Teichrohrsänger (Acrocephalus scirpaceus (Herm.,1804))
EU-Code: A297
Artenschutzmaßnahmen
Maßnahmen im Einzelnen
1. Entwicklung von Schilfröhrichten (G3.5)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Der Teichrohrsänger brütet bevorzugt in Schilfröhrichten. Bestände, die eine Grundeignung aufweisen, jedoch aktuell z. B. aufgrund von Verlandung suboptimal ausgeprägt sind (GRÜLL & ZWICKLER 1993 S. 168, HUND & MÖRIKE 1993 S. 125 f.), werden in der Maßnahme für den Teichrohrsänger optimiert.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
- Idealerweise ist Schilfröhricht bereits vorhanden (Ziel: weitere Ausdehnung von vorhandenen Schilfröhrichten Bruthabitat zur weiteren Ausdehnung des Röhrichts) mit anschließender Verlandungszone (Nahrungshabitat).
- Aktuell für den Teichrohrsänger suboptimale Ausprägung als Brutstandort z. B. aufgrund von Gehölzbewuchs / starker Verlandung (Ziel: Renaturierung des Schilfröhrichts, Vernässung).
- Grundsätzliche standörtliche Voraussetzung für das Wachstum von Schilfröhricht vorhanden (v. a. ausreichende Bodenfeuchte, Wasserstandsschwankungen beachten).
- Wasserqualität beachten: Schilf verträgt keine zu hohen Nährstoffkonzentrationen.
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Paar: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Bei Funktionsverlust des Reviers mit Bezug zur lokal ausgeprägten Reviergröße und mind. 200 qm Schilffläche als Brutplatz (in Anlehnung an IMPEKOVEN (1990 S. 215, Sempachsee, Schweiz): am Sempachersee waren Schilfbestände von 60-130 qm zu 54 %, solche von 300-700 qm zu > 95 % besetzt) und Vorkommen von Einzelbüschen (z. B. Weiden) oder Stauden als Nahrungshabitat unmittelbar an das Röhricht angrenzend. Die Schilfröhrichte müssen die o. g. Ansprüche an einen Brutplatz erfüllen, d. h. keine stark verlandeten, sehr lückigen Schilfröhrichte. Bei linearen Schilfbeständen (z. B. an Ufern) mind. 3 m Breite (nach MKULNV 2007; Besiedlung entsprechender Habitate z. B. bei RANFTL 1993 S. 135, SCHNEIDER 1993 S. 82 f.). Unter Optimalbedingungen werden auch kleinere Schilfbestände ab (10) 20 qm besiedelt (SCHULZE-HAGEN 1993 S. 19, SCHNEIDER 1993 S. 85). In Schilfsäumen z. B. an Ufern ist die Dichte flächenbezogen rechnerisch größer als in großfächigen, einheitlichen Schilfarealen (z. B. IMPEKOVEN 1990 S. 217).
- Maßnahmen zur Förderung bestehender Schilf-Röhrichte: a) Zulassen der Ausbreitung durch Unterlassen der Mahd (z. B. bei an Wiesen angrenzenden linearen Röhrichtsäumen) oder Auszäunung (bei Beweidung); b) Vernässung in trockenen, verlandungsgefährdeten Röhrichten, c) Anlage von Schutzeinrichtungen für Röhrichte (z. B. Lahnungen zur Wellendämpfung, Treibgut-Schutzzäune, Sedimentfangkassetten: OSTENDORP 1993 S. 256), d) Entnahme von Gehölzen in Röhrichten.
- Bei der Neuanlage von Schilf-Röhricht ist eine detaillierte Prüfung zur Eignung des Standortes (Substrat, Wasserhaushalt) und zur Maßnahmendurchführung erforderlich, da sie ansonsten erfolglos verlaufen kann (z. B. JEDICKE 2000 S. 139). Da insbesondere beim Schilf die Etablierungsrate von Keimlingen gering ist und um die Ausbreitungsgeschwindigkeit zu erhöhen, soll die Neuanlage der Röhrichte über Anpflanzungen erfolgen. Die jeweils geeignete Pflanzmethode (z. B. Wurzelstecklinge, Rhizomballen, Rhizompflanzungen, flächige Vegetationsmatten mit Röhricht) ist auf den Einsatzort abzustimmen (KÜMMERLIN 1993 S. 227, OSTENDORP 2009 S. 133 f., ROTH et al. 2001). Schilf vermehrt sich überwiegend vegetativ, günstig sind daher in der Regel mehrere kleinere Pflanzflächen (in die sich das Schilf ausbreitet) anstelle einer großen Pflanzfläche (ROTH et al. 2001 S. 132). Untersuchungen zur Etablierung von Seeuferröhrichten zeigten, dass sich Schilfklone unterschiedlicher Herkunft nach Auspflanzen auf verschiedenen Standorten in ihrem Wachstumsverhalten innerhalb genetisch fixierter Bereiche bewegen. Daher besteht die Anforderung, eine gezielte Auswahl von Schilfklonen entsprechend den lokalen Standortbedingungen und benötigten phänotypischen Eigenschaften des Schilfs zu treffen (KOPPITZ et al. 1997, 1999 in WICHTMANN & TIMMERMANN 2001, S. 494 f.). Ggf. kann hierzu eine kleinflächige Umsiedlung von Schilfbeständen aus der Umgebung erfolgen. Zum Schutz der Jungpflanzungen vor Wellenschlag und Fraß durch Vögel (insbesondere Gänse) oder Säuger (Nutria) müssen ggf. wasser- und landseitig Absperrungen errichtet werden. Wichtig für den Erfolg ist weiterhin das Erhalten der optimalen Pflanzzeit im zeitigen Frühjahr (FISELIUS et al. 1995, HERRMANN et al. 1993, KÜMMERLIN 1993). Bei größeren Gewässern sind begleitende Maßnahmen wie flache Gestaltung der Uferzonen, Errichtung von Vorschüttungen zum Schutz vor Ufererosion und mechanischer Belastung zu prüfen (FISELIUS et al. 1995). Über die Neuanpflanzung von Röhrichten berichten neben o. g. Autoren auch WICHTMANN & TIMMERMANN (2001), SCHROTH (1989) sowie AKERS & ALLCORN (2006) auf großer Fläche mittels rhizomhaltiger Bodenübertragung. Allgemeine Hinweise zur Anpflanzung von Röhrichten und Beispiele finden sich z. B. bei ÖKON Vegetationstechnik GmbH (o. J.). und ROTH et al. (2001), ausführliche Anleitungen für britische Projekte, insbesondere in Kiesgruben, bei RSPB (1990), HAWKE & JOSÉ (1996) und WHITE & GILBERT (2003).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Schilfröhrichte brauchen in der Regel keine besondere Pflege. Ggf. Entnahme von Gebüschen bei starkem Gehölzaufwuchs.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Die notwendigen Strukturen sind kurzfristig innerhalb von 2-5 (-10) Jahren herstellbar:
- Erweiterung / Renaturierung von bestehenden Röhrichten: Wirksam innerhalb von 2 bis 5 Jahren. Schilf kann bei günstigen Bedingungen eine starke Ausbreitungsgeschwindigkeit zeigen. So berichten BAUER et al. (1993 S. 59) von einer 25 ha großen Schilffläche, die im März 1984 abbrannte. Im 2. Jahr war die Brandfläche vom Teichrohrsänger wieder normal besiedelt. Nach GRÜLL & ZWICKER (1993 Neusiedler See S. 163) ist der Teichrohrsänger in der Lage, auch jüngere, vertikal strukturierte Schilfbestände zu besiedeln, da er seine Nester auch an aufrechte Traghalme hängen kann. Mit zunehmendem Alter des Schilfs steigt jedoch die Siedlungsdichte: Auf 2jährigen Beständen betrug die Siedlungsdichte rechnerisch 60 Reviere / 10 ha, auf ca. 5jährige Bestände 180 Revieren / 10 ha und auf > 10jährige Bestände 285 Reviere / 10 ha (diese rechnerischen Werte dürfen nicht flächenhaft auf große Röhrichte hochgerechnet werden). Am Ettenbach (Baden-Württemberg) besiedelte der Teichrohrsänger die Uferböschungen, nachdem diese 3 Jahre lang nicht mehr gemäht wurden und sich ein kleiner Schilfbestand etablieren konnte (SCHNEIDER 1993 S. 94). Nach CHRISTENS (1989 S. 91) hat der Teichrohrsänger in einem isolierten Feuchtgebiet in der Schweiz vom zunehmenden Schilfaufkommen profitiert: Seit 1981 (7 Paare) hat der Brutbestand fast jedes Jahr zugenommen und sich bis 1988 (28 Paare) vervierfacht. In einer ehemaligen Abwasseraufbereitungsanlage in Thüringen (AUERSWALD 2011) siedelte der Teichrohrsänger erstmals 1999. Vorausgegangen war 1996 eine Initialpflanzung mit Schilf. Der anfängliche Brutbestand von 3 Paaren stieg in den Folgejahren durch sukzessive Entwicklung der Lebensräume auf 19-26 Paar an.
- Neuanlage von Röhrichten: Nach LfU (2006, S. 19) ist mit einer Zeitdauer von 5-10 Jahren zu rechnen, bis ein Großröhricht seine ökologische Funktion weitgehend erreicht hat (Ausgangssituation: Spontanbesiedlung). Bei einer Anpflanzung wird im günstigen Fall von einem Zeitraum von bis zu 5 Jahren ausgegangen, bis der für den Teichrohrsänger notwendige Zustand erreicht wird. SCHROTH (1989) weist eine erfolgreiche Rohrweihenbrut in einem angepflanzten, 4jährigen Schilfröhricht nach. Nach 5 Jahren hatte das Schilf eine Höhe von 2,5 m (ebd. S. 138).
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt. Die notwendigen Strukturen sind innerhalb von 2-5 (-10) Jahren herstellbar. Der Maßnahmentyp wird in der Literatur z. B. von BAUER et al. 2005 S. 235, BORNHOLDT 1993, DVORAK 2003, HÖLZINGER 1999 S. 1222, SCHNEIDER (1993 S. 94) empfohlen. Teichrohrsänger sind in der Lage, bei günstiger Entwicklung von Schilfröhrichten „rasch neue Gebiete zu nutzen“ oder mit einer Bestandszunahme zu reagieren (RANFTL 1993 S. 132). TESCH et al. (2010) beschreiben die Besiedlung von Röhrichten durch Teichrohrsänger an der Unterweser bei Bremerhaven, die sich nach Ausdeichung und Nutzungseinstellung von den Grabenrändern her ausbreiteten. Weiterhin beschreiben DÜRR & SOHNS (2001, Brandenburg) die erfolgreiche und rasche Annahme von sich ausbreitenden bzw. von der Mahd verschonten, bestehenden Röhrichten durch den Schilfrohrsänger.
- Die Neuetablierung von Röhrichten erfordert aus den o. g. Gründen eine genaue Vorbereitung. Um neben dem grundsätzlichen Ansiedlungserfolg des Röhrichts auch das Vorhandensein aller für den Teichrohrsänger notwendigen Strukturen (s. o.) sicherzustellen und da die Etablierung von Röhrichten im Regelfall erhöhte Planungsanforderungen stellt, ist im Falle einer CEF-Bindung in Bezug auf die Röhricht-Etablierung ein maßnahmenbezogenes Monitoring vorzusehen.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch
2. Fazit
Für den Teichrohrsänger besteht mit der Pflege und Entwicklung von Schilfröhrichten auf geeigneten Standorten eine Möglichkeit zur Durchführung vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen. Die Neuanlage von Schilfröhrichten ist jedoch aufwändig und erfordert ein maßnahmenbezogenes Monitoring.