Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola (L.,1766))
(Syn.: S. torquata)
EU-Code: A276
Artenschutzmaßnahmen
- Entwicklung von Extensivgrünland (O1.1)
- Entwicklung von Brachen (O2.2, O5.4)
- Pflege und Entwicklung von Heideflächen (O4.2)
- Fazit
Maßnahmen im Einzelnen
1. Entwicklung von Extensivgrünland (O1.1)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
In intensiv genutztem Grünland entstehen für das Schwarzkehlchen Probleme durch zu frühe Mahd (Mahdverluste der Brut), zu dichte Vegetation und Nahrungsmangel. In der Maßnahme wird für das Schwarzkehlchen attraktives Extensiv-Grünland mit angepasstem Mahd- / Beweidungszeitpunkt geschaffen.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
- Weitgehend offenes Gelände, keine hohen und dichten Vertikalstrukturen wie geschlossene Ränder von Hochwäldern, Siedlungen und große Hofanlagen bis 100 m; kleinere Einzelbüsche / Bäume sind dagegen günstig und können eine Funktion als Sitzwarte übernehmen.
- Idealerweise Vorhandensein kleiner Böschungen (z. B. Grabenränder oder Dammkanten) als bevorzugte Standorte für die Nestanlage.
- Keine wüchsigen Standorte, die im Saisonverlauf eine geschlossene und dichte Vegetationsdecke ausbilden (oder vorige Ausmagerungsphase).
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Paar: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Bei Funktionsverlust des Reviers mind. im Umfang der lokal ausgeprägten Reviergröße und mind. 2 ha. Grundsätzlich gelten die allgemeinen Vorgaben zur Herstellung und Pflege von Extensivgrünland (siehe Maßnahmenblatt Extensivgrünland).
- Mahd der Fläche in Form einer Staffelmahd mit kurz- und langrasigen Bereichen. Ein Teil der Flächen soll als „Altgrasstreifen“ oder -fläche nur alle 2-4 Jahre abschnittsweise gemäht werden (ANDRIS 1999 S. 397). Günstige Standorte sind z. B. (Graben-) Böschungen oder Parzellenränder, bei denen die Zielstrukturen durch Auszäunung entstehen können. Sofern nicht angrenzend oder anderweitig in den Flächen vorhanden, sollen v. a. bei Beständen, die zu dichtem Bewuchs neigen, auch kurzrasige Bereiche angelegt werden, z. B. in Streifenform.
- keine Nutzung von Grabenrändern während der Brutzeit, ggf. Abzäunung.
- Bei einer Beweidung – idealerweise mit Schafen / Ziegen – ist die Besatzdichte so zu wählen, dass der Fraß ein Muster von kurzrasigen (Nahrungssuche) und stellenweise langrasigen Strukturen (Nestanlage) gewährleistet, ggf. sind kleine Inseln oder die Parzellenränder auszuzäunen zur Verhinderung von Trittverlusten der Brut. Weideauftrieb ab Anfang August. Die Umzäunung soll zumindest teilweise mit Holzpflöcken erfolgen, um Sitzwarten anzubieten.
- Ggf. (sofern nicht vorhanden oder bei Armut an geeigneten Stauden in der Vegetation) Schaffung von 1-2 m hohen, die übrige Vegetation überragenden Singwarten z. B. durch Neuanpflanzung von einzelnen Sträuchern oder Anbringen von Zäunen. Es soll keine geschlossene Gehölzkulisse entstehen. Bei zunehmendem Aufkommen von Gehölzen soll eine Entbuschung stattfinden (ab ca. 20 % Gehölzanteil).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Jährliche Mahd oder Beweidung sowie bei Bedarf Entbuschung entsprechend den o. g. Vorschriften.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Unter günstigen Bedingungen (Optimierung aktuell suboptimaler Habitate) Wirksamkeit innerhalb von bis zu 2 Jahren, je nach Wüchsigkeit des Bodens auch mehr (vorherige Ausmagerung erforderlich).
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt. Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar. Die genannten Maßnahmen werden z. B. von ANDRIS (1999 S. 397) und BAUER et al. (2005 S. 398) empfohlen.
- HERR & RUF (2008) beschreiben eine Bestandserhöhung des Schwarzkehlchens auf einem Freiburger Rieselfeld ab 1987, nachdem 1985 der Rieselbetrieb eingestellt, ein Extensivierungsprogramm gestartet wurde (Umwandlung von Intensivacker / Intensivgrünland in Extensivgrünland, keine Mahd der Grabenböschungen mehr). In Niedersachsen bevorzugten Schwarzkehlchen Vertragsnaturschutz-Flächen zur Extensivierung von Dauergrünland (z. B. später Mahdtermin, reduzierte Beweidungsintensität, eingeschränkte Düngung), die Siedlungsdichte lag hier etwa doppelt so hoch wie auf den übrigen Flächen (NSG „Melmmoor Kuhdammoor“, Proland 2003, S. 23, 28). Schwarzkehlchen reagieren rasch auf ein verbessertes Lebensraumangebot (LUGRIN 1999).
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch (bei Notwendigkeit einer Ausmagerung mittelfristige Wirksamkeit beachten)
2. Entwicklung von Brachen (O2.2, O5.4)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Zu den Habitaten des Schwarzkehlchens gehört auch „Ödland“ wie Industrieanlagen, Abgrabungen, Windwürfe, Ruderalflächen und Brachen mit lückiger Vegetation und Ansitzwarten. In der Maßnahme werden für das Schwarzkehlchen attraktive Brache-Habitate geschaffen.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Paar: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Bei Funktionsverlust des Reviers mind. im Umfang der lokal ausgeprägten Reviergröße und mind. 2 ha. Bei streifenförmiger Anlage Breite der Streifen mind. 6 m (LANUV 2010), idealerweise > 10 m, Mindestlänge 200 m (JENNY 2000).
- Grundsätzlich sollen bei den folgenden Maßnahmen im Regelfall keine Düngemittel und Biozide eingesetzt werden und keine mechanische Beikrautregulierung erfolgen. Ansonsten sind die im Anwenderhandbuch Vertragsnaturschutz NRW (LANUV 2010), nach denen sich die im Folgenden aufgeführten Maßnahmentypen richten, angegebenen Hinweise zur Durchführung zu beachten. Bei Ansaaten Verwendung von autochthonem Saatgut. Ziel ist eine flächendeckende, nicht zu dichte und heterogen strukturierte Vegetation mit die übrige Vegetation überragenden, 1-2 m hohen Ansitzwarten.
- Anlage von Ackerstreifen oder Parzellen durch Selbstbegrünung – Ackerbrache (Paket 4041 im Anwenderhandbuch Vertragsnaturschutz)
- Anlage von Ackerstreifen oder –flächen durch dünne Einsaat mit geeignetem Saatgut (Paket 4042 im Anwenderhandbuch Vertragsnaturschutz, Hinweis Hybridisierungsgefahr bei Luzerne im Anhang 3 S. 47 beachten). Zu beachten ist dabei: In den meisten Fällen sind selbstbegrünende Brachen, insbesondere auf mageren Böden, Einsaaten vorzuziehen. Bei letzteren besteht die Gefahr, eine zu dichte Vegetationsdecke auszubilden.
- Die Zeitdauer des Brachestadiums richtet sich nach der Wüchsigkeit der Fläche. Spätestens bei der ungünstigen Ausbildung einer einheitlich dichten verfilzten Vegetation (FAHL et al. 1998 für das Braunkehlchen), die kein Licht und Wärme auf den Boden lässt (wichtig für Arthropodenreichtum als Nahrungsquelle, OPPERMANN 1999 für das Braunkehlchen), muss die Brache wieder bearbeitet werden. Beim Schwarzkehlchen kommen 4 verschiedene Jagdmethoden zum Einsatz, die an vegetationsfreie, -arme Stellen ebenso wie an verschieden hoch aufgewachsene Bereiche angepasst sind und in Abhängigkeit von der Witterung wie auch vom Jahresverlauf unterschiedlich eingesetzt werden (FLINKS & PFEIFER 1987b). Bearbeitungen der Fläche sollen außerhalb der Brutzeit des Schwarzkehlchens erfolgen (März bis August).
- Sofern nicht vorhanden oder kurzfristig durch die Vegetation entwickelbar, Schaffung von Singwarten z. B. durch Neuanpflanzung von einzelnen Sträuchern oder Anbringen von Pfählen. Es soll keine geschlossene Gehölzkulisse entstehen. Bei zunehmendem Aufkommen von Gehölzen soll ansonsten eine Entbuschung stattfinden (ab ca. 20 % Gehölzanteil).
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- In Abhängigkeit des Aufkommens von Gehölzen / der Bildung einer verfilzten Grasnarbe Entbuschung oder abschnittsweise Mahd der Brache außerhalb der Brutzeit des Schwarzkehlchens (März bis August).
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Unter günstigen Bedingungen (Optimierung aktuell suboptimaler Habitate) Wirksamkeit innerhalb von bis zu 2 Jahren. Bei Neuanlage oder vorheriger Ausmagerung innerhalb von bis zu 5 Jahren.
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt. Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar. Die genannten Maßnahmen werden z. B. von ANDRIS (1999 S. 397) und BAUER et al. (2005 S. 398) empfohlen. Die Besiedlung von bracheähnlichen Biotopen durch Schwarzkehlchen ist zahlreich beschrieben (ANDRIS 1999, GRIMM 2001, 2010, MENDE 1993, STRAUBE 1999).
- BIRRER et al. (2001, Schweiz) und JENNY (2000, Schweiz) weisen eine bestandsfördernde Wirkung von (Bunt-) Brachen, REVAZ et al. (2008, Schweiz) von Brachen und Wiesenblumenstreifen auf das Schwarzkehlchen nach. Schwarzkehlchen sind grundsätzlich in der Lage, rasch auf ein verbessertes Lebensraumangebot zu reagieren (LUGRIN 1999)
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch
3. Pflege und Entwicklung von Heideflächen (O4.2)
Allgemeine Maßnahmenbeschreibung
Zu den Habitaten des Schwarzkehlchens gehören auch Heideflächen mit lückiger Vegetation und Ansitzwarten. In der Maßnahme werden für das Schwarzkehlchen attraktive Heideflächen optimiert.
Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein
Anforderungen an den Maßnahmenstandort
- Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
- Verbuschte / verbrachte (Beesen-) Heiden auf nährstoffarmen, trockenen Standorten (alternativ: Abschieben des Oberbodens bei Nährstoffanreicherung)
Anforderungen an Qualität und Menge
- Orientierungswerte pro Paar: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung und mind. im Umfang der lokal ausgeprägten Reviergröße (mind. 2 ha innerhalb einer großflächig geeigneten Landschaft, ansonsten mehr).
- Verbuschte / Verbrachte Heideflächen: Grundsätzlich gelten die allgemeinen Anforderungen zur Heidepflege nach Anwenderhandbuch Vertragsnaturschutz (LANUV 2010, Paket 4203 „Trockene Heiden“). Durchführung von Auflichtungen bei Verbuschung. Bei Nährstoffanreicherung z. B. in überalterten Heidebeständen stellenweise Abschieben des Oberbodens und anschließende Mahdgutübertragung, partielles Abbrennen zur Regeneration überalterter, degenerierter Heideflächen.
- Ggf. Anpflanzung von standortsgemäßen Büschen (Sitzwarten) bei fehlenden Gehölzen
Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja
- Regelmäßige Pflege der Heide entsprechend LANUV (2010, Paket 4203 „trockene Heiden“); Entfernung von flächig aufkommendem Gehölzwuchs, je nach Wüchsigkeit.
Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit
- Die Optimierung von bestehenden, verbuscht-verbrachten Heidebeständen ist je nach Ausgangszustand innerhalb von bis zu 2 - 5 Jahren wirksam. Das Schwarzkehlchen ist in der Lage, auf kurzfristig geeignete Habitatangebote zu reagieren (vgl. Entwicklung von Extensivgrünland und Entwicklung von Brachen).
Aspekte der Prognosesicherheit
- Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt. Die benötigten Strukturen sind kurzfristig herstellbar. Die Maßnahme wird z. B. von BAUER et al. (2005 S. 398) empfohlen. Wissenschaftlich dokumentiere Nachweise liegen nicht vor, die Maßnahme erscheint jedoch vor dem Hintergrund der Artökologie als plausibel.
- In der Wahner Heide stieg der Brutbestand infolge von Pflegemaßnahmen und Beweidung von 43 auf 73 Reviere an, nachdem es zuvor einen Rückgang durch Verbuschung aufgrund der Aufgabe militärischer Nutzung gegeben hatte (HAUTH & SKIBBE 2010).
- Heiderenaturierung erfordert im Regelfall eine umfangreiche Maßnahmenplanung. Daher ist ein Monitoring durchzuführen.
Risikomanagement / Monitoring
- erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
- erforderlich (populationsbezogen): Nein
- bei allen Vorkommen: Nein
- bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
- bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein
Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)
- Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
- Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
- Belege / Plausibilität: hoch
Fazit Eignung: hoch
4. Fazit
Für das Schwarzkehlchen bestehen Möglichkeiten zur Durchführung vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen in den Brut- und Nahrungshabitaten.
Angaben zu Priorisierung:
Entwicklung von Extensivgrünland: Entwicklung von Extensivgrünland mit Reaktivierung von Grabenstrukturen ist zu favorisieren (sofern lokal vorhanden)