegt. Die Form von Alt- und Kurzgrasstreifen richtet sich nach den lokalen Bedingungen (gerade oder geschwungene Streifen). Die Streifenform ist wegen des hohen Grenzlinieneffekts wichtig (BOSSHARD et al. 2007, MÜLLER & BOSSHARD 2010, SCHWEIZER VOGELSCHUTZ SVS & BIRDLIFE SCHWEIZ 2010, SIERRO & ARLETTAZ 2007). Die Breite einzelner Streifen soll ca. 10 m (nach SIMON 2014: 1510 mind. 8 m). Die „Altgrasstreifen“ sollen als Kleinsäuger- und Insektenhabitat dienen, während die „Kurzgrasstreifen“ für die Zugriffsmöglichkeit auf Kleinsäuger wichtig sind. Abtransport des Mahdgutes. Bei der Mahd ist auf ein schonendes Mahdwerkzeug zu achten, um so Kleintiere nicht zu töten (z.B. Verwendung von Doppelmesser-Balkenmäher, SIMON 2014).
- Grünland (Beweidung): Bei einer Beweidung ist die Beweidungsintensität so zu wählen, dass der Fraß ein Muster von kurzrasigen und langrasigen Strukturen gewährleistet.
- Grünland (Mahd / Beweidung): Je nach Ausgangsbestand kann es sich anbieten, die den Anteil der Kräuter durch Einsaat mit standortsgemäßem, nicht zu Dichtwuchs neigendem Saatgut zu erhöhen.
- Anlage von lückigen Ackerbrachen durch Selbstbegrünung oder durch Einsaat mit standortsgemäßem Saatgut, das nicht zu Dichtwuchs neigt.
- Anlage von regelmäßig gemähten Feldfrüchten (z. B. Luzerne), die idealerweise in regelmäßigen Abständen streifenförmig gemäht werden (hohe Attraktivität während und bis wenige Tage nach der Mahd). Günstig ist eine Kombination von streifenförmigen Grünlandbrachen / Altgrasstreifen im Wechsel mit regelmäßig gemähten Feldfrüchten („Vogelfelder“, SCHLAICH et al. 2015: 714 ff. und 2017: 348), da sich in den Altgrasstreifen hohe Dichten an Kleinnagern entwickeln können, die dann auf den gemähten Flächen von den Weihen erbeutet werden (ebd.).
- Säume: Wiesenweihen nutzen oft lineare Grenzlinien für ihre Nahrungssuche (z. B. KRACHER 2008: 56). Maßnahmen zur Grünlandmahd / Ackerbrache können daher auch saumförmig z. B. als Randstreifen entlang von Parzellengrenzen umgesetzt werden, so dass der Saum auch in der Landschaft als Grenzlinie wirkt. Idealerweise werden unbefestigte Feldwege in die Maßnahme einbezogen. Bei gering befahrenen Wegen, die im Laufe der Vegetationsperiode zuwachsen, sollen dann die Fahrspuren o. a. Streifen offen / kurzrasig gehalten werden. Feldwege o. a. lineare Saumhabitate weisen eine hohe Attraktivität auf (GRAJETZKY et al. 2008, MATTHES 2011: 174).
- Gewährleistung freier Überflugmöglichkeiten für die Suchflüge (NLWKN 2010), d.h. ggf. Rodung von dichten und hohen Baumhecken (jedoch keine lückigen Hecken roden).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Sicherstellung der o. g. Pflegevorgaben.
- Pflege der Ackerbrachen durch Mahd / Grubbern im Regelfall ab Anfang August (LANUV 2010). Im Regelfall kein jährlicher Umbruch der Brachen, da Umbruch die Mäusebestände reduziert (z. B. KRACHER 2008: 61).
- Brachen weisen eine hohe Kleinsäugerfauna auf (WATZKE 2003: 63), sind jedoch bei hoher Wüchsigkeit der Bestände wegen des zunehmend hohen und dichten Bewuchses nur in den ersten 1-2 Jahren für Greifvögel geeignet (KOKS et al. 2007: 43). Die Brachedauer ist daher in Abhängigkeit von der Wüchsigkeit der Fläche festzulegen (ein- bis mehrjährig).
Weitere zu beachtende Faktoren
- Ein hoher Besatz von Mäusen kann zu Konflikten mit der Landwirtschaft führen. Der Mäusebestand kann jahrweise starken Schwankungen unterliegen („Gradationsjahre“).
- Bei Rodung von störenden Gehölzen ist auf Konflikte mit anderen Arten zu achten.
- Bei früher Mahd ist auf Konflikte mit anderen Feldvögeln (v. a. Bodenbrütern) zu achten.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Maßnahmen im Acker: Die Maßnahme ist in der nächsten Brutperiode mit Anlage der jeweiligen Kultur wirksam.
- Maßnahmen im Grünland: Wirksamkeit innerhalb von bis zu 2 Jahren.
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar.
- Die Artökologie ist gut bekannt: Kleinsäuger bilden insbesondere bei Massenvermehrungen einen wesentlichen Bestandteil der Nahrung (MEBS & SCHMIDT 2014: 275).
- Die Maßnahmentypen im Grünland und Acker werden z.B. von BAUER et al. (2005: 321), KOKS et al. (2007), LANIS (o.J.) und NLWKN (2010) empfohlen. KRACHER (2008: 62) und SZENTIRMAI et al. (2010) weisen auf die Bedeutung von kurzrasigen / lückigen Grünlandflächen für die Nahrungssuche hin und belegen hohe Nutzungsfrequenzen dieser Bestände. Auch GRAJETZKY et al. (2008) konnten eine Bevorzugung von Extensivweiden feststellen. Die besondere Attraktivität von lückigen Ackerbrachen und gemähten Luzernefeldern als Nahrungshabitat ist mehrfach nachgewiesen (bei Mahd nur bis wenige Tage nach dem Mahdtermin; GLIMM et al. 2001, JOEST 2009, KRACHER 2008, TRIERWEILER et al. 2010). SCHLAICH et al. (2015: 714 ff. sowie 2017: 348) zeigten die bevorzugte Annahme gemähter Luzernestreifen in „Vogelfeldern“ (s. o.) durch nahrungssuchende Wiesenweihen. Nach KOKS & VISSER (2002: 159) nahm der niederländische Wiesenweihenbestand infolge großflächiger Stilllegung von Äckern zu. Da Brachen auch einen höheren Kleinvogelbestand aufweisen als konventionell bewirtschaftete Felder (HÖLKER 2002: 202, JOEST 2009: 26), steht hier auch in Jahren mit geringem Mäuseangebot genügend Alternativ-Nahrung zur Verfügung.
- Die Maßnahme ist von der Artökologie plausibel, so dass grundsätzlich eine hohe Eignung als CEF-Maßnahme besteht.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Ja
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit
hoch, als CEF-Maßnahme geeignet
3. Fazit
Für die Wiesenweihe stehen kurzfristig wirksame Maßnahmentypen zur Entwicklung von Nahrungshabitaten zur Verfügung.