Blässgans  (Anser albifrons (Scop.,1789))

EU-Code: A041

Art und Abgrenzung der Fortpflanzungs- und Ruhestätte (FoRu)

Fortpflanzungsstätte:

Ruhestätte: Die Arten sind in NRW Zug- und Rastvögel, die während der Frühjahrs- und / oder Herbstrast in der Regel in Trupps an strukturell geeigneten Plätzen rasten und / oder überwintern. Dabei handelt es sich um offene und möglichst störungsarme Flussauen mit Grünland- und/oder Ackerflächen. Neben fakultativ und nur sporadisch genutzten Rastplätzen gibt es regelmäßig von größeren Individuengruppen genutzte traditionelle Rast- und Schlafplätze (v. a. in den VSG Unterer Niederrhein und Weseraue sowie an der Rur im Kreis Heinsberg). Diese traditionellen Rast- und Schlafplätze sind jeweils als Ruhestätte abzugrenzen, wobei jährliche Verlagerungen innerhalb der Ruhestätte aufgrund landwirtschaftlicher Nutzung auftreten können. Die Ruhestätte besteht aus den Schlafplätzen sowie den essenziellen regelmäßig für die Nahrungssuche genutzten Flächen. Der räumliche Umgriff ergibt sich aus dem für die Nahrungssuche genutzten Aktionsradius im Umfeld der Schlafplätze, der störungsarm sein muss, damit sich die Funktion als Ruhestätte entfalten kann. Die Nahrungsflächen können sich von Jahr zu Jahr und auch innerhalb eines Winters verlagern. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Erntereste auf Äckern nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung stehen (bis sie aufgefressen wurden) und dass auf Grünland das Gras nach einem meist 2- bis 4-tägigen Beweidungsdurchgang erst wieder 3 bis 4 Wochen lang nachwachsen muss. In sehr großen Rast- und Überwinterungsgebieten (VSG Unterer Niederrhein) ist jeweils ein zusammenhängender Funktionsraum als eine Ruhestätte abzugrenzen. Bei der Abgrenzung dieser Funktionsräume sind möglichst vorhandene Erkenntnisse der Experten vor Ort zu den Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Nahrungsflächen und den Schlaf-/Trinkplätzen zu berücksichtigen.

Lokalpopulation

  • Blässgans: Vorkommen in einem Schutzgebiet, Vorkommen im Kreisgebiet
  • Weißwangengans: Vorkommen in einem Schutzgebiet, Einzelvorkommen

Habitatanforderungen

  • Blässgans: Großräumige Flusstalauen, (Feucht-) Grünlandbereiche mit geeigneten Nahrungsflächen (Grünland mit geringer Vegetationshöhe, Äcker) sowie ein Angebot an Trink- und Schlafgewässern (LANUV). Grünland wird von der Blässgans offenbar stärker bevorzugt als von der Saatgans (BAUER et al. 2005 S. 68, BALLASUS 2005, KRUCKENBERG 2003c, WILLE 2000, FEIGE et al. 2011, S. 172).
  • Weißwangengans: In NRW sind Flussauen mit Abgrabungsgewässern (Trink- und Schlafplätze) sowie Grünland mit geringer Vegetationshöhe (Nahrungsflächen) optimale Rasthabitate (LANUV).
  • Die Arten besitzen ein Nahrungsspektrum, das Erntereste, Winterkulturen sowie Grünland umfasst, allerdings mit graduell unterschiedlichen Präferenzen, die ggf. auch vom Angebot und den klimatischen Verhältnissen (atlantisch – kontinental) abhängen. Weißwangen- und Blässgans bevorzugen Grünland stärker als die Saatgans. Zumindest an Standorten im Binnenland ergibt sich oft (nicht immer und mit Varianten) folgendes Muster: Im Herbst / Frühwinter werden Äcker mit Ernterückständen bevorzugt (solange der Vorrat reicht bzw. bis zum Umbruch), dann junges Wintergetreide / junger Raps. Im Frühjahr wird dann bevorzugt Grünland aufgesucht (wenn das Gras wieder zu wachsen anfängt).
  • WILLE (2000, Unterer Niederrhein, S. 101): Blässgänse nutzten zu ca. 90 % Grünland als Äsungsflächen. Im Oktober und November wurden auch abgeerntete Zuckerrübenfelder und abgeerntete Maisäcker aufgesucht. Die Saatgänse haben ihre Präferenzen seit Ende der 1970er Jahre stark verändert. Sie begannen Mitte der 1980er Jahre, abgeerntete Zuckerrübenfelder zu nutzen. Dies erfolgte etwa zeitgleich mit der Einführung einer veränderten Erntetechnik, wobei das Blattgrün und die Wurzelspitzen der gehäckselten Rüben auf den Flächen verbleibt.
  • FEIGE et al. (2011, Unterer Niederrhein, S. 172): Blässgänse nutzten in den Wintern 2004/05 bis 2008/09 zu 82 % Grünland und 11 % Wintergetreide. Die Weißwangengans ist fast ausschließlich auf Grünland anzutreffen, da die größten Rastbestände auf dem Frühjahrszug auftreten.
  • DEGEN et al. (2009, Elbtalaue): Die Nutzung des Grünlandes nahm in der Reihenfolge Saatgans, Blässgans, Graugans und Weißwangengans zu, die der Ackerflächen entsprechend ab. Mit Eintritt des Frühjahrs wurde Grünland zunehmend bevorzugt. Es war für alle Gänsearten im Februar und März der am häufigsten aufgesuchte Habitattyp. Auch Wintergetreide wurde, v. a. von Saat- und Graugänsen, zum Frühjahr hin deutlich häufiger aufgesucht als im Herbst. Stoppelfelder hatten besonders für die Saatgans, aber auch für die Blässgans im Herbst eine sehr große Bedeutung, die im Verlauf der Rastsaison deutlich abnahm; Saatgänse nutzten diese Flächen aber bis in den Winter hinein. Saatgänse waren insgesamt deutlich stärker auf Ackerflächen spezialisiert als die anderen Gänsearten. Sie nutzten (neben Ablenkflächen, Getreidestoppelfeldern und Raps) auch Maisstoppelfelder sowie zumindest in einzelnen Jahren auch Kartoffel- und Rübenäcker überproportional häufig. Ein Vergleich der Nutzung der angebauten Feldfrüchte zeigt, dass die Nutzungsintensität durch die Schwäne und Gänse auf Rapsflächen durchgehend (und z. T. wesentlich höher) war als auf Wintergetreide- und Grünlandflächen. Hohe Nutzungsintensitäten wurden außerdem auf Getreidestoppelfeldern sowie auf Kartoffeläckern durch die Saatgans erreicht.

  • Möglichst räumliche Nähe zwischen Schlafplätzen und Nahrungshabitaten (umso näher, desto günstiger), bevorzugt werden jedoch schlafplatznahe Nahrungshabitate. Die Entfernung von Nahrungs- und Schlafplätzen soll in der Regel 5 km nicht überschreiten. Im Idealfall liegen die Schlafgewässer inmitten der Nahrungshabitate.
  • Die Nutzung der Nahrungshabitate innerhalb der Rastgebiete kann bei Ackerflächen wegen der dynamisch wechselnden Fruchtfolge großen jährlichen Veränderungen unterworfen sein. Orts- bzw. Flächentraditionen dürften daher für die lokale Ebene ohne große Bedeutung sein. Gänse sind generell Nahrungsopportunisten und nehmen innerhalb ihres Rastplatzraumes die Flächen an, die gerade eine attraktive Nahrungsquelle darstellen (KREUZIGER 2002, KRUCKENBERG et al. 2003, WILLE 2000). Die Gänse wechseln dabei auch innerhalb eines Winters zwischen mehreren Nahrungsflächen, die entsprechend ihrem Nahrungsangebot (Ernterückstände, Vegetationshöhe, nachwachsende Kräuter / Gras) turnusmäßig aufgesucht werden.
  • Fluchtdistanzen: Aufgrund der Jagdruhe auf arktische Gänse haben die Fluchtdistanzen in NRW in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Dies gilt vor allem für die Blässgans. An Stellen mit regelmäßigem Besucherverkehr ist die Fluchtdistanz auf unter 50 m abgesunken, an Stellen mit unregelmäßigem Besucherverkehr liegt sie bei unter 150 m (Reaktionsdistanz, WILLE 2000).
  • Lage der Maßnahmenflächen in weithin offener Landschaft aufgrund der Meidung der Gänse gegenüber Sichtbarrieren wie hohen geschlossenen Vertikalstrukturen (Waldränder). Keine Nähe zu Windenergieparks im Umfeld von bis zu 1200 m oder in der Einflugschneise (LAG-VSW 2007). Eine kleinflächig gegliederte Landschaft kann dagegen durchaus von Saat- und Blässgänsen genutzt werden: Nach MOOJI (1993) bevorzugten die am Unteren Niederrhein überwinternden Saat- und Blässgänse für die Nahrungsaufnahme Grünlandflächen in relativ ungestörten Bereichen, die periodisch überflutet wurden und ± kleinflächig durch Hecken, Gehölze und Relief strukturiert sind (ähnlich MEßER et al. 2011 S. 25 für die Rheinaue Walsum).