Nachtkerzen-Schwärmer  (Proserpinus proserpina )

(Syn.: Kleiner Oleanderschwärmer)

(Syn.: Pterogon proserpina, Sphynx proserpina)

EU-Code: 1076

Artspezifisch geeignete Kartiermethoden (Methodensteckbriefe)

1. Bestandserfassung (Ersterhebung)

Die Bestandserfassung des Nachtkerzenschwärmers ist wegen unsteter Vorkommen und starken jährlichen Schwankungen mit Schwierigkeiten verbunden. Grundsätzlich möglich als direkte Erfassungsmethoden sind 1. die Erfassung von Faltern durch Lichtfanganlagen, 2. das Ableuchten potenzieller Nektarhabitate zur Hauptflugzeit, 3. die Suche nach Eiern und 4. die Suche nach Raupen. Die Methoden 1 bis 3 sind jedoch mit Nachteilen verbunden: bei 1. und 2. bleibt die Herkunft der Falter und somit die Lage der Fortpflanzungsstätte unklar, bei 1. Besteht zudem nach Rennwald (2005: 208) nur schlechter Anflug, bei 3. ist die Antreffwahrscheinlichkeit von Eiern gering bzw. mit vertretbarem Aufwand nicht leistbar. In Anlehnung an Herrmann u. Trautner (2011: 298) wird daher eine kombinierte Methode aus Habitatpotenzialkartierung sowie Suche nach Fraßspuren, Kotballen und Raupen empfohlen. Aufgrund der besonderen Schwierigkeiten bei der Arterfassung kann jedoch auch eine Habitatpotenzialkartierung in Verbindung mit einer Worst Case – Abschätzung allein ausreichen.

1.1.1. Kartiermethode: Habitatpotenzialkartierung und Absuchen von Raupenwirtspflanzen
  • Abgrenzung und Dokumentation der im Untersuchungsraum vorhandenen Habitatpotenziale (Flächen mit Vorkommen von Raupenwirtspflanzen, ggf. Flächen mit Einzelpflanzen).
  • Systematische Absuche von 100 (bei kleineren Beständen) bis 200 geeigneten Raupenwirtspflanzen tagsüber nach Fraßspuren, Kotballen und insbesondere Raupen (Details s. u. unter Hinweise).
  • Typische Wirtspflanzen (Larvalhabitate) sind Arten der Familie Onagraceae. Das Gros der Funde stammt von Arten der Gattung Weidenröschen (Epilobium), v. a. von E. hirsutum, E. tetragonum, E. angustiflium und E. dodonaei; weiterhin auch an Vertretern der Nachtkerzen (Gattung Oenothera) sowie an Fuchsien (Gattung Fuchsia) (Angaben nach Hermann u. Trautner 2011: 295). Neben dem Larvalhabitat spielen auch „Nektarhabitate“ für die Imagines eine Rolle (z. B. mit Natternkopf Echium vulgare, Wiesensalbei Salvia pratensis, Nelken der Gattung Dianthus und Silene). Wahrscheinlich ist eine enge räumliche Verzahnung ergiebiger Nektarquellen und Larvalhabitate nicht als obligatorisch einzustufen (Hermann u. Trautner 2011: 296).
  • "Zur Eisuche werden bereits ab Mai die noch nicht erblühten Weidenröschen-Triebe gewendet, um die Blattunterseiten auf Eibesatz prüfen zu können. Trotz ihrer geringen Größe fallen geschulten Bearbeitern die grünglänzenden Eier sofort ins Auge." (Hermann 2020: 7)
1.1.2. Termine:
  • Suche nach Eiern ab Mai, zur Raupensuche 1 bis 2 Begehungen im Regelfall zwischen der letzten Juni- und der zweiten Juli-Dekade (nach Hermann u. Trautner 2011: 298). Allerdings ist zu beachten, dass die Schlupfzeit jahrweise stark variiert (nach LANUV 2014 Schlupfzeit in warmen Sommern ab Anfang Juni, in kühlen Sommern ab Mitte August). Als wichtige Quelle zur Phänologie kann das „Wanderfalterforum“ http://www.science4you.org/platform/monitoring/index.do genutzt werden (Hermann u. Trautner 2011: 295).
  • Liegt ein Raupennachweis bereits nach der ersten Geländebegehung vor, sollen vor dem Hintergrund der Unauffindbarkeit vieler Raupen sowie der jährlichen Bestandsdynamik auch umgebende Wirtspflanzenbestände ohne Raupen- Nachweis als Fortpflanzungs- und Ruhestätten abgegrenzt werden. Bleibt die erste Begehung hingegen ohne Nachweis, soll zehn bis 14 Tage später eine Zweite erfolgen (nach Hermann u. Trautner 2011: 298).
1.1.3. Günstige Tageszeit:
  • Eine nächtliche Raupensuche (Ableuchten der Wirtspflanzen mit einer starken Lampe) ist für erfahrene Kartierer nicht obligatorisch. Sie ist insbesondere für wenig erfahrene Kartierer zu empfehlen, wenn die Suche nach Raupen tagsüber keinen Nachweis brachte. V. a. die Raupen des letzten Stadiums sind bei Dunkelheit mit Hilfe einer starken Lampe relativ einfach in den Blütenständen zu entdecken (Herrmann u. Trautner 2011: 298).
1.1.4. Günstige Witterungsbedingungen:
  • Die Witterungsbedingungen sollen die Raupensuche nicht einschränken (d. h. kein Regen, kein starker Wind).
1.1.5. Auswertung der Bestandserfassung
  • Abgrenzung der Flächen mit Habitatpotenzial für die Art.
  • Notierung erfasster Imagines, Eier, Raupen, Fraßspuren und Kotballen.
  • Ziel der o. g. Methode ist nicht eine quantitative Erfassung des Raupenbestandes eines Gebiets. Eine solche Erfassung ist im Regelfall nicht mit verhältnismäßigem Aufwand durchführbar. Daher wird der Nachweis wenigstens einer Raupe als ausreichend für die Abgrenzung einer Fortpflanzungstätte angesehen (in Anlehnung an Hermann u. Trautner 2011: 298).
  • Auch in dauerhaft besetzten Habitaten schwankt die Populationsgröße sehr stark (Dal-Cin 2012a: 66). Die Antreffwahrscheinlichkeit von Raupen ist insbesondere in witterungsbedingt ungünstigen Jahren (Dal-Cin 2012a: 66; 2012b: 16, 36) oder nutzungsbedingt (z. B. nach Mahd oder Beweidung: Hermann u. Trautner 2011: 298) sehr gering bzw. mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden.
  • Wird ausschließlich auf Habitatpotenzialkartierung zurückgegriffen, muss dies kombiniert werden mit der Einstufung aller potenziell geeigneten Larvalhabitate als Fortpflanzungs- und Ruhestätte (Worst Case – Abschätzung).
1.1.6. Hinweise:
  • Mit der oben beschriebenen Methode (Abgrenzung Habitatpotenzialflächen + systematische Tagsuche nach Fraßspuren, Kotballen und Raupen) konnten Herrmann u. Trautner (2011:298) zwischen 2005 und 2009 in 68 baden-württembergischen Planungsvorhaben 27mal ein Nachweis von Proserpinus proserpina erbracht werden. Im Großteil der Untersuchungsgebiete ohne Nachweis waren lediglich sehr kleine oder überhaupt keine Vorkommen geeigneter Raupenwirtspflanzen zu finden. In Gebieten mit mehreren potenziellen Habitatflächen (größer 4) und/oder mit großen Wirtspflanzenbeständen wurde die dagegen in allen Fällen nachgewiesen (ebd.). Die Autoren bezeichnen die Raupensuche auf Basis mehrjähriger Erfahrungen aus ca. 70 Planungsvorhaben als „Standardmethode“. Dal-Cin (2012b: 16, 36) konnte dagegen trotz sehr hohem Kartieraufwand nur wenige Nachweise erbringen. Nach Dal-Cin (2012b: 36) und Lange et al. (2005: 15) liegen keine praxistauglichen Kartiermethoden für die Art vor.
  • Bei Methodentests im Sommer 2009 bei Hermann u. Trautner (2011: 298) wurde die Raupe in mehreren Wirtspflanzenbeständen erst bei der zweiten Begehung nachgewiesen. Hauptgründe hierfür waren die relativ lang gedehnte Flug- und Raupenzeit in Verbindung mit der grundsätzlichen Nicht-Erfassbarkeit von Eiern oder sehr kleinen Raupen beim ersten Termin.
  • Typische Fraßspuren an Weidenröschen, Nachtkerzen oder Fuchsien können nach Hermann u. Trautner (2011:298) nicht ohne weiteres dem Nachtkerzenschwärmer zugeordnet werden, weil sich in nahezu allen Lebensräumen der Art – und zudem an denselben Wirtspflanzen – die Raupen des Mittleren Weinschwärmers (Deilephila elpenor) entwickeln. Deren Fraßbild ist von jenem der P. proserpina-Raupe nicht zu unterscheiden. Auch ist zu beachten, dass starker Fraß im oberen Bereich des Blütenstängels von Rehwild oder anderen Großherbivoren verursacht sein und evtl. mit Fraßspuren von Schwärmern verwechselt werden könnte. Allerdings ist in diesem Fall niemals ein Aussparen der Blattmittelrippe bei nur halbseitigem Abfressen der Blattspreite bis zur Mittelrippe zu beobachten, wie es für Raupenfraß vor allem der jüngeren Stadien typisch ist. Zudem fressen Rehe auch die bereits schwach verholzenden Stängelteile im oberen Bereich des Blütenstandes mit, die von Schwärmerraupen verschmäht werden (Hermann u. Trautner 2011: 298).
  • Fraßspuren können daher eine wichtige Hilfe bieten, um den Aufenthaltsort einer P. proserpina-Raupe aufzuspüren, sie reichen jedoch keinesfalls dazu aus, den Artnachweis zu führen. Bessere Hinweise geben Größe und Form der unterhalb von Fraßspuren auf der Bodenoberfläche auffindbaren Schwärmerkotballen. Diejenigen von P. proserpina erreichen niemals eine Größe von > 10 mm und sind in den meisten Fällen fast regelmäßig zylindrisch, also an beiden Enden ungefähr gleich breit. Kotballen ausgewachsener (nicht jedoch jüngerer) Deilephila elpenor-Raupen sind dagegen im nicht getrockneten Zustand sehr groß (> 10 mm) und in den meisten Fällen an einem Ende deutlich breiter als am gegenüber liegenden. Allerdings hat ein Vergleich sicher zuordenbarer Kotballen inzwischen ergeben, dass Form und Größe der Exkremente beider Arten einen gewissen Überlappungsbereich aufweisen, der für den Nachtkerzenschwärmer – ohne Fund der zugehörigen Raupe – keine 100%ige Bestimmungssicherheit gewährleistet, sondern nur als Hinweis zu werten ist (Hermann u. Trautner 2011: 298).
  • Nicht überprüft wurde bislang, ob weitere, regional oder jahrweise in denselben Habitaten auftauchende Schwärmerarten anhand ihrer Kotballen von P. proserpina unterscheidbar sind (Labkrautschwärmer Hyles gallii; ausnahmsweise auch Fledermausschwärmer Hyles vespertilio, Linienschwärmer Hyles livornica, und Großer Weinschwärmer Hippotion celerio) (Hermann u. Trautner 2011: 299).

Literatur

  • Bundesamt für Naturschutz (BfN, 2003): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Band 1: Pflanzen und Wirbellose. SchrR f. Lanschpfl. und Natursch., Heft 69, Band 1. 743 S.
  • Dal-Cin, C. (2012a): Erfassung und Bewertung der Larvalökologie von Proserpinus proserpina im Saarland. Diplomarbeit Universität Trier, 105 S.
  • Dal-Cin, C. (2012b): Erfassung und Bewertung der Larvalökologie von Proserpinus proserpina im Saarland. Symposium für Schmetterlingsschutz und14. UFZ-Workshop Populationsbiologie von Tagfaltern und Widderchen, 2. März 2012, 42 Folien.
  • Lange, A. C.; Wenzel, A., Falkenhahn, H.-J. (2005): Erfassung von Proserpinus proserpina (Nachtkerzenschwärmer) in Hessen im Auftrag des HDLGN. Version 2.0, überarbeitete Version September 2005. Im Auftrag von Hessen-Forst. http://www.hessen-forst.de/download.php?file=uploads/fena/download/aktuelle-arten/schmetterlinge/artensteckbriefe /artensteckbrief_2004_ nachtkerzenschwaermer_proserpinus_proserpina.pdf (Abruf 11.12.2014).
  • Rennwald, E. (2005): Nachtkerzenschwärmer Proserpinus proserpina (Pallas, 1772). In Bundesamt für Naturschutz (Hrsg): Methoden zur Erfassung von Arten der Anhänge IV und V der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Natursch. u. Biol. Vielfalt 20: 202-216.
  • Hermann, G. (2020): Nachtkerzenschwärmer (Proserpinus proserpina) - Erfahrungen bei der Berücksichtigung einer streng geschützten Schmetterlingsart in Planungs- und Zulassungsverfahren. - Artenschutz und Biodiversität 1 (1): 1-12. online verfügbar unter: https://www.artenschutz-biodiversitaet.de/nachtkerzenschwaermer-proserpinus-proserpina/
  • Hermann, G.; Trautner, J. (2011): Der Nachtkerzenschwärmer in der Planungspraxis. Habitate, Phänologie und Erfassungsmethoden einer „unsteten“ Art des Anhangs IV der FFH-Richtlinie. Naturschutz und Landschaftsplanung 43 (10): 293-300.
  • Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV, 2014): Nachtkerzen-Schwärmer (Proserpinus proserpina). http://www.naturschutzinformationen-nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/schmetterlinge/kurzbeschreibung/108137.