Eisvogel  (Alcedo atthis (Linnaeus, 1758))

EU-Code: A229

Artenschutzmaßnahmen

  1. Schaffung / Optimierung von Brutstätten durch Abstechen von Böschungen (G3.2)
  2. Schaffung künstlicher Brutwände, Anlage künstlicher Brutröhren (Av1.1, Av1.4)
  3. Naturnahe Gestaltung von Fließgewässerabschnitten (G5, G6.2.1)
  4. Fazit

Maßnahmen im Einzelnen

1. Schaffung / Optimierung von Brutstätten durch Abstechen von Böschungen (G3.2)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Dort, wo die Gewässerdynamik (noch) nicht ausreichend ist, werden bei Mangel an Brutmöglichkeiten in ansonsten geeigneten Eisvogelhabitaten Steilwände / Böschungen künstlich abgestochen bzw. optimiert.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
  • Zum Abstechen geeignete Böschungen mit > 1,5 m Höhe und > (2-) 5 m Breite in sandigem oder lehmigem Bodenmaterial (andernfalls kann der Eisvogel die Niströhren nicht selber anlegen). Ideal sind Büsche auf und neben dem Brutplatz, die das Erdreich festhalten und dem Eisvogel Sichtschutz und Sitzwarten bieten (BUNZEL & DRÜKE 1982), sowie überhängende Pflanzenteile (Grashalme o. ä., VON DEWITZ 2003 S. 67) wobei die Wand aber nicht verdeckt wird (Gewährleistung freier Anflugmöglichkeiten).
  • Unmittelbare Nähe zu einem möglichst naturnahen Gewässer mit ausreichendem Nahrungsangebot (kleinfischreiches Fließ- oder Stillgewässer) und Ansitzmöglichkeiten (z.B. niedrig überhängende Äste) sowie Deckungsstrukturen (Ruhestätten) durch Ufervegetation.

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Brutpaar: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Plausibel erscheinen folgende Orientierungswerte: Mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung und mind. Schaffung von 3 Steilwänden. Jede Steilwand soll eine Mindesthöhe von (1,5-) 2 m über dem mittleren Hochwasserspiegel und eine Mindestbreite von 2-5 m sowie eine Tiefe von > 2m aufweisen (WECHSLER 2007 S. 231). Dabei darf jedoch das Erdreich nicht bis zur Normalwasserlinie abgegraben werden, da die Wand sonst zu schnell unterspült wird; empfohlen wird das Belassen eines 30 bis 40 cm hohen Sockels (BUNZEL & DRÜKE 1980; 1982).
  • Abstechen einer Steilwand / Böschung an einem naturnahen Gewässer; die Steilwand kann auch einige Meter vom Gewässer entfernt liegen (geringere Erosionsgefahr). Die Steilwände müssen senkrecht, idealerweise etwas überhängend sein. Sofern die Steilwände direkt an Grünland- oder Ackerflächen angrenzen oder anderweitig störungsgefährdet sind, sind sie durch Auszäunung zu sichern (BUNZEL & DRÜKE 1980, 1982). Die Zäune dürften jedoch nicht zu einer Erhöhung der Kollisionsgefahr führen (z. B. keine Zäune über Gewässern).
  • Entfernen von starkem Bewuchs bei zugewachsenen Steilwänden (WESTERMANN & WESTERMANN 1998)
  • Nach VON DEWITZ (2003 S. 67) ist es empfehlenswert, Steilwände im Frühjahr abzustechen, damit die Wand im Sommerhalbjahr gut austrocknen kann. Im Herbst abgestochene Wände bleiben bis zum Winter feucht und erodieren dann durch die Frosteinwirkung.
  • Sofern nicht vorhanden, können Äste oder Stöcke als Ansitzwarten nahe der Steilwand angebracht werden (VON DEWITZ 2003 S. 67).
  • Brutröhren direkt unter der Erdoberfläche können von oben durch Marder oder Füchse aufgegraben werden. Als Schutz kann man ein Drahtgeflecht auf die Steilwand legen. Keinesfalls darf die Steilwandfront jedoch mit Maschendraht „gesichert“ werden, weil Wiesel und Ratten dann auf dem Draht hochklettern können (BUNZEL & DRÜKE 1980, 1982).
  • Idealerweise erfolgt die Maßnahme in Kombination mit der Renaturierung längerer Flussabschnitte.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • MÖNIG (1995, Bergischer Raum) weist auf die begrenzte Haltbarkeit bei fehlendem Hochwasserschutz hin oder wenn von oben die Gefahr einer Auswaschung besteht: Ohne Betreuung verfallen solche Steilwände nach wenigen Jahren und sind teilweise sogar schon nach einem Jahr als Profil erkennbar. Die Uferabbrüche sind daher jährlich nach der Frostperiode zu kontrollieren und ggf. nachzumodellieren (BUNZEL & DRÜKE 1982, WECHSLER 2007).
  • Der zuständige Wasserverband, die Gemeinde o. a. Unterhaltungspflichtige sind über die Maßnahme zu informieren bzw. einzubeziehen. Die Anlage der Steilwand kann dann in den jährlich aufzustellenden Unterhaltungsplan für das Gewässer aufgenommen werden (VON DEWITZ 2003 S. 67).
  • Ist eine Auszäunung erfolgt, sind die Zäune ebenfalls jährlich zu kontrollieren und ggf. nachzubessern.
  • Gewährleistung freier Anflugmöglichkeiten.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Die Maßnahme ist mit wenig Zeit- und Materialaufwand herstellbar. Ein Nachteil ist jedoch die eingeschränkte Haltbarkeit, da die Brutwände durch Auswaschung und Hochwasserereignisse schnell verfallen können (MÖNIG 1995, WECHSLER 2007).
  • Zu lockere oder rissige Erde, die teilweise für Uferschwalben in Frage kommt, wird von den Eisvögeln gemieden (BUNZEL & DRÜKE 1980).

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Die benötigten Strukturen stehen unmittelbar nach Herstellung bzw. in der nächsten Brutsaison bereit. Um dem Eisvogel eine Eingewöhnung zu ermöglichen, ist die Maßnahme mit mind. 1 Jahr Vorlaufzeit durchzuführen.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt.
  • Die benötigten Strukturen sind kurzfristig herstellbar.
  • Die Maßnahme wird häufig vorgeschlagen (z. B. BAUER et al. 2005, BOTTIN et al. 1981, BUNZEL & DRÜKE 1982, NLWKN 2010, PANNACH 1986) und erfolgreich durchgeführt (z. B. BECKERS 2002, BUNZEL & DRÜKE 1980, MÖNIG 1995, WECHSLER 2007). Von 32 Stellen, die vor der Brutzeit 1977 am südlichen Oberrhein entsprechend hergerichtet wurden, besiedelte der Eisvogel im gleichen Jahr noch 17 (WESTERMANN & WESTERMANN 1998 S. 267).
  • Für NRW wurde der Eignungsgrad mit „hoch“ bewertet (Expertenworkshop 7.11.2011 LANUV Recklinghausen).

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

2. Schaffung künstlicher Brutwände, Anlage künstlicher Brutröhren (Av1.1, Av1.4)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Wenn standortbedingt kein Abstechen einer Böschung möglich ist, können bei Mangel an Brutmöglichkeiten künstliche Brutwände, ggf. mit Brutröhren, für den Eisvogel geschaffen werden.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Ja

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
  • Zum Abstechen geeignete Böschungen mit > 1,5 m Höhe und > (2-) 5 m Breite in sandigem oder lehmigem Bodenmaterial (andernfalls kann der Eisvogel die Niströhren nicht selber anlegen). Ideal sind Büsche auf und neben dem Brutplatz, die das Erdreich festhalten und dem Eisvogel Sichtschutz und Sitzwarten bieten (BUNZEL & DRÜKE 1982), sowie überhängende Pflanzenteile (Grashalme o. ä., VON DEWITZ 2003 S. 67) wobei die Wand aber nicht verdeckt wird (Gewährleistung freier Anflugmöglichkeiten).
  • Die Aufschüttung einer„künstlichen Brutwand kann dort erfolgen, wo keine ausreichend hohen Uferbereiche vorhanden sind oder das Erdmaterial für den Eisvogel nicht geeignet ist.
  • Unmittelbare Nähe zu einem möglichst naturnahen Gewässer mit ausreichendem Nahrungsangebot (kleinfischreiches Fließ- oder Stillgewässer) und Ansitzmöglichkeiten (z.B. überhängende Äste) sowie Deckungsstrukturen (Ruhestätten) durch Ufervegetation.
  • Bei der Standortwahl ist der Aspekt der langfristigen Sicherung der Steilwand zu beachten (Hochwasserereignisse, Erosion), um den Pflegeaufwand zu begrenzen (MÖNIG 1995).

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Brutpaar: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Plausibel erscheinen folgende Orientierungswerte: Schaffung von > 3 Steilwänden. Jede Steilwand soll eine Mindesthöhe von (1,5-) 2 m über dem mittleren Hochwasserspiegel und eine Mindestbreite von 2-5 m sowie eine Tiefe von > 2m aufweisen (WECHSLER 2007 S. 231). Als Hochwasserschutz und zum Schutz vor Fressfeinden sollte die „Eisvogelburg“ auf einem Sockel aufgebracht werden, der (je nach Hochwasserlinie) eine Höhe von ca. 30 bis 40 cm aufweist (BUNZEL & DRÜKE 1980).
  • Folgende Varianten von künstlichen Brutwänden („Eisvogelburg“ / Brutröhren sind grundsätzlich möglich (MÖNIG 1995, WECHSLER 2007; für detaillierte Bauanleitungen siehe z. B. bei BUNZEL & DRÜKE 1982, HARTMANN & BAUSCHMANN 2002, NABU 2009, VON DEWITZ 2003, WECHSLER 2007).
  • Errichtung einer künstlichen Steilwand mit verschiedenen Bodengemischen. Hinter einer Verschalung wird gesiebtes Baumaterial verschiedener Zusammensetzung eingebracht und ggf. mit Bindemitteln verfestigt. Nach einer Absetzphase wird die Schalung entfernt. Der Eisvogel kann sich die Röhren selber graben.
  • Grassodenaufschichtung: Es werden abgestochene Platten von Grassoden zu einem Wall aufgeschichtet. Der dazwischenliegende Pflanzenwuchs stirbt nach ca. 2 Jahren ab und zurück bleibt eine kompakte und stabile Wand. Der Eisvogel kann sich die Röhren selber graben. Nach MÖNIG (1995, NRW) haben sich Lehmplaggen als geeigneter erwiesen als Sandplaggen,
  • Einsetzen von Fertigbauelementen und Formteilen (selbstgefertigte oder gekaufte Brutplatzelemente wie Tunnelteil, Kessel, Deckel). Sie werden in vorhandene Wände eingesetzt, oder an geeigneter Stelle wird eine Böschung zum Einsetzen geschaffen. Der Eisvogel kann dann entweder selber graben oder die Kunströhre benutzen.
  • Errichtung einer Platten- und Rahmenkonstruktion mit Nistkästen in Fertigbauweise. In diesem Fall erfolgt die Montage von Fertigbauelementen bzw. eines Nistkastens auf einem verblendeten Gestell an gewässernahen Plätzen, ohne auf die sonst notwendige Hanglage angewiesen zu sein. Der Eisvogel kann nicht selber graben.
  • Das aufgefüllte Bodenmaterial soll grabfähig sein, d. h. es darf nicht zu stark aushärten.
  • Anlage von künstlichen Niströhren in natürliche Böschungen oder in Kunstwände (BOTTIN ET AL. 1981, VON DEWITZ 2003): Bei natürlichen Böschungen nur bei sehr steinigen oder sehr stark durchwurzelten Steilwänden, wo die Eisvögel selbst nicht graben können. Für detaillierte Bauanleitungen siehe BOTTIN et al. 1981, BUNZEL & DRÜKE (1982).
  • Niströhren können dort verwendet werden, wo Eisvögel neu angesiedelt werden sollen, in der Regel nicht an bestehenden Brutplätzen, da dort diese Maßnahme i. a. nicht notwendig ist oder die Steilwände bei unsachgemäßem Einbau beschädigt werden können (BUNZEL & DRÜKE 1982).
  • Die künstliche Niströhre darf nicht aus der Steilwandfront herausragen, da sie ansonsten vom Eisvogel nicht mehr genutzt wird (BOTTIN et al. 1981, MÖNIG 1995). Der Gang der Niströhre soll eine Höhe von ca. 10 cm aufweisen, so dass ein Auffüllen mit Erde möglich ist. Ebenso ist die Bruthöhle mit einer Erdschicht aufzufüllen, um das Versickern von Kot zu ermöglichen und für annähernd natürliche Feuchtigkeitsverhältnisse zu sorgen (BOTTIN et al. 1981).
  • Sofern die Steilwände direkt an Grünland- oder Ackerflächen angrenzen oder anderweitig störungsgefährdet sind, sind sie durch Auszäunung zu sichern (BUNZEL & DRÜKE 1980, 1982). Die Zäune dürften jedoch nicht zu einer Erhöhung der Kollisionsgefahr führen (z. B. keine Zäune über Gewässern).
  • Brutröhren direkt unter der Erdoberfläche können von oben durch Marder oder Füchse aufgegraben werden. Als Schutz kann man ein Drahtgeflecht auf die Steilwand legen. Keinesfalls darf die Steilwandfront jedoch mit Maschendraht „gesichert“ werden, weil Wiesel und Ratten dann auf dem Draht hochklettern können (BÜNZEL & DRÜKE 1980, 1982).
  • Sofern nicht vorhanden, können Äste oder Stöcke als Ansitzwarten nahe der Steilwand angebracht werden (VON DEWITZ 2003 S. 67, WECHSLER 2007).
  • Ggf. sind die Anlagen vor Erosion / Hochwasser durch Steinschüttungen, Holzgeflechte, Faschinen o. a. zu schützen (MÖNIG 1995) unter Beachtung der lokalen bodenkundlichen Verhältnisse (keine Schutzanlagen durch „Fremdkörper“).
  • Idealerweise erfolgt die Maßnahme in Kombination mit der Renaturierung längerer Flussabschnitte.

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Regelmäßige Wartung der Steilwände und Nisthilfen. Den geringsten Pflegeaufwand verursachen die Fertigbauteile bzw. die Nistkästen (MÖNIG 1995). Die Nisthilfen sind mindestens jährlich auf Funktionsfähigkeit zu überprüfen außerhalb der Brutzeit. In diesem Rahmen erfolgt auch eine Reinigung.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
  • Zum Abstechen geeignete Böschungen mit > 1,5 m Höhe und > (2-) 5 m Breite in sandigem oder lehmigem Bodenmaterial (andernfalls kann der Eisvogel die Niströhren nicht selber anlegen). Ideal sind Büsche auf und neben dem Brutplatz, die das Erdreich festhalten und dem Eisvogel Sichtschutz und Sitzwarten bieten (BUNZEL & DRÜKE 1982), sowie überhängende Pflanzenteile (Grashalme o. ä., VON DEWITZ 2003 S. 67) wobei die Wand aber nicht verdeckt wird (Gewährleistung freier Anflugmöglichkeiten).
  • Unmittelbare Nähe zu einem möglichst naturnahen Gewässer mit ausreichendem Nahrungsangebot (kleinfischreiches Fließ- oder Stillgewässer) und Ansitzmöglichkeiten (z.B. niedrig überhängende Äste) sowie Deckungsstrukturen (Ruhestätten) durch Ufervegetation.
  • Die künstlichen Strukturen sollen sich in die Landschaft anpassen (keine „Fremdkörper“), auch unter bodenkundlichen Gesichtspunkten.
  • Die Maßnahme darf keine weiteren negativen Auswirkungen auf die Gewässerstandorte haben.

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Eine Wirksamkeit innerhalb der ersten Brutsaison nach Herstellung ist möglich, sofern die Fertigstellung der Brutwand bis spätestens Anfang März erfolgt (vgl. WECHSLER 2007, NABU 2009). Um dem Eisvogel eine Eingewöhnung zu ermöglichen, ist die Maßnahme mit mind. 1 Jahr Vorlaufzeit durchzuführen.

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Wesentlich für den Maßnahmenerfolg ist die fachliche Begleitung bei Planung und Durchführung durch Art-Experten.
  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt.
  • Die benötigten Strukturen sind kurzfristig herstellbar.
  • Die Anlage von Brutwänden und künstlicher Niströhren wird vielfach beschrieben, häufig in Kombination mit der Anlage von Brutwänden oder anderen Lebensraum verbessernden Maßnahmen (z.B. NABU 2009, NLWKN 2010, BAUER et al. 2005, PANNACH 1986). Die Annahme der Strukturen ist zahlreich belegt (z. B. BOTTIN et al. 1981, VON DEWITZ 2003, MÖNIG 1995, WECHSLER 2007).
  • Für NRW wurde der Eignungsgrad mit „mittel“ bewertet (Expertenworkshop 8.11.2011 LANUV Recklinghausen). Die Schaffung neuer, künstlicher Brutgelegenheiten (Böschungen, Steilwände) ist zwar grundsätzlich eine geeignete vorgezogene Ausgleichsmaßnahme, darf jedoch mittel- und langfristig kein Ersatz für natürliche Standorte darstellen (ebenso WESTERMANN & WESTERMANN 1998). Daher sollen die Maßnahmen nur als Übergangslösung und nur in Kombination mit Maßnahme: Schaffung künstlicher Brutwände, Anlage künstlicher Brutröhren, eingesetzt werden. Sofern es die Standortverhältnisse zulassen, soll dem Eisvogel auch bei Verwendung von Niströhren die Option zum Selbergraben der Röhren erhalten bleiben.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Ja
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Nein

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: mittel

3. Naturnahe Gestaltung von Fließgewässerabschnitten (G5, G6.2.1)

Allgemeine Maßnahmenbeschreibung

Eisvögel brüten primär in natürlich entstandenen Abbruchkanten v. a. an (Fließ-) Gewässerufern. Im Rahmen der Renaturierung von Fließgewässern (z. B. Rückbau von Uferbefestigungen) entstehen neue Abbruchkanten, weiterhin wird das Nahrungsangebot optimiert.

Maßnahme betrifft Teilhabitat und ist i.d.R. nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam: Nein

Anforderungen an den Maßnahmenstandort

  • Eine ausreichende Entfernung des Maßnahmenstandorts zu potenziellen Stör- und Gefahrenquellen ist sicherzustellen (s. Einführung zum Leitfaden).
  • Zum Abstechen geeignete Böschungen mit > 1,5 m Höhe und > (2-) 5 m Breite in sandigem oder lehmigem Bodenmaterial (andernfalls kann der Eisvogel die Niströhren nicht selber anlegen). Ideal sind Büsche auf und neben dem Brutplatz, die das Erdreich festhalten und dem Eisvogel Sichtschutz und Sitzwarten bieten (BUNZEL & DRÜKE 1982), sowie überhängende Pflanzenteile (Grashalme o. ä., VON DEWITZ 2003 S. 67) wobei die Wand aber nicht verdeckt wird (Gewährleistung freier Anflugmöglichkeiten).
  • Unmittelbare Nähe zu einem möglichst naturnahen Gewässer mit ausreichendem Nahrungsangebot (kleinfischreiches Fließ- oder Stillgewässer) und Ansitzmöglichkeiten (z.B. niedrig überhängende Äste) sowie Deckungsstrukturen (Ruhestätten) durch Ufervegetation.
  • Das direkte Umfeld muss die Wiederherstellung eines naturnahen Fließgewässerabschnittes mit den evtl. daraus folgenden Konsequenzen erlauben (z.B. Anhebung des Grundwasserstandes, Flächenverbrauch durch die Änderung des Fließgewässerverlaufes, Nebengerinne, Altwässer bzw. Tümpel)
  • Fließgeschwindigkeit, die eine Entstehung von für den Eisvogel geeigneten Abbruchkanten zumindest bei Hochwasserereignissen zulässt.
  • Sandiges oder lehmiges Bodenmaterial, da sonst an neu entstehenden Uferabbrüchen die Niströhren von den Eisvögeln nicht selber angelegt werden können

Anforderungen an Qualität und Menge

  • Orientierungswerte pro Brutpaar: Es gibt keine begründeten Mengen-, bzw. Größenangaben in der Literatur. Plausibel erscheinen folgende Orientierungswerte: Maßnahmenbedarf mind. im Verhältnis 1:1 zur Beeinträchtigung; als Faustwert werden für eine signifikante Verbesserung des Habitatangebotes pro Paar mind. 500 m Gewässerlänge im Aktionsraum empfohlen.
  • Zur Renaturierung von Fließgewässern vgl. „Blaue Richtlinie“ (MULNV 2010, Kapitel 6: Maßnahmen).

Wiederkehrende Maßnahmen zur Funktionssicherung: Ja

  • Das Vorhandensein geeigneter Brutwände für den Eisvogel soll jährlich kontrolliert werden. Ggf. Kombination mit der Schaffung / Optimierung von Brutstätten durch Abstechen von Böschungen.

Weitere zu beachtende Faktoren

  • vgl. „Blaue Richtlinie“ (MUNLV 2010)

Zeitliche Dauer bis Wirksamkeit

  • Bruthabitat: Eine kurzfristige Wirksamkeit bezüglich der Entstehung von als Brutplatz geeigneten Böschungen innerhalb von bis zu 5Jahren kann nicht garantiert werden, da unsicher ist, wann der Fluss neue Abbruchkanten schafft. Daher kann es sinnvoll sein, im Rahmen der Renaturierung künstlich Steilwände anzulegen (Maßnahme: Schaffung / Optimierung von Brutstätten durch Abstechen von Böschungen), deren Funktion mittelfristig von den natürlich entstandenen Steilwänden übernommen wird (Kombination mit Maßnahme: Schaffung künstlicher Brutwände, Anlage künstlicher Brutröhren nur im Ausnahmefall, im Regelfall keine künstlichen Veränderungen an renaturierten Gewässern).
  • Nahrungshabitat: Kleinfische stellen sich in geeigneten Habitaten meist schnell ein (z. B. METZNER et al. 2003).

Aspekte der Prognosesicherheit

  • Die Habitatansprüche der Art sind gut bekannt.
  • Die Maßnahme ist kurzfristig (ggf. in Kombination mit Maßnahme: Schaffung / Optimierung von Brutstätten durch Abstechen von Böschungen ) entwickelbar.
  • Die Maßnahme wird für den Eisvogel in der Literatur zahlreich empfohlen (z. B. BAUER et al. 2005, BUNZEL-DRÜKE 1982, NLWKN 2010, PANNACH 1986, WEGGLER 2004, WESTERMANN & WESTERMANN 1998). Bei einer Renaturierung am Obermain (METZNER et al. 2003, Bayern) blieb zwar die Brutpaardichte des Eisvogels auf den Renaturierungsflächen konstant, da keine zusätzlichen Steilwände entstanden (der Eisvogel nutzte am Obermain v. a. die nahe gelegenen Steilwände an Baggerseen bzw. im Bereich von Kiesbaggerungen). Es entstanden jedoch für den Eisvogel günstige Nahrungshabitate durch einen sprunghaft angestiegenen Jung- und Kleinfischbestand als Folge einer Steigerung der Habitatvielfalt und Strömungsvariabilität im Gewässer. Die Bedeutung der renaturierten Flussstrecken wird für die Eisvögel als hoch eingeschätzt (METZNER et al. 2003 S. 81). BECKERS (2002) berichtet von einer Renaturierung der Lippe in der „Disselmersch“ (NRW) auf ca. 3 km Länge. Seit Durchführung von „Entfesselungsmaßnahmen“ auf ca. 2,4 km Länge (z. B. Herausnahme des Befestigungsmaterials (Deckwerk), Schaffung von Flachwasserzonen, Anlage von Inseln und Steilwänden) siedelte sich der Eisvogel wieder an (ebenso andere Arten wie die Uferschwalbe).
  • Für NRW wurde die Eignung als „hoch“ bewertet (Expertenworkshop 7.11.2011 LANUV Recklinghausen).
  • Aufgrund der in der Regel umfangreichen Maßnahmenkonzeption bei der Gewässerrenaturierung ist ein Monitoring durchzuführen.

Risikomanagement / Monitoring

  • erforderlich (maßnahmenbezogen): Nein
  • erforderlich (populationsbezogen): Nein
    • bei allen Vorkommen: Nein
    • bei landesweit bedeutsamen Vorkommen: Nein
    • bei umfangreichen Maßnahmenkonzepten: Ja

Bewertung (Eignung als vorgezogene Ausgleichsmaßnahme)

  • Kenntnisstand zur Ökologie der Art: hoch
  • Entwickelbarkeit der Strukturen: kurzfristig
  • Belege / Plausibilität: hoch

Fazit Eignung: hoch

4. Fazit

Für den Eisvogel liegen leicht durchführbare und durchweg kurzfristig wirksame Maßnahmen vor.

Angaben zu Priorisierung:

Maßnahme: Schaffung / Optimierung von Brutstätten durch Abstechen von Böschungen hat eine höhere Priorität als Maßnahme: Schaffung künstlicher Brutwände, Anlage künstlicher Brutröhren. Die Maßnahme: Schaffung künstlicher Brutwände, Anlage künstlicher Brutröhren ist nur übergangsweise und nur in Kombination mit einer Fließgewässerrenaturierung umzusetzen. Maßnahme: Naturnahe Gestaltung von Fließgewässerabschnitten: hohe Priorität