Rauhautfledermaus  (Pipistrellus nathusii (Keys.& Blas.,1839))

EU-Code: 1317

Artenschutzmaßnahmen

  1. Installation von Fledermauskästen (FL2.1, W1.4)
  2. Entwicklung / Förderung von Baumquartieren (W1.1, W5.2, W1.4)
  3. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Installation von Fledermauskästen (FL2.1, W1.4)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Durch das Ausbringen von Fledermauskästen sollen Quartierverluste kurzfristig kompensiert werden. Die Maßnahme bezieht sich neben der Schaffung von Zwischenquartieren (Balzquartieren) auch auf die Schaffung von potenziellen Wochenstubenquartieren. Die Maßnahme dient dazu, verloren gegangene oder funktional graduell entwertete Quartiere / Quartierhabitate im räumlichen Zusammenhang an anderer Stelle kurzfristig bereitzustellen, zu fördern und zu entwickeln.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Als Maßnahmenstandort eignen sich vorrangig geschlossene Wälder bzw. Waldinseln ab einer Größe von mind. 3-5 ha.
  • Für die Maßnahmendurchführung wird ein baumhöhlenarmer Wald möglichst in Gewässernähe ausgewählt, der die Eignung als Nahrungshabitat aufweist und aufgrund des vorhandenen Entwicklungspotenzials mittel- bis langfristig auch als Quartierwald in Betracht kommt.
  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
  • Auf günstige An- und Abflugflugmöglichkeiten ist zu achten (Freiheit von hineinragenden Ästen).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Die Ausbringung der Kästen soll in Gruppen zu je 10 Stk. in den ausgesuchten Parzellen erfolgen. Jede Kastengruppe soll mehrere Modelle beinhalten (s.u.).
  • Das Anbringen der Kästen soll in unterschiedlichen Höhen (?4 m, s.o.) und mit unterschiedlicher Exposition (von schattig bis sonnig, am Bestandsrand / im Bestand) erfolgen.
  • Als Quartiere werden nach Erfahrungswerten u.a. Rundkastentypen (Fledermaushöhle 2 F und 2FN und Großraumhöhle 2FS - Fa. Schwegler, Fledermaushöhle FLH - Fa. Hasselfeldt, Koloniekasten – Fa. Strobel) (u.a. DIETRICH 1998, DIETRICH & DIETRICH 1991, FUHRMANN 1992, HORN 2005, POMMERANZ et al. 2004, SCHWARTING 1990, 1994) sowie Flach- und Vogelkästen angenommen, wobei kleinere Flachkästen optimal zu sein scheinen (HEISE 1982, MESCHEDE & HELLER 2002).
  • Um ein wirksames Quartierangebot zu realisieren, sind 15 Kästen pro Hektar (Quelle: ABC-Bewertung des LANUV NRW, 2010) gruppenweise auf den geeigneten Flächen anzubringen.
  • Kasten tragende Bäume sind zu markieren und dauerhaft aus der Nutzung zu nehmen.
  • In einer Pufferzone von 100 m um den Kastenstandort muss der Waldbestand mindestens dauerwaldartig bewirtschaftet oder anderweitig (z.B. durch Nutzungsaufgabe) störungsarm gestellt werden.
  • Orientierungswerte pro Quartierverlust: pro Verlust eines Quartiers hat sich in der Praxis ein Ersatz durch 5-10 Fledermauskästen etabliert. Daher muss die Maßnahmenfläche ausreichend groß sein oder aus mehreren verteilten Einzelflächen im Aktionsraum der Kolonie bestehen. (Es gibt keine begründeten Mengen- bzw. Größenangaben in der Literatur. Plausibel erscheinen die genannten Orientierungswerte (fachliche Einschätzung) unter dem Aspekt geringerer Lebensdauer und – thermischer und im Hinblick auf Parasitenbefall – eingeschränkter Funktionalität gegenüber natürlichen Baumhöhlen).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Die Maßnahmen sind eindeutig und individuell zu markieren (aus der Nutzung genommene Bäume / Bäume an denen Kästen angebracht werden).
  • Die Kästen sind mindestens jährlich auf Funktionsfähigkeit zu überprüfen. In diesem Rahmen erfolgt auch eine Reinigung (Entfernen von Vogel- und anderen alten Nestern). Flachkästen müssen mindestens alle 5 Jahre auf Funktionsfähigkeit geprüft werden (keine Reinigung notwendig).

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Die langfristige Sicherung von Baumquartieren erfolgt parallel über den Nutzungsverzicht von Höhlenbäumen im Umkreis von 100 m um den Kastenstandort (z.B. durch die Schaffung von Altholzinseln).
  • Die Maßnahme kann u.U. auch über die aktive Förderung von Totholz (z.B. Ringeln von Bäumen) kurzfristig unterstützt werden.
  • Der Nutzungsverzicht / die Erhöhung des Erntealters ist im Regelfall zusammen mit der Totholzförderung durchzuführen.
  • Konflikte, die dem Zielzustand u.a. durch mögliche Wegesicherungspflichten entgegenstehen, sind im Vorfeld zu prüfen und bei der Flächenauswahl zu berücksichtigen. Ggf. ist eine Änderung / Aufgabe des Wegenetzes erforderlich, um Waldbereiche flächig aus der Nutzung zu nehmen und aus der erhöhten Sicherungspflicht zu entlassen.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Wirksam innerhalb von im Allgemeinen ?2 Jahren (1-5 Jahre).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die benötigten Strukturen stehen kurzfristig bereit. Die für den Maßnahmentyp relevanten Habitatansprüche der Art sind gut bekannt. Der Maßnahmentyp wird häufig vorgeschlagen bzw. dokumentiert (s.o). Nach Angaben der Experten aus NRW werden Fledermauskästen vergleichsweise schnell angenommen und über mehrere Jahre nachweislich genutzt. Wissenschaftlich dokumentierte Nachkontrollen liegen aus Kastenrevieren in Nordostdeutschland vor; es gibt keine dem Maßnahmentyp widersprechenden Hinweise. Nach STEFFENS et al. (2004: S. 100) liegt nahe, dass die „Rauhhautfledermaus in besonderem Maße von Nistkastenrevieren profitiert hat, die es ihr ermöglichten, ganze Landstriche (z.B. mittelalte Kiefernforste Brandenburgs) zu erobern und mit dem entsprechenden Populationsüberschuss anderenorts neue Populationen zu begründen bzw. zumindest solches zu versuchen“.
  • Die Plausibilität der Wirksamkeit wird vor dem Hintergrund der Artökologie und der Angaben in der Literatur als hoch eingeschätzt. Daher besteht eine Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme.
  • Nach MESCHEDE & HELLER (2000, F&E-Vorhaben des BfN: „Untersuchungen und Empfehlungen zur Erhaltung der Fledermäuse in Wäldern“) ist der Einsatz von Nistkästen nicht geeignet, um langfristig den Mangel an natürlichen Höhlen auszugleichen. (Ebenso: BRINKMANN et al. 2008).
  • Vor diesem Hintergrund wird die Maßnahme hier in der Form vorgeschlagen, dass zumindest der den Kasten tragende Baum – besser noch ein entsprechender Waldbestand – dauerhaft aus der Nutzung genommen wird. In der Regel sollte die Maßnahme eingebettet sein in eine Maßnahme: Nutzungsaufgabe von Bäumen / Waldbereichen.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

2. Entwicklung / Förderung von Baumquartieren (W1.1, W5.2, W1.4)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Entwicklung / Förderung von Höhlenbäumen durch Nutzungsverzicht / waldbauliche Maßnahmen: Nutzungsverzicht ausgewählter Einzelbäume (insbesondere vorgeschädigter Bäume, z.B. durch Blitzschlag auf Kuppen, durch Wind- und Schneebruch), ab BHD >30cm, 10 Bäume / ha), wobei nicht nur Einzelbäume, sondern eher größere Flächen zur Anlage eines Pufferbereiches um die Einzelbäume aus der Nutzung genommen werden sollen.Nutzungsaufgabe und / oder Förderung von Totholz, Nutzungsverzicht als „Altholzinseln“.Erhöhung des Erntealters von Waldbeständen (>160 Jahre für Buchen-, >200 Jahre für Eichen-, >120 Jahre für Nadelwälder).Aktive Förderung von Totholz (Ringeln von Bäumen, Kronenabschuss).Die Maßnahme dient dazu, verloren gegangene oder funktional graduell entwertete Quartiere / Quartierhabitate im räumlichen Zusammenhang an anderer Stelle zu fördern und zu entwickeln.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Als besonders günstig (Ausgangsbestand / Sollzustand) sind alte, ggf. feuchte Laub(Misch)-Altholzbestände, Auwälder sowie Waldrandbereiche anzusehen, da diese Habitate während der Zugzeit offenbar bevorzugt werden (BOYE & MEYER-CORDS 2004, KÖNIG & KÖNIG 2007: S. 98). Die Anlage von Waldtümpeln, kleinräumigen Lichtungen und strukturreichen Wegrändern führt zu einer höheren Insektendichte und damit zur Erhöhung des Nahrungsangebotes.
  • Auch ist Nähe (lt;1 bis max. 2 km) zu ggf. nährstoffreichen Gewässern (Seen, Teiche, Flussauen) günstig für die Auswahl des Maßnahmenstandorts. Eine Anbindung an vorhandene Gewässer kann durch Gehölzstrukturen optimiert werden.
  • Als Maßnahmenstandort eignen sich vorrangig geschlossene Wälder bzw. Waldinseln ab einer Größe von mind. 3-5 ha.
  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
  • Konflikte, die dem Zielzustand u.a durch mögliche Wegesicherungspflichten entgegenstehen, sind im Vorfeld zu prüfen und bei der Flächenauswahl zu berücksichtigen. Ggf. ist eine Änderung / Aufgabe des Wegenetzes erforderlich, um Waldbereiche flächig aus der Nutzung zu nehmen und aus der erhöhten Sicherungspflicht zu entlassen.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte: Es gibt keine unmittelbar begründbaren Mengen- bzw. Größenangaben in der Literatur. Der Maßnahmenbedarf entspricht der verloren gehenden oder funktional entwerteten Fläche. Werden die Ersatzhabitate für die Fledermäuse nicht durch zusätzliche Habitate, sondern durch Aufwertung geschaffen, muss dies durch Flächenaufschläge berücksichtigt werden. Nach Gutachtereinschätzung sollen pro Verlust eines Quartiers
  • mindestens 10 Höhlenbäume, möglichst in gewässernahen Wäldern, sichergestellt / aus der Nutzung genommen werden (in Anlehnung an MESCHEDE & HELLER 2002, LANUV NRW, FB 24/Artenschutz Kartierungsmatrix P. nathusii 02/2010).
  • Weiterhin zielführend sind alle Maßnahmen, die sowohl den Höhlenreichtum, als auch den Insektenreichtum fördern. Am besten
  • alle Maßnahmen zur Förderung der Bruthabitate der Spechtarten, insbesondere der größeren Spechte (Schwarzspecht, Grau- und Grünspecht).
  • Maßnahmen zur Schaffung dauerhaft totholzreicher, optimaler Waldstrukturen durch Förderung mäßig lichter, stellenweise besonnter Waldbereiche (Durchforstung).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Nein

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Konflikte, die dem Zielzustand u.a. durch mögliche Wegesicherungspflichten entgegenstehen, sind im Vorfeld zu prüfen und bei der Flächenauswahl zu berücksichtigen. Ggf. ist eine Änderung / Aufgabe des Wegenetzes erforderlich, um Waldbereiche flächig aus der Nutzung zu nehmen und aus der erhöhten Sicherungspflicht zu entlassen.
  • Der Nutzungsverzicht, d.h. Sicherung bereits vorhandenen günstigen Potenzials, soll als Ergänzung / in Kombination mit weiteren (vorgezogen möglichen) CEF-Maßnahmen durchgeführt werden.
  • Die Maßnahme kann u.U. mit Hilfe von aktiven Förderungsmaßnahmen (z.B. Ringeln von Bäumen) kurzfristig unterstützt werden.
  • Der Nutzungsverzicht / die Erhöhung des Erntealters ist im Regelfall zusammen mit der Totholzförderung durchzuführen.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Kurzfristig: Nutzungsverzicht ausgewählter Einzelbäume (insbesondere vorgeschädigter Bäume, z.B. durch Blitzschlag auf Kuppen, durch Wind- und Schneebruch), ab BHD >20cm, 10 Bäume / ha.
  • Unbekannt: alle sonstigen (flankierenden) Maßnahmen:
  • Nutzungsaufgabe und / oder Förderung von Totholz.
  • Erhöhung des Endnutzungsalters von Waldbeständen (>160 Jahre für Buchen-, >200 Jahre für Eichenwälder, >120 Jahre für Nadelwälder).
  • Aktive Förderung von Totholz (Ringeln von Bäumen).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt.
  • Die benötigten Strukturen sind kurz- bis mittelfristig entwickelbar, z.T. ist die Veränderung eher mittel- bis langfristig zu erwarten. Die Zielhabitate entsprechen den Anforderungen der Art in besonderer Weise.
  • Obwohl keine wissenschaftlichen Nachweise i.e. Sinn vorliegen, wird die Plausibilität der Maßnahmen als hoch eingestuft. Die Maßnahmen entsprechen den allgemeinen Empfehlungen zur Entwicklung von Fledermaushabitaten im Wald in der Literatur (u.a. RICHARZ 1997: 299; MESCHEDE & HELLER 2000, BOYE & DIETZ 2005, ENTWISTLE et al. 2001).
  • Maßnahmen, deren Wirksamkeit aus den dargestellten Gründen als mittel-, langfristig oder unbekannt beurteilt wird, sollten im Regelfall nicht als CEF-Maßnahmen Anwendung finden, sind aber als FCS-Maßnahmen geeignet. Die Maßnahme ist daher v.a. als Ergänzung / in Kombination mit weiteren CEF-Maßnahmen, die die zeitlichen Lücken schließen (Kästen), oder als FCS-Maßnahmen wirksam.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: mittel (CEF-Maßnahme; hoch: FCS-Maßnahme)

3. Fazit

Für die Rauhautfledermaus stehen kurzfristig wirksame (Kästen) bzw. langfristig durchführbare Maßnahmen zur Sicherstellung eines ausreichenden Quartierangebotes zur Verfügung.

Angaben zu Priorisierung:

Aufgrund der nachweislich schnellen und dauerhaften Annahme von Fledermauskästen ist die Maßnahme: Anbringen von Fledermauskästen in Kombination mit der Entwicklung und Förderung von Baumquartieren durch langfristige Sicherung eines natürlichen Baumhöhlenangebotes mittels Nutzungsverzicht prioritär.