Rohrammer (Emberiza schoeniclus (Linnaeus, 1758))
Artenschutzmaßnahmen
Maßnahmen im Einzelnen
1. Anlage / Entwicklung von Röhricht – und Schilfbeständen (G3.5)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Neuanlage / Optimierung von Röhrichtbeständen, die eine Grundeignung aufweisen, jedoch aktuell suboptimal ausgeprägt sind (z.B. infolge von Gehölzbewuchs) als Brut- / Nahrungshabitat für die Rohrammer.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden). Weiterhin ist auf eine ausreichende Störungsarmut bezüglich Erholungsnutzung (Spaziergänger, freilaufende Hunde, Angler) zu achten.
- Idealerweise bereits vorhandene Röhrichtflächen oder (schmale) Ufersäume von Gewässern.
- Aktuell für die Rohrammer suboptimale Ausprägung z.B. zu geringe Breite der Uferstreifen aufgrund angrenzender Mahd, Beweidung o.a.
- Grundsätzliche standörtliche Voraussetzung für das Wachstum von Schilfröhricht vorhanden (v.a. ausreichende Bodenfeuchte, Wasserstandsschwankungen beachten).
- Wasserqualität beachten: Schilf verträgt keine zu hohen Nährstoffkonzentrationen.
- Vorhandensein von die Vegetation überragenden Strukturen (Weiden, Faulbäume o. andere Gebüsche) als Singwarte (ggf. Anpflanzung von Gebüschen; BAUER et al. 2005: 600).
Anforderungen an Qualität und Menge
- Die Maßnahme muss die Beeinträchtigung mindestens im Verhältnis 1:1 ausgleichen (Größe und Qualität).
- Maßnahmen zur Förderung bestehender Röhrichte: a) Vernässung von ganzjährig trockenfallenden Röhrichten. b) Anlage von Schutzeinrichtungen für Röhrichte (z.B. Lahnungen zur Wellendämpfung, Treibgut-Schutzzäune, Sedimentfangkassetten: OSTENDORP 1993: 256).
- Bei der Neuanlage von Schilf-Röhricht ist eine detaillierte Prüfung zur Eignung des Standortes (Substrat, Wasserhaushalt) und zur Maßnahmendurchführung erforderlich, da sie ansonsten erfolglos verlaufen kann (z. B. JEDICKE 2000: 139). Da insbesondere beim Schilf die Etablierungsrate von Keimlingen gering ist und um die Ausbreitungsgeschwindigkeit zu erhöhen, soll die Neuanlage der Röhrichte über Anpflanzungen erfolgen. Die jeweils geeignete Pflanzmethode (z.B. Wurzelstecklinge, Rhizomballen, Rhizompflanzungen, flächige Vegetationsmatten mit Röhricht) ist auf den Einsatzort abzustimmen (KÜMMERLIN 1993: 227, OSTENDORP 2009: 133 f.). Schilf vermehrt sich überwiegend vegetativ, günstig sind daher in der Regel mehrere kleinere Pflanzflächen (in die sich das Schilf ausbreitet) anstelle einer großen Pflanzfläche (ROTH et al. 2001: 132). Untersuchungen zur Etablierung von Seeuferröhrichten zeigten, dass sich Schilfklone unterschiedlicher Herkunft nach Auspflanzen auf verschiedenen Standorten in ihrem Wachstumsverhalten innerhalb genetisch fixierter Bereiche bewegen. Daher besteht die Anforderung, eine gezielte Auswahl von Schilfklonen entsprechend der lokalen Standortbedingungen und benötigter phänotypischer Eigenschaften des Schilfs zu treffen (KOPPITZ et al. 1997, 1999 in WICHTMANN & TIMMERMANN 2001: 494 f.) Zum Schutz der Jungpflanzungen vor Wellenschlag und Fraß durch Vögel (insbesondere Gänse) oder Säuger (Nutria) müssen ggf. wasser- und landseitig Absperrungen errichtet werden. Wichtig für den Erfolg ist weiterhin das Einhalten der optimalen Pflanzzeit im zeitigen Frühjahr (FISELIUS et al. 1995, HERRMANN et al. 1993, KÜMMERLIN 1993). Bei größeren Gewässern sind begleitende Maßnahmen wie flache Gestaltung der Uferzonen, Errichtung von Vorschüttungen zum Schutz vor Ufererosion und mechanischer Belastung zu prüfen (FISELIUS et al. 1995). Über die Neuanpflanzung von Röhrichten berichten neben o. g. Autoren auch WICHTMANN & TIMMERMANN (2001), SCHROTH (1989) sowie AKERS & ALLCORN (2006) auf großer Fläche mittels rhizomhaltiger Bodenübertragung. Allgemeine Hinweise zur Anpflanzung von Röhrichten und Beispiele finden sich z.B. bei ÖKON Vegetationstechnik GmbH (o.J.), ausführliche Anleitungen für britische Projekte, insbesondere in Kiesgruben, bei RSPB (1990), HAWKE & JOSÉ (1996) und WHITE & GILBERT (2003).
- Schilf-Röhrichtflächen sind so anzulegen, dass der Randbereich möglichst klein ausfällt (Große oder kreisförmige Flächen). Somit verringert sich das Prädationsrisiko, welches mit zunehmendem Abstand zum Schilfrand abnimmt (PASINELLI & SCHIEGG 2012: 207).
- Auf eine ausreichende Deckung sowie Höhe des Röhrichtbestandes ist zu achten (Prädationsschutz, PASINELLI & SCHIEGG 2012: 207, BRICKLE & PEACH 2004: 76).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Schilfröhrichte brauchen in der Regel keine besondere Pflege. Ggf. Entnahme von Gebüschen bei starkem Gehölzaufwuchs.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Optimierung des Wasserstandes: Wirksam ab der nächsten Brutperiode.
- Erweiterung / Renaturierung von bestehenden Röhrichten: Wirksam innerhalb von 2 bis 5 Jahren. Schilf kann bei günstigen Bedingungen eine starke Ausbreitungsgeschwindigkeit zeigen.
- Neuanlage von Röhrichten: Die Dauer der Schilfentwicklung hängt von der Größe des Schilfbestandes ab: RUNGE et al. (2010: A158) gehen von einer kurzfristigen Wirksamkeit aus (1-3 Jahre), LFU (2006: 19) bei einer Anpflanzung von kleineren Beständen von einer Entwicklungsdauer von mind. 3-5 Jahren. Nach LFU (2006: 19) ist mit einer Zeitdauer von 5-10 Jahren zu rechnen, bis ein Großröhricht bei Spontanbesiedlung seine ökologische Funktion weitgehend erreicht hat (Ausgangssituation: Spontanbesiedlung)
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die Maßnahme ist kurzfristig wirksam.
- Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt.
- Die Maßnahme wird in BAUER et al. (2005: 599), BRICKLE & PEACH (2004: 76), GRÜNEBERG et al. (2013: 454) empfohlen. TESCH et al. (2010:198) beschreiben die „schnelle“ (ohne konkrete Angaben zu Zeiträumen) Besiedlung von Röhrichten durch die Rohrammer an der Unterweser bei Bremerhaven, die sich nach Ausdeichung und Nutzungseinstellung von den Grabenrändern her ausbreiteten.
- Die Wirksamkeit wird wegen der Plausibilität in Bezug auf die Artökologie als hoch eingeschätzt.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit
hoch
2. Fazit
Für die Rohrammer bestehen mit der Pflege und Entwicklung von Röhricht – und Schilfbeständen Möglichkeiten zur Durchführung vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen.