Wiesenpieper  (Anthus pratensis (Linnaeus, 1758))

EU-Code: A257

Artenschutzmaßnahmen

  1. Entwicklung von Habitaten im Grünland (O1.1)
  2. Entwicklung von Habitaten im Acker (O2.1)
  3. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Entwicklung von Habitaten im Grünland (O1.1)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

In intensiv genutztem Grünland entstehen für den Wiesenpieper Probleme durch zu frühe Mahd (Mahdverluste der Brut), zu hohe und dichte Vegetation mit zu wenig offenen Bereichen und Nahrungsmangel. In der Maßnahme wird für den Wiesenpieper attraktives Extensiv-Grünland geschaffen.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
  • Im Tiefland Gelände mit weitgehend freiem Horizont, keine geschlossenen Vertikalkulissen (große und dichte Baumreihen, Wälder) in der Nähe bis ca. 100 m, im Mittelgebirge auch geringere Abstände möglich.
  • Magere (bis maximal mittlere) Standorte, keine wüchsigen Böden (oder vorherige Ausmagerungsphase).
  • Grundsätzlich sollen in ackergeprägten Gebieten (z. B. Börden) vorrangig Maßnahmen im Acker (Maßnahme Entwicklung von Habitaten im Acker), in grünlandgeprägten Gebieten (z. B. Auen, Mittelgebirge) vorrangig Maßnahmen im Grünland umgesetzt werden.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Paar: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Bei Funktionsverlust des Reviers mind. im Umfang der lokal ausgeprägten Reviergröße und mind. 1 ha.
  • Wichtig ist, dass das Grünland eine lückige Ausprägung erhält. Grundsätzlich gelten die allgemeinen Angaben im Maßnahmenblatt Extensivgrünland. Weiterhin sind für den Wiesenpieper folgende Aspekte zu beachten.
  • Mahd der Fläche in Form einer Staffelmahd mit kurz- und langrasigen Bereichen (BORN et al. 1990 S. 21, HÖTKER 1990 S. 92). Extensive Mahd erst ab Anfang Juli zur Verhinderung von Mahdverlusten. Ein Teil der Flächen soll als „Altgrasstreifen“ oder -fläche nur alle 2-4 Jahre abschnittsweise gemäht werden, bei Streifenform ca. 6-10 m Breite, um im darauffolgenden Frühjahr ausreichend Deckung zu bieten (BORN et al. 1990). Günstige Standorte sind z. B. (Graben-) Böschungen oder Parzellenränder.
  • Bei einer Beweidung – idealerweise als Standweide – ist die Besatzdichte so zu wählen, dass der Fraß ein Muster von kurzrasigen und stellenweise langrasigen Strukturen (Nestanlage) gewährleistet, ggf. sind kleine Inseln oder die Parzellenränder auszuzäunen zur Verhinderung von Trittverlusten der Brut. Weideauftrieb ab Mitte Juli (BORN et al. 1990). Die Umzäunung soll zumindest teilweise mit Holzpflöcken erfolgen (Sitzwarten).
  • Ggf. (bei feuchtegeprägten Standorten) Wiedervernässung
  • Idealerweise werden unbefestigte, gering frequentierte Feldwege mit breiten Säumen in die Maßnahme einbezogen.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Jährliche Mahd oder Beweidung entsprechend den o. g. Vorschriften.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Unter günstigen Bedingungen (Optimierung aktuell suboptimaler Habitate) Wirksamkeit innerhalb von bis zu 2 Jahren, bei Neuanlage oder Durchführung von Wiedervernässungen innerhalb von bis zu 5 Jahren. Bei Notwendigkeit einer vorigen Ausmagerungsphase ggf. auch länger.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt. Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar. Die genannten Maßnahmen werden z. B. von BAUER et al. (2005 S. 479), GFL (2009), HÖTKER (2004), KRATZ et al. (2001) und UHL (2009 S. 37) empfohlen.
  • Auf dem Rollfeld (Extensivwiesen) des Köln-Bonner Flughafens nahm der Bestand um etwa 50 Reviere auf 75 Reviere (geringer Teil in der Wahner Heide) zu, was mit einer großflächigeren Mahd in Verbindung gebracht wird (HAUTH & SKIBBE 2010 S. 208).
  • In Niedersachsen bevorzugten Wiesenpieper Vertragsnaturschutz-Flächen zur Extensivierung von Dauergrünland (z. B. später Mahdtermin, reduzierte Beweidungsintensität, eingeschränkte Düngung), die Siedlungsdichte lag hier etwa doppelt so hoch wie auf den übrigen Flächen (NSG „Melmmoor Kuhdammoor“, PROLAND 2003, S. 23, 28). Ähnliche Ergebnisse liegen aus der Wesermarsch (HANDKE 1994/95) und aus Schleswig-Holstein vor (NEHLS 2001 für NSG „Alte-Sorge-Schleife“). FACKLER (2010) berichtet von einem starken Bestandsanstieg des Wiesenpiepers nach Extensivierung von Feuchtgrünland beim Altmühlsee (Bayern). In der hessischen Rhön zeigte sich ein deutlicher Bestandsanstieg des Wiesenpiepers nach Durchführung von Fichtenräumung, Wiedervernässung und Grünlandpflege (MÜLLER 1989 S. 191, fast Bestandsverdoppelung von 1987 zu 1988). Nach Renaturierung von Niedermooren in Brandenburg (vorher: komplexmelioriertes Saatgrasland, Weide oder Acker) brüteten Wiesenpieper v. a. am Rand nasser Senken mit spärlicher Vegetation (HIELSCHER 1999). UHL (2009 S. 36) berichtet aus Österreich, dass die Ausweisung von Schutzgebieten allein den Rückgang der Wiesenpieperbestände nicht aufhalten konnte. Relativ positive Trends ließen sich jedoch in manchen Gebieten dort erkennen, wo kurzrasige Feuchtwiesenvegetation durch lang andauernden Nährstoffentzug (Mahd und Düngerverzicht) begünstigt wird oder ähnliche Habitatstrukturen durch extensive Formen der Viehweide geschaffen wurden.
  • Die Maßnahme erscheint daher grundsätzlich plausibel. Wegen regionaler Unterschiede in den besiedelten Habitaten und Bestandstendenzen in NRW (z. B. Abnahme im Münsterland) verbleiben Unsicherheiten, so dass nach Bewertung im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen, 8.11.2011) lediglich eine mittlere Eignung für den Maßnahmentyp besteht.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: mittel (bei Notwendigkeit einer Ausmagerung mittelfristige Wirksamkeit beachten)

2. Entwicklung von Habitaten im Acker (O2.1)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Wiesenpieper kommen schwerpunktmäßig auf Grünlandstandorten vor, können jedoch bei Vorhandensein geeigneter Habitate (z. B. langlebige Brachen, Sonderstandorte wie magere Böschungen) auch Ackerlandschaften besiedeln. In der Maßnahme werden für betroffene Brüter in der Agrarlandschaft lückig-magere Ackerbrachen und Säume in der Agrarlandschaft entwickelt.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
  • Gelände mit weitgehend freiem Horizont, keine geschlossenen Vertikalkulissen (große und dichte Baumreihen, Wälder) in der Nähe bis ca. 100 m.
  • Keine Umwandlung von Grünland für die Maßnahme. Grundsätzlich sollen in ackergeprägten Gebieten (z. B. Börden) vorrangig Maßnahmen im Acker, in grünlandgeprägten Gebieten (z. B. Auen, Mittelgebirge) vorrangig Maßnahmen im Grünland umgesetzt werden.
  • Keine Flächen mit starker Vorbelastung von „Problemkräutern“ (z. B. Ackerkratzdistel, Quecke, Ampfer).
  • Lage der streifenförmigen Maßnahmen nicht entlang von frequentierten (Feld-) Wegen.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Paar: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung. Bei Funktionsverlust des Reviers mind. im Umfang der lokal ausgeprägten Reviergröße und mind. 1 ha Brachfläche.
  • Grundsätzlich sollen bei den folgenden Maßnahmen im Regelfall keine Düngemittel und Biozide eingesetzt werden und keine mechanische Beikrautregulierung erfolgen. Ansonsten sind die im Anwenderhandbuch Vertragsnaturschutz NRW (LANUV 2010), nach denen sich die im Folgenden aufgeführten Maßnahmentypen richten, angegebenen Hinweise zur Durchführung zu beachten. Bei Ansaaten Verwendung von autochthonem Saatgut. Wichtig ist, dass die Bestände nicht zu dicht aufwachsen, sondern lückig bleiben.
  • Anlage von Ackerstreifen oder Parzellen durch Selbstbegrünung – Ackerbrache (Paket 4041 im Anwenderhandbuch Vertragsnaturschutz)
  • Anlage von Ackerstreifen oder –flächen durch dünne Einsaat mit geeignetem Saatgut (Paket 4042 im Anwenderhandbuch Vertragsnaturschutz, Hinweis Hybridisierungsgefahr bei Luzerne im Anhang 3 S. 47 beachten). Zu beachten ist dabei: In den meisten Fällen sind selbstbegrünende Brachen, insbesondere auf mageren Böden, Einsaaten vorzuziehen. Bei letzteren besteht die Gefahr, eine für Bodenbrüter zu hohe und dichte Vegetationsdecke auszubilden.
  • Für die Hellwegbörde können zudem die differenzierten Maßnahmenvorschläge von BRABAND et al. (2006) herangezogen werden.
  • Idealerweise werden unbefestigte, gering frequentierte Feldwege mit breiten Säumen in die Maßnahme einbezogen.
  • Erhalt / Schaffung einzelner erhöhter Strukturen als Sitz- und Singwarten (Einzelsträucher, Pfähle o.ä.)

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Die o. g. Kulturen müssen regelmäßig neu gepflegt bzw. angelegt werden. Eine Rotation der Maßnahmen auf verschiedene Flächen ist dabei möglich.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die Maßnahmen sind unmittelbar nach Etablierung der Vegetation wirksam.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt. Die benötigten Strukturen sind kurzfristig entwickelbar. Die Maßnahme ist entsprechend der Artökologie plausibel.
  • Wegen regionaler Unterschiede in den besiedelten Habitaten und Bestandstendenzen in NRW (z. B. Abnahme im Münsterland) verbleiben Unsicherheiten, so dass nach Bewertung im Expertenworkshop (LANUV Recklinghausen, 9.11.2011) lediglich eine mittlere Eignung für den Maßnahmentyp besteht.
  • Um langfristig wirksam zu sein, bedürfen alle Maßnahmen im Ackerland einer auf den konkreten Fall abgestimmten sorgfältigen Auswahl geeigneter Flächen, in die Landschaftsstrukturen und konkrete Vorkommen eingehen. Gleiches gilt für die Auswahl und Kombination der Maßnahmen und die langfristige Qualitätssicherung der Umsetzung (Pflege zur Initiierung früher Sukzessionsstadien, Rotation, Fruchtfolge, Auftreten von Problemunkräutern etc.). Daher ist ein maßnahmenbezogendes Monitoring unter Einbeziehung der Landwirte erforderlich.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Ja
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: mittel, nur für betroffene Brutpaare in Ackerlandschaften anzuwenden.

3. Fazit

Für den Wiesenpieper bestehen Möglichkeiten zur Durchführung vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen in den Brut- und Nahrungshabitaten. Wegen regionaler Unterschiede in den besiedelten Habitaten und Bestandstendenzen in NRW (z. B. Abnahme im Münsterland) verbleiben Unsicherheiten, so dass lediglich eine mittlere Eignung für die Maßnahmentypen besteht.

Angaben zu Priorisierung: