Flussregenpfeifer  (Charadrius dubius Scop.,1786)

EU-Code: A136

Artenschutzmaßnahmen

  1. Entwicklung und Pflege von vegetationsarmen Kies- und Schotterbänken (O4.4)
  2. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Entwicklung und Pflege von vegetationsarmen Kies- und Schotterbänken (O4.4)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Der Flussregenpfeifer brütet auf vegetationsarmen Flächen mit grobkörnigem Material (z. B. Kies, Schotter). In der Maßnahme werden für den Flussregenpfeifer geeignete Brutstandorte bereit gestellt oder optimiert.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden). Dies gilt auch für Naherholung, Angelsport und Wassersport.
  • Übersichtliches Umfeld von > 1 ha (in Anlehnung an den Raumbedarf zur Brutzeit von 1-2 ha nach FLADE 1994 S. 549).
  • Der Flussregenpfeifer stellt grundsätzlich geringe Ansprüche an den Maßnahmenstandort, wie zahlreiche (temporäre) Vorkommen an stark anthropogen überprägten Stellen zeigen, die seine wesentlichen Habitatanforderungen erfüllen (z. B. lückige Ruderalflächen, Großbaustellen). Bei der Anlage von künstlichen Aufschüttungen sollen diese in einem ökologischen Zusammenhang mit prinzipiell besiedelbaren Habitaten liegen und auch nicht zu einer Zerstörung anderweitig naturschutzfachlich wertvoller Biotope führen (BAUER et al. 2005 S. 442, OSING 1993 S. 428). Sofern eine Aufschüttung durchgeführt wird, soll sie auch unter bodenkundlichen Gesichtspunkten in die Umgebung des Standortes passen. Gut geeignet sind daher z. B. aktuell durch Sukzession zuwachsende Abbaugruben (Sand, Kies) oder ausgedehnte Uferzonen, die idealerweise bereits ein geeignetes Substrat aufweisen (so dass hier statt Aufschüttungen auch Abtragungen von Bodenschichten erfolgen können).
  • Flachgründige Süßwasserstellen sind in unmittelbarer Nähe vorhanden oder innerhalb der Maßnahmenfläche herzustellen, wobei eine dauerhafte Wasserführung während der Brutzeit des Flussregenpfeifers zu gewährleisten ist.
  • HÖLZINGER (1975, zit. bei LEUZINGER 2002 S. 126) stellte fest, dass bei Fehlen von Wasserstellen (günstige Nahrungshabitate) im Nistbereich räumlich getrennte Nahrungshabitate in bis zu 2,2 km Entfernung aufgesucht wurden, nach GATTER (1971, zit. ebd.) sogar in bis zu 5 km Entfernung, nach MILDENBERGER (1982, S. 274) sind es 3 km. Lebensräume mit direkter Wassernähe werden jedoch bevorzugt (GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1999 S. 174, OSING 1993 S. 428), da die Jungen zu diesen Nahrungsgebieten geführt werden müssen. Zudem sind nahegelegene Nahrungsflächen auch während der Brutzeit auch aus energetischer Sicht günstiger und die Brutgebiete lassen sich durch ständige Anwesenheit beider Paarpartner besser verteidigen.
  • Bei Standorten mit Wasserstandsschwankungen soll die Maßnahmenfläche vor möglichen Sommerhochwassern sicher (hoch genug) liegen, da diese sonst mögliche Verlustursachen darstellen (JÜRGENS 2000 S. 10, METZNER et al. 2003 S. 79 f.).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Paar: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Bei Funktionsverlust des Reviers mind. im Umfang der lokal ausgeprägten Reviergröße und mind. 0,5 ha übersichtlicher, nur spärlich bewachsene Fläche (GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1999 S. 176 sind 0,4 ha als Minimalbereich für die Besiedlung in Kiesgruben genannt). Innerhalb dieser Fläche sind an mind. 2 Stellen mit leicht erhöhter Lage grobkiesige oder –schottrige Flächen mit mind. je 100 qm Fläche zu schaffen (für Kies Korngröße 10-30 mm, GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1999 S. 178), entweder durch Aufschüttung oder (bevorzugt) durch Freistellung bei bereits vorhandenem geeignetem Substrat. Die weitere Umgebung der Fläche ist von größerem Pflanzenbewuchs (z. B. aufkommende Weidenverjüngung) freizuhalten (in Anlehnung an HÖLZINGER 1987 S. 991).
  • Eine Alternative ist bei MATTHES (1989 S. 657, >10 ha großes Abraumgelände bei Worms) beschrieben: Auf der Maßnahmenfläche wurden auf dem sandigen Boden im Abstand von 50-70 m Nisthilfen angelegt, in dem pro Nisthilfe ein 12-Liter Eimer mit Kies (Korngröße 10-30 mm) auf 2-3 qm verteilt wurde, ergänzt durch 8-10 Grobschotter mit 80-150 mm Durchmesser, die regellos der Kiesschüttung hinzugefügt wurden. In ähnlicher Weise wurden vom NABU Herne (o. J.) auf einem alten, offenen Zechengelände inselartig Schubkarrenladungen von Kies ausgebracht. Pro Paar sind mind. 5 dieser alternativen Nisthilfen anzulegen.
  • Sofern nicht vorhanden: Anlage mehrerer kleiner Flachwasserbereiche mit dauerhafter Wasserführung während der Brutzeit. Pro Paar mind. 3 Kleingewässer mit insgesamt bis 0,5 ha Gesamtgewässergröße.
  • Sofern nicht vorhanden, Schaffung von Störungsarmut (v. a. Freizeitnutzung, Angeln, Wassersport: BAUER et al. 2005 S. 428, HÖLZINGER 1975, OPITZ 1996 S. 146) insbesondere während der Balz, Brut- und Jungenaufzucht (April bis Juli) im Umfeld von ca. 50 m um die Maßnahmenfläche.
  • Wo lokal möglich, kann auch durch die Regelung des Einstauregimes vorhandener Staugewässer (z. B. Rieselfelder, Schlammteiche, Klärteiche, Fischteiche, Vorsperren von Talsperren) Bruthabitat bereitgestellt werden. Dies ist jedoch auch auf die Bedürfnisse anderer dort vorhandener Arten abzustimmen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Die Maßnahmenfläche ist bis auf spärlichen Bewuchs durch krautige Pflanzen offen zu halten. Die Pflegemaßnahmen sollen außerhalb der Brutzeit stattfinden.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Ggf. kann die natürliche Sukzession verhindert / verlangsamt werden, indem eine Magerbetonschicht unter dem Substrat eingebracht wird (HÖLZINGER 1987 S. 991). Diese Maßnahme ist jedoch wegen der langfristigen Bodenveränderung umstritten (OPITZ 1996 S. 146). Alternativ kann auch mit Wurzelfolie gearbeitet werden, wodurch zwar keine dauerhaften Baukörper wie Betonschichten ausgebracht wird, aber dennoch ein nicht verrottbarer Fremdkörper.
  • Das künstliche Konstanthalten eines frühen Sukzessionsstadiums kann zu Konflikten mit anderen Naturschutzzielen führen. Die o. g. Maßnahme erfordert in der Regel kontinuierliche Pflegeeingriffe zur Verhinderung oder Verlangsamung des Vegetationswachstums. Mittel- und langfristig ist daher die Renaturierung von Auen und die Wiederherstellung natürlicher Überflutungsprozesse anzustreben, bei der für den Flussregenpfeifer dynamisch immer wieder neue Lebensräume entstehen (BAUER et al. 2005 S. 442, METZNER et al. 2003). Da das Entstehen von für den Flussregenpfeifer geeigneten Habitaten hierbei aber weder zeitlich noch räumlich konkretisiert werden kann, wären für einen hinreichenden Maßnahmenerfolg sehr große Flächen mit Anschluss z. B. an Auendynamik erforderlich (z. B. METZNER et al. 2003). Dies kann in der Regel im Rahmen des Artenschutzes bei der Bewältigung projektbedingter Störwirkungen nicht bewältigt werden.
  • Wird die Maßnahme im Rahmen einer Fließgewässerrenaturierung durchgeführt, ist die „Blaue Richtlinie“ (MULNV 2010) zu beachten.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Maßnahmen zur Kiesaufschüttung und zur Biotoppflege sind unmittelbar nach Umsetzung bzw. in der nächsten Brutperiode wirksam. Der Flussregenpfeifer ist als eine an Flussdynamik angepasste Art in der Lage, auch kurzfristig neu entstandene Biotope anzunehmen (OPITZ 1996 S. 146), mitunter sogar während der Bauzeit auf Großbaustellen oder während der Abgrabungstätigkeit in Kiesgruben (z.B. HAMANN in NWO 2002, S. 102).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt: Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar. Die Maßnahme wird in der Literatur z. B. von BAUER et al. (2005 S. 428) und GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. (1999 S. 175 f.) vorgeschlagen. Flussregenpfeifer sind als an die Flussdynamik angepasste Arten in der Lage, sehr schnell auf veränderte Landschaftsstrukturen zu reagieren (OPITZ 1996 S. 146, HAMANN in NWO 2002, S. 102). Die kurzfristige Annahme von anthropogenen Habitaten ist zahlreich belegt (z. B. OPITZ 1996 S. 142, HARTMANN 1997 S. 58, HÖLZINGER 1987 S. 991, JEDICKE 2000 S. 136, MATTHES 1989 S. 658)
  • Widersprüchliche Ergebnisse liegen nicht vor. Daher besteht eine Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme. Für NRW wurde der Eignungsgrad mit „hoch“ bewertet (Expertenworkshop 9.11.2011 LANUV Recklinghausen).

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

2. Fazit

Für den Flussregenpfeifer besteht die Möglichkeit zur Durchführung vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen. Die benötigten Habitate lassen sich kurzfristig herstellen.

Angaben zu Priorisierung: