Mehlschwalbe (Delichon urbica (Linnaeus, 1758))
EU-Code: A253
Artenschutzmaßnahmen
Maßnahmen im Einzelnen
1. Anbringen von Kunstnestern (Av1.1)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Die Mehlschwalbe brütet meistens in selbst angefertigten Nestern an Gebäudewänden. V. a. bei Mangel an Baumaterial können Engpässe bei der Herstellung der Nester auftreten. Durch die Maßnahme werden der Mehlschwalbe artspezifische Nisthilfen angeboten.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
- In einer bestehenden Kolonie / an einem potenziellen Koloniestandort möglichst in der Nähe einer bestehenden Kolonie.
- Gewährleistung freien Anfluges (kein „Niedrigflug“ nötig, um Standort zu erreichen: Gefahr durch Prädation Hauskatze o. a.).
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte: Bei Betroffenheit von 1-10 Paaren werden pro Paar 2 artspezifisch geeignete Nistkästen angeboten (Fachhandel, Anleitung zum Eigenbau bei MENZEL 1996, S. 133). Bei > 10 Paaren werden rechnerisch 1,5 Nistkästen pro Paar angeboten, mind. jedoch 20.
- Mehlschwalben sind gesellig, daher keine einzelnen Nester anbringen, sondern mind. 6-10 zusammen (RUGE 1989, S. 83).
- Anbringungshöhe der Nisthilfen > (3) 4 m.
- Falls keine geeigneten Hauswände zur Verfügung stehen, können sog. „Schwalbenhäuser“ angeboten werden (LBV 2008, NABU Wettenberg o. J., www.schwalbenschutz.de)
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Kunstnester sind grundsätzlich jahrzehntelang haltbar. Um einen starken Befall mit Parasiten entgegenzuwirken, sollen die Kunstnester mind. alle 2 Jahre außerhalb der Brutzeit gereinigt werden. (Bei natürlichen Nestern ist keine Reinigung notwendig.)
Weitere zu beachtende Faktoren
- Anbringen von 20-30 cm breiten Schutzbrettern („Schwalbenbrettern“) unter der Nisthilfe, wenn die Verschmutzung am Boden problematisch ist. Der Abstand zu den Nestern und zum Dachüberstand sollte mindestens 60 cm betragen, da die Nester bei zu geringem Abstand nicht angenommen werden. Zudem besteht die Gefahr, dass z.B. Marder so die Nester erreichen können (www.schwalbenschutz.de)
- Für langfristige Wirksamkeit ist Akzeptanz bei Bevölkerung wichtig.
- Die Anlage von Schwalbenpfützen ist für Kunstnester nicht zwingend parallel durchzuführen, da die Nester bereits vorhanden sind. Sie ist trotzdem sinnvoll, um die Anlage natürlicher Nester in der Kolonie zu fördern.
- Konkurrenz mit Haussperling beachten (Haussperling kann Mehlschwalbennester besetzen).
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Kurzfristig wirksam innerhalb von 1 bis 5 Jahren. Kunstnester können im ersten Jahr (BLÖMECKE 2000, NABU Wettenberg o. J.; LBV 2008) bezogen werden, lokal auch nach mehreren Jahren, wenn die Mehlschwalben das Beziehen von Kunstnestern „lernen“ müssen (MENZEL 1996). Nach Annahme der ersten Kunstnester erfolgt die Besiedlung dann kurzfristig. Idealerweise werden die Kunstnester daher möglichst nahe zu einer bestehenden Kolonie angebracht (MENZEL 1996).
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen stehen kurzfristig bereit. Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt. Das Anbringen von Kunstnestern wird in der Literatur vorgeschlagen (BAUER et al. 2005, BLÖMECKE 2000, JUNKER-BORNHOLDT et al. 2001, Übersicht bei MENZEL 1996 S. 33, WILLI et al. 2011). Die Wirksamkeit ist zahlreich nachgewiesen (ebd.; weiterhin HAUSEN & ISSELBÄCHER 1999), ebenso die Annahme von „Schwalbenhäusern“ (LBV 2008, NABU Wettenberg o. J.) und kann bei bestehenden Vorkommen im nahen Umfeld als wissenschaftlich gesichert gelten. Daher ist eine Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme gegeben.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch
2. Anlage von Schwalbenpfützen (G2.2)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Für die Anlage ihrer Nester benötigt die Mehlschwalbe feuchte Pfützen o. a. Flachgewässer mit offenem Boden (Lehm, Erde oder Schlamm). Durch die Maßnahme wird ein Angebot dieser Strukturen zur Nestbauzeit gewährleistet.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
- In der Nähe einer Kolonie (bis ca. 500 m)
- Offener oder lückiger, lehmiger Boden (nach Befeuchtung dünnflüssig). Abdichtungen mit Folien o. a. sollen nicht durchgeführt werden.
- Freier Anflug ohne Gefährdungen durch Kollision o. a.
Anforderungen an Qualität und Menge
- Durchmesser einer Schwalbenpfütze mind. (0,5) bis 1 m (RUGE 1989, S. 80). Es gibt keine weiteren begründeten Mengenangaben in der Literatur. Plausibel erscheinen folgende Orientierungswerte: Bei 1-5 Paaren mind. 2 Schwalbenpfützen pro Paar oder eine entsprechend große Pfütze, bei > 5 Paaren rechnerisch 1,5 Pfützen, bei > 10 Paaren 1 Pfütze (oder jeweils eine entsprechend große geeignete Fläche).
- Während der Nestbauzeit im Mai / Juni ist eine ausreichende Feuchte zu gewährleisten.
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Während der Nestbauzeit im Mai / Juni ist eine ausreichende Feuchte zu gewährleisten.
Weitere zu beachtende Faktoren
- Bei Verwendung von Kunstnestern ist die Maßnahme nicht zwingend nötig, zur Anlage selbst gebauter Nester aber wünschenswert (s. Anbringen von Kunstnestern).
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Sofort bzw. in der nächsten Brutperiode
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar. Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt. Das Anlegen von Schwalbenpfützen wird in der Literatur empfohlen (JUNKER-BORNHOLDT et al. 2001, MENZEL 1996 S. 33, NABU 2007). Die Annahme ist nachgewiesen (ebd., SELONKE 1993) und auch aus der Artökologie heraus plausibel, da die Mehlschwalbe unter natürlichen Verhältnissen für ihren Nestbau flexibel auf kurzfristig / temporär verfügbare geeignete Stellen reagiert.
- Nach Bewertung im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen, 9.11.2011) besteht eine „hohe“ Eignung.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch
3. Fazit
Für die Mehlschwalbe stehen kurzfristig wirksame Maßnahmentypen zur Sicherung von Bruthabitaten zur Verfügung.
Angaben zu Priorisierung:
Anbringen von Kunstnestern: geringe Priorität